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       # taz.de -- Kahlschlag in polnischem Urwald: Paradoxer Naturschutz
       
       > Umweltminister Szyszko lässt Teile des Białowieża-Urwalds abholzen.
       > Angeblich, um die Bäume vor Borkenkäfern zu schützen.
       
   IMG Bild: „Der Urwald gehört uns“: Demonstranten am Samstag in Warschau
       
       Wie in Panik zwitschern Vögel vor dem Umweltministerium, mitten in Polens
       Hauptstadt Warschau, dann ist kurz nichts zu hören, schließlich eine
       kreischende Säge und das Fallen eines schweren Baums. Die Geräusche kommen
       aus dem Lautsprecher. Aufgenommen wurden sie im Białowieża-Urwald an der
       polnisch-weißrussischen Grenze. Viele der rund 3.000 Demonstranten vor dem
       Ministerium wischen sich Tränen aus den Augen. Trotzig halten sie
       Transparente mit der abgewandelten Nationalhymne in die Höhe: „Noch ist der
       Białowieża-Urwald nicht verloren!“.
       
       Doch der [1][Kahlschlag im Urwald] geht weiter – angeblich zur „Rettung der
       Bäume vor dem Borkenkäfer“, wie Umweltminister Jan Szyszko von der
       rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) offiziell
       verkündet.
       
       „Schaut mal her! Ich will euch etwas zeigen!“, ruft der
       Greenpeace-Polska-Chef Robert Cyglicki den Demonstranten zu. Er hält eine
       Handvoll Bonbons in die Höhe: „Das hat uns eben der Vizeminister
       überreicht: Bonbons mit freundlichen Grüßen von Umweltminister Jan
       Szyszko!“ Deutlicher konnte der Minister seine Verachtung des „linken
       Lumpenpacks“ auf der Demonstration am Samstag nicht zeigen.
       
       Das Argument der Naturschützer, dass der Mischwald in seiner
       vieltausendjährigen Geschichte schon so manche Borkenkäferplage ganz ohne
       menschliche Hilfe überstanden habe, ficht den Minister nicht an. Er hält
       dagegen, dass nur 10.000 von insgesamt 60.000 Hektar Urwald als
       Nationalpark ausgewiesen seien. Der Rest werde angeblich seit Jahrhunderten
       wirtschaftlich genutzt, sodass der Mensch „natürlich“ diejenigen Bäume
       abholzen dürfe, die er zuvor gesetzt habe.
       
       Doch der Białowieża-Urwald ist keine Fichten- oder Tannenplantage, sondern
       ein Mischwald, in dem Bäume eines natürlichen Todes sterben. In diesem
       Totholz finden zahlreiche Lebewesen Nahrung und Unterschlupf, die dann
       wieder von anderen Tieren gefressen werden. Der natürliche Kreislauf wurde
       bislang kaum von Menschen gestört, auch wenn tatsächlich Teile des Waldes
       schon lange wirtschaftlich genutzt wurden.
       
       Doch nun sind große Abholzmaschinen im Einsatz. Wie viele Millionen Bäume
       nun schon auf diese Weise vor dem Borkenkäfer „gerettet“ wurden, ist nur
       schwer zu schätzen. Szyszko dagegen erstattete nun sogar Strafanzeige, weil
       seiner Ansicht nach der Białowieża-Urwald zu Unrecht in die
       Unesco-Weltnaturerbe-Liste aufgenommen worden sei.
       
       „Bonbons!“, wiederholt die 23-jährige Studentin Kasia und sieht ihren
       Freund Piotr an. „Diese PiS-Nomenklatur verachtet uns so, wie einst die
       Kommunisten unsere Eltern verachtet haben.“ Piotr nickt: „Hoffentlich
       greift jetzt endlich mal die Europäische Union durch. Es kann doch nicht
       sein, dass die PiS-Politiker sich die Taschen voll Geld stopfen und wir
       dann statt eines Urwalds nur noch eine Bretterplantage haben.“
       
       26 Jun 2017
       
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