URI: 
       # taz.de -- Kolumne Eier: Knetmasse für Ken!
       
       > Männer haben Angst vor dem Penis-Talk. Warum wir das ändern und den
       > nachfolgenden Generationen ihre Genitalien zurückgeben müssen.
       
   IMG Bild: Sechs der 15 neuen Looks von Ken. Unten sind alle gleich
       
       Penis! Pardon, dass Sie sich jetzt an Ihren Frühstücksflocken verschluckt
       haben. Greifen Sie Ihre Perlenkette ruhig noch etwas fester, wir sprechen
       heute über den Penis. Und ich werde keine niedlichen Synonyme benutzen. Nur
       Penis. Penis. Penis. Penis. In dieser Woche sind neue [1][Ken]-Puppen
       rausgekommen. Sie haben nach wie vor keinen Penis. Mein Kollege M. findet
       das fortschrittlich, weil es queer sei. Ich finde es eine Schweinerei. Es
       ist ja nicht so, dass Ken eine Vulva hätte – er hat einfach nichts. Und
       keine Genitalien haben ist nicht queer.
       
       Mit seinen Genitalien ein freundschaftliches Verhältnis haben ist queer.
       Wenn man bei Kinderspielzeug einfach Körperteile weglässt, macht das diese
       Körperteile zum bedrohlichen Terrain. Und davon erholt man sich nur schwer.
       Wenn ich vor dem Haus dieser Zeitung sitze, an dem ein mehrere Stockwerke
       hoher Penis angebracht ist (die Geschichte dazu kennen Sie bestimmt),
       passiert immer wieder Folgendes:
       
       Eine Gruppe Männer kommt vorbei, bleibt stehen, guckt den Penis an, guckt
       sich untereinander an, und lacht dann so eine gequälte Lache, keine
       Ich-amüsier-mich-Lache, sondern eine
       Ich-wäre-gerade-lieber-nicht-hier-Lache. Denn kein Mann kann einen
       überlebensgroßen Penis anschauen, ohne sich instinktiv zu wappnen dafür,
       dass gleich Penistalk kommen könnte.
       
       ## Zu klein, zu dünn
       
       Bei Penistalk kann man nur verlieren. Männer haben mehr Angst davor, dass
       ihr Penis zu klein, zu dünn, zu falsch sein könnte, als bei jedem anderen
       Körperteil. Außer natürlich sie haben Angst davor, dass ein anderes
       Körperteil zu klein, zu dünn, zu falsch sein könnte, weil Menschen dann
       darauf schließen könnten, dass ihr Penis zu klein, zu dünn oder zu falsch
       ist. Woher ich das weiß? Ich habe keinen besonders großen Penis.
       
       Obwohl man fast nie welche zu sehen kriegt, sind Penisse irgendwie heilig.
       Irgendwann hat die Menschheit beschlossen, dass sie den Penis lieber nicht
       zeigen oder beim Namen nennen will, ihn dafür aber über Andeutungen,
       Metaphern und Bananen ständig im Gespräch halten muss. Ich könnte mal ein
       paar KulturanthropologInnen fragen, wie das eigentlich kam. Aber
       KulturanthropologInnen kommen mir meistens nicht schnell genug auf den
       Punkt.
       
       Jedenfalls geht es uns immer noch so, dass wir den Penis nicht als ein
       Organ sehen, das manche Menschen eben haben, sondern als mystisches
       Artefakt. Auch noch im dritten Jahrtausend nach Maria Magdalena reden wir
       über die Größe der Hände des Typen, der gerade Amerika regiert, weil uns
       das vielleicht Auskunft über die Größe seines Penis gibt, weil die uns
       wiederum vielleicht Auskunft über seine Führungsqualitäten gibt (psst …
       erstens: Tut sie nicht; zweitens: Hat er keine – wussten wir). Wir werden
       nervös wegen eines Hauswandpenis und twittern unschuldiges Obst und Gemüse
       als Ersatz für ein Körperteil, das wir viel zu wichtig nehmen.
       
       Wir müssen den nachfolgenden Generationen ihre Genitalien zurückgeben.
       Irgendwo auf der Welt bastelt gerade ein kleines Kind seiner Ken-Puppe aus
       Knetmasse Penis und Hodensack, weil ihm da was fehlt. Dieses Kind ist
       unsere Zukunft.
       
       25 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Barbie
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
       ## TAGS
       
   DIR Penis
   DIR Barbie
   DIR Männer
   DIR Eier
   DIR Liebeserklärung
   DIR Eier
   DIR Eier
   DIR Eier
   DIR Männer
   DIR Eier
   DIR Manchester
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kinderspielzeug und Gender: Puppe ist schnuppe
       
       Der Spielzeughersteller Mattel bringt geschlechtsneutrale Puppen heraus.
       Den segregierten Kinderabteilungen wird das guttun.
       
   DIR Kolumne Eier: Sorry für's Grapschen, Zimtschnecke
       
       Entschuldigt wurde sich viel in letzter Zeit, vor allem von Männern. Aber
       nicht jede Entschuldigung ist eine gute. Fünf Tipps, wie's doch klappt.
       
   DIR Kolumne Eier: Punkt für dich, Patriarchat
       
       Knapp doppelt so viele Männer wie Frauen gaben am 24. September ihre Stimme
       der AfD. Was ist da los? Drei Thesen zur Wahl.
       
   DIR Kolumne Eier: Prinzessin sein
       
       Ich mag Männer, die zurückhaltend sind und bin selbst zu schüchtern, sie
       anzusprechen. Ist daran der Feminismus schuld?
       
   DIR Kolumne Eier: Bei den ganz Harten mitspielen
       
       Sind die Ellenbogen weg vom Körper? Männlichkeit ist so fragil, dass sie
       mit größter Mühe performt werden muss. Heute: beim Herrenfriseur.
       
   DIR Kolumne Eier: Männliche Lebensmittelveredelung
       
       Echte Männer wissen: Grillen ist mehr als nur eine Form der
       Nahrungszubereitung. Am kokeligen Fleisch klebt der Geschmack von Freiheit.
       
   DIR Kolumne Geht’s noch?: Dagegensein leicht gemacht
       
       Sänger Morrissey driftet nach dem Anschlag von Manchester ins
       Rechtspopulistische. Tipp: Nicht jede Anti-Haltung ist automatisch cool.