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       # taz.de -- Neuer Chef für NDR-Elbphilharmoniker: Ein New Yorker soll es richten
       
       > Die einstige Lichtgestalt Thomas Hengelbrock ist abserviert, Alan Gilbert
       > vom New York Philharmonic Orchestra kommt – und wird neuer Chef der
       > NDR-Elbphilharmoniker
       
   IMG Bild: Neue Lichtgestalt: Alan Gilbert wird ab 2019 Chefdirigent des NDR-Elbphilharmonieorchesters
       
       HAMBURG taz | „Jetzt haben wir einen kompletten Dirigenten, der alles kann.
       Der ein breites Repertoire von Alt bis Neu bedient und sich explizit auch
       Neuer Musik widmet.“ Es klingt schön, was NDR-Orchesterchef Achim Dobschall
       über Alan Gilbert, den designierten Chefdirigenten des
       NDR-Elbphilharmonie-Orchesters, sagt: Und doch ist das Lob vergiftet, denn
       es bedeutet auch, dass Noch-Dirigent Thomas Hengelbrock nicht alles kann.
       
       Dabei hatte man Hengelbrock – obwohl vor allem Alte-Musik- und
       Kammerorchester-erfahren – beim Amtsantritt 2011 ähnlich euphorisch
       gepriesen. Er sollte das NDR-Orchester auf die Elbphilharmonie-Eröffnung
       vorbereiten. Auf internationalen Standard sollte er die Musiker bringen,
       sich mit der durchreisenden internationalen Konkurrenz messen. Doch es
       gelang nicht, die Kritik an Orchester und Dirigent wurden nach der
       Elbphilharmonie-Eröffnung am 11. Januar lauter.
       
       Anfang dieser Woche war es dann so weit: Hengelbrocks Vertrag werde nicht
       über 2019 hinaus verlängert, ließ der NDR am Montag verlauten, Hengelbrock
       habe das so gewollt. Letztere mag man schwer glauben, zumal der bis dato
       verkündet hatte, die Arbeit laufe gut.
       
       Auch das Timing des NDR spricht dagegen. Denn schon vier Tage später, am
       Freitag, präsentierte man den Neuen: Alan Gilbert, von 2010 bis Juni 2017
       Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra und seit 2004 Erster
       Gastdirigent der NDR-Sinfoniker, wird Hengelbrock beerben – der jetzt noch
       zwei Jahre im Schatten des Nachfolgers arbeiten muss. Gilbert sei, sagt
       NDR-Programmdirektor Joachim Knuth, ein „genialer Musiker und akribischer
       Chefdirigent“, der sich „bei allergrößter Konkurrenz mit seinen
       künstlerischen und programmatischen Impulsen und Ideen durchsetzen kann“.
       
       Das stimmt nicht ganz: Wohl haben Medien wie das Magazin The New Yorker
       Gilberts Dirigat frenetisch gelobt und geschrieben, das Orchester spiele
       unter seiner Ägide „besser als je zuvor“. Trotzdem sind die acht Jahre beim
       New York Philharmonic Orchestra so ungemütlich gewesen, dass Gilbert 2017
       auf eigenen Wunsch geht, des Kämpfens müde.
       
       Denn gerade sein Faible auch für Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, das
       die NDR-Granden und der Elbphilharmonie-Intendant jetzt preisen, war in New
       York immer weniger honoriert worden. „Jetzt, wo Herr Gilbert geht, wird in
       Interviews deutlich, dass die Dinge nicht so liefen wie geplant“, schreibt
       die New York Times. „Konflikte, von denen man hoffte, dass er sie lösen
       würde, bleiben – der zwischen Neu und Alt, zwischen Konvention und
       Innovation.“ Zuletzt zweifelte Gilbert, ob seine Neue-Musik-Happenings
       überhaupt gewollt seien. Sie waren immer stärker zurückgefahren worden –
       dem Chefdirigenten zufolge „aus finanziellem Druck und, ich würde sagen,
       philosophischen Differenzen“.
       
       Ob Gilbert die auch in Hamburg bekommt, wird sich zeigen. Scheu vor Neuer
       Musik haben die Hamburger durchaus: Schon bei den harmlosen
       „Gurre-Liedern“, einem Frühwerk von Schönberg, das wie Mahler klingt, blieb
       kürzlich so mancher Platz leer. Und das in der Elbphilharmonie.
       
       27 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
       ## TAGS
       
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