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       # taz.de -- Junge Geflüchtete kommen zurück: Auf der Flucht von Nord nach Süd
       
       > 2014 und 2015 flohen noch mehr als 35.000 jugendliche Flüchtlinge nach
       > Schweden. Nun kommen viele zurück – zum Beispiel nach Flensburg.
       
   IMG Bild: Noch auf dem Weg nach Norden: Junge Geflüchtete steigen in einen Zug.
       
       Bremen taz | 2015 galt Schweden noch als Paradies für Geflüchtete: Jeder
       dritte unbegleitete Minderjährige, der damals nach Europa kam, reiste
       dorthin – viele der Jugendlichen über Flensburg. Doch seit Ende vergangenen
       Jahres schlagen einige den umgekehrten Weg ein. Seit November 2016 hätten
       sich „die monatlichen Zahlen in Flensburg unerwartet verdoppelt“, berichtet
       jetzt der NDR. Diese Zahl bestätigen allerdings weder die Bundespolizei
       noch die Stadt Flensburg gegenüber der taz.
       
       „Im Jahr 2016 sind 257 unbegleitete Minderjährige nach Flensburg gekommen
       und 2017 bisher 146“, sagt Clemens Teschendorf, Pressesprecher der Stadt
       Flensburg. Das seien, hochgerechnet auf das ganze Jahr, zwar mehr als im
       Vorjahr, „aber endgültig wissen wir das erst, wenn das Jahr vorüber ist“.
       Der größte Teil der Jugendlichen käme nicht aus Skandinavien, „aber in der
       Tat beobachten wir zum ersten Mal verstärkt eine Zuwanderung von Nord nach
       Süd“.
       
       Das hat Gründe: Die schwedische Regierung hat im vergangenen Herbst ihre
       einst so liberale Asylpolitik erneut verschärft. Seit 2015 hat sie
       Alterstests und Grenzkontrollen eingeführt, das Bleiberecht und den
       Familiennachzug eingeschränkt, im Oktober 2016 erklärte sie Afghanistan zum
       sicheren Herkunftsland und schloss mit der dortigen Regierung ein
       Rückführungsabkommen. Während 2014 und 2015 über 35.000 unbegleitete
       Minderjährige – der Großteil aus Afghanistan – nach Schweden kamen, waren
       es 2016 noch 2.200.
       
       Mit Erreichen des 18. Lebensjahres fallen jugendliche Geflüchtete in
       Schweden aus der Jugendhilfe, oft werden sie dann direkt in weit entfernte
       Übergangslager gebracht, von wo aus sie abgeschoben werden. Von den 12.200
       Afghanen, über deren Asylanträge Schweden im vergangenen Jahr entschieden
       hat, wurde mehr als jeder dritte abgelehnt – auch Anträge von rund 600
       unbegleiteten Minderjährigen.
       
       Deren Abschiebung ist in Schweden allerdings nur möglich, wenn behördlich
       festgestellt wurde, dass sie Angehörige in Afghanistan haben, zu denen sie
       zurückkehren können. Sobald sie volljährig sind, fällt diese Hürde
       allerdings.
       
       Diese Abschiebepraxis hatte in Schweden von Januar bis März 2016 mehrere
       Suizide minderjähriger Geflüchteter aus Afghanistan zur Folge. Mindestens
       sieben Jugendliche haben sich nach Angaben des schwedischen
       Flüchtlingshilfsnetzwerks Vi står inte ut in dieser Zeit getötet. Aus Angst
       davor, abgeschoben zu werden, sobald sie volljährig werden.
       
       Die genaue Zahl der Selbsttötungen ist nicht bekannt, denn die Jugendlichen
       werden in Schweden nicht sofort nach ihrer Ankunft registriert. „Viele
       Jugendliche sehen in Schweden keine Perspektive“, sagt Teschendorf. In
       Flensburg freilich auch nicht: „Viele werden von uns in Obhut genommen und
       dann nach dem Königsteiner Schlüssel umverteilt – viele ziehen aber auch
       nach ein paar Tagen von selbst weiter, wahrscheinlich in größere Städte.“
       
       Hanspeter Schwartz, Sprecher der Bundespolizei Flensburg, berichtet, dass
       die Polizei fast täglich Geflüchtete am Flensburger Bahnhof und an der
       dänischen Landesgrenze aufgreife: „Darunter sind durchaus auch hin und
       wieder Minderjährige, aber auch Erwachsene oder ganze Familien, deren
       Asylanträge in Skandinavien abgelehnt worden sind.“ Er könne allerdings
       nicht bestätigen, dass sich unter diesen Migranten und Migrantinnen
       außergewöhnlich viele alleinstehende Jugendliche befänden.
       
       Das sagt auch Jasmin Azazmah vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
       Allerdings sei die Situation für Minderjährige in Schweden in der Tat
       schlechter als in Deutschland: „Und anders als Erwachsene dürfen
       Minderjährige zumindest zurzeit noch einen zweiten Asylantrag stellen und
       werden nicht in das Land zurücküberstellt, in dem sie bereits Asyl
       beantragt haben.“ Insofern sei es in ihren Augen durchaus sinnvoll, wenn
       Jugendliche ohne Aussicht auf Asyl Schweden verließen und einen erneuten
       Anlauf unternähmen.
       
       23 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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