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       # taz.de -- Petition der Woche: Perfekt inszenierte Vielfalt
       
       > Netflix setzt die Serie „Sense8“ nach zwei Staffeln ab, ohne sie
       > ordentlich zu beenden. Die Fans organisieren dagegen international
       > Protest.
       
   IMG Bild: Dreharbeiten zu Sense8 in Berlin-Wilmersdorf (Archivfoto)
       
       Viel haben sie nicht gemeinsam: ein deutscher Safeknacker, ein schwuler
       Schauspieler aus Mexiko und eine koreanische Kampfkünstlerin. Was aber
       passiert, wenn diese unterschiedlichen Charaktere durch eine Art mentale
       Verbindung plötzlich in die Leben der anderen eintauchen können? Wenn diese
       Menschen, die sich wohl nie auf der Straße treffen würden, über Länder- und
       Ideologiegrenzen hinweg fühlen, was die anderen erleben? Mit diesen Fragen
       befasst sich seit 2015 die von der Kritik hochgelobte Netflix-Serie
       „Sense8“, die jetzt nach zwei Staffeln eingestellt wird.
       
       Hinter „Sense8“ stehen die Wachowski-Geschwister, die Schöpfer der
       „Matrix“-Trilogie. Acht Personen, darunter auch ein Minibusfahrer aus
       Nairobi, eine Techno-DJ aus Island und eine Pharmaziestudentin aus Mumbai
       bekommen unvermittelt Visionen, in denen sie sehen und hören, was die
       anderen Protagonisten erleben.
       
       Je stärker die Verbindung zwischen den sogenannten Sensates wird, desto
       mehr beginnen sie, sich füreinander ein- und sich über die Grenzen zwischen
       ihnen hinwegzusetzen. Die philosophisch-metaphysische Frage dahinter: Was
       hat die Menschheit gemeinsam?
       
       „Sense8“ ist einerseits die perfekt inszenierte Vielfalt. Schwule, Lesben,
       People of Color, alle sind vertreten. Gedreht wurde auf allen Kontinenten,
       in Berlin, Nairobi, San Francisco, Mumbai. Auch die Besetzung passt zum
       Konzept. So wird die transsexuelle Aktivistin Nomi von der Transfrau Jamie
       Clayton gespielt.
       
       Die Serie ist nicht nur wie am Reißbrett dafür konzipiert, Vielfalt zu
       repräsentieren, sondern soll auch ein globales Publikum ansprechen und in
       Lateinamerika ebenso Zuschauer finden wie in Europa oder Afrika.
       Tatsächlich hat die Serie eine weltweite Fangemeinde, besonders beliebt ist
       sie in der LGBT-Community, auch weil die queeren Charaktere keine
       Effekthascherei sind, sondern sich selbstverständlich in das Format
       einfügen.
       
       ## Es ist vorbei
       
       Dennoch wird die Serie eingestellt. Anfang Juni gab Netflix bekannt,
       „Sense8“ werde nicht fortgesetzt, obwohl die zweite Staffel mit einem
       Cliffhanger endet. Es sei eine mutige, wahrhaft globale Serie mit
       entsprechend internationaler und vielfältiger Besetzung gewesen, nun sei es
       aber vorbei.
       
       Einfach so, ohne Begründung. Die Fans waren empört. Eine Argentinierin aus
       der Kleinstadt Rafaela startete [1][die Petition „Sense8 Season 3
       Renewal“], über 500.000 Menschen haben bisher unterschrieben.
       
       Eine halbe Million Menschen, die sich für eine Fortsetzung starkmachen, das
       zeigt auch: Der Plan ist aufgegangen. Die global konzipierte Serie hat ihre
       globale Fangemeinde gefunden. Netflix reicht das aber nicht.
       
       Von den rund 100 Millionen Netflix-Abonnenten haben dann eben doch nur 0,5
       Prozent die Petition unterschrieben. Zuschauerzahlen veröffentlicht Netflix
       nicht, daher lässt sich nur spekulieren, wie viele Menschen die Serie
       gesehen haben und ob das für Netflix als Erfolg zählt.
       
       ## Akzeptanz, Liebe und Verständnis
       
       Aber die Fans der Serie lassen sich davon nicht beeindrucken und setzen
       sich gemeinsam für eine Fortsetzung ein – oder zumindest für eine
       Erklärung, warum es keine dritte Staffel geben soll. Denn, so die
       Initiatoren der Petition in ihrem Statement: „ ‚Sense8‘ ist nicht einfach
       nur eine Serie, die man zum Spaß guckt. ‚Sense8‘ ist eine Serie, die der
       Welt einen neuen Blick auf andere geben kann, nämlich mit Akzeptanz, Liebe
       und Verständnis.“
       
       Netflix reagierte Mitte Juni mit einem kurzen Statement bei Facebook. Man
       habe die Petition gesehen und lange und hart darüber nachgedacht, wie man
       eine Verlängerung möglich machen könne. „Doch leider geht es nicht.“ Man
       wolle die Geschichte nicht unvollendet lassen, aber es ist schlicht zu
       teuer. „Wir haben viel gelernt daraus und wollen Ähnliches künftig
       vermeiden“, so Netflix.
       
       Die Petition ist also gescheitert. Den Fans aber zeigt sie auch etwas
       Gutes. Genau wie die Protagonisten der Serie sind sie weltweit verstreut,
       aber trotzdem nicht allein. Wie in der Serie verbinden sich ihre
       Fähigkeiten, in kurzer Zeit wurde der Petitionstext in 16 Sprachen
       übersetzt. Wenigstens beim Binge-Watching funktioniert das mit der
       internationalen Solidarität.
       
       24 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.change.org/p/netflixlat-netflix-sense8-sense-8-season-3-renewal
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
       ## TAGS
       
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