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       # taz.de -- WhatsApp-Chats der Sachsen-Anhalt--AfD: Widerstand, Machtergreifung, Smilies
       
       > Nach dem Leak interner Debatten der AfD ist der Ärger in der Partei
       > geblieben. Unsere Autorin hat die 300 Seiten Chat-Protokoll gelesen.
       
   IMG Bild: Hätte Andre Poggenburg mal lieber telefoniert statt seine rechten Ansichten im Chat zu teilen
       
       Berlin taz | In der AfD herrscht Alarmstimmung. Drei Monate vor der
       Bundestagswahl gehen die [1][Umfragewerte in den Keller]. Am Mittwoch nun
       haben die beiden Spitzenkandidaten eine Videobotschaft ins Netz stellen
       lassen. Eindringlich appellieren Alexander Gauland und [2][Alice Weidel] an
       die eigenen Basis, „unser gemeinsames Ziel nicht aus den Augen zu
       verlieren“. Und: „Dumpfe Parolen passen nicht in unser Programm.“ Das
       dürfte sich besonders an die [3][Parteifreunde in Sachsen-Anhalt] richten.
       
       Nachdem ein WhatsApp-Chat aus deren Reihen geleakt wurde, prüft der
       Verfassungsschutz, ob die rechtspopulistische Partei beobachtet werden
       soll. Unter anderem, weil Landes- und Fraktionschef André Poggenburg sich
       im Chat mit dem NPD-Slogan „Deutschland den Deutschen“ verabschiedet und
       eine Fortbildung über die „Erweiterung der Außengrenzen“ anregt.
       
       Zuvor hatte der AfD-Bundesvorstand Poggenburg bereits eine Rüge erteilt.
       Doch in dem geleakten Chat steckt weit mehr als die bislang öffentlich
       diskutierten Nazi-Parolen. Wer die Tausenden Nachrichten liest, dem
       eröffnet sich ein Blick in die Gedankenwelt der AfD-Mitglieder, die es in
       sich hat.
       
       Eingerichtet wurde die WhatsApp-Gruppe im Mai 2016, der geleakte Chat
       beginnt Anfang Februar dieses Jahres und reicht bis Ende Mai. Er umfasst
       1.126.102 Zeichen, ausgedruckt sind es mehr als 300 eng bedruckte Seiten.
       Darunter: Unmengen von Smilies und Daumen, die hoch- oder runtergehen.
       Beteiligt sollen 90 AfD-Mitglieder sein, so hat es einer von ihnen
       getwittert. Poggenburg ist dabei, auch der Chef der Jungen Alternative, Jan
       Wenzel Schmidt, dazu Landtagsabgeordnete und Kreischefs. Ein Richter und
       zwei Bundespolizisten sollen mitmischen, die Bundespolizeidirektion prüft
       nun straf- und dienstrechtliche Maßnahmen.
       
       ## Verrat, Umsturzpläne, Putsch
       
       Der Chat beginnt mit Streit („Du machst mir so bösartige Vorwürfe“ oder
       „Willst du mich … als Lügner hinstellen? Dann zeig mich an – dieser
       boomerang kommt zurück“*). Über die Monate spitzt sich die Lage zu, bis von
       Verrat, Umsturzplänen und Putsch die Rede ist. Die AfD in Sachsen-Anhalt
       hat nicht nur das bundesweit beste Wahlergebnis geholt, sie ist auch
       besonders jung, besonders rechts, besonders offensiv – und besonders
       zerstritten.
       
       Seit Monaten tobt ein Machtkampf, bei dem es um Gruppendynamik und den
       autoritären Führungsstil von Landes- und Fraktionschef Poggenburg geht.
       Zuletzt haben 3 der zuvor 25 Mitglieder die Fraktion verlassen. Der Chat
       zeigt, wie aufgeheizt die Stimmung unter den AfDlern ist, wie sie sich
       Endzeitstimmung, Gewaltfantasien und Träumen von einer Machtübernahme („Die
       Zeit in der das deutsche Volk sich erhebt wird kommen. Es ist unsere
       Zeit!!!“) hingeben. Und was sie wirklich von der rechtsextremen Identitären
       Bewegung (IB) halten, von der sie sich offiziell abgrenzen. Besonders
       erschreckend aber sind die konkreten Handlungen, die sie gern in die Tat
       umsetzten würden.
       
       *Rechtschreibung und Zeichensetzung wie im Original 
       
       ## Angriff auf den Staat
       
       Am 18. 2. schreibt einer: „Ohne die Medien zu kriegen, keine Macht. Das ist
       einfach so. Das wusste schon der kleine Doktor und selbst die
       68er-Arschlöcher haben das erkannt und geschafft. Wir müssen die Medien
       unterwandern, sonst wird es ganz schwer.“ Und schickt sofort hinterher:
       „Mit der Machtübernahme muss ein Gremium alle Journalisten und Redakteure
       überprüfen und sieben. Chefs sofort entlassen, volksfeindliche Medien
       verbieten.“ Einwände? Keine. Nur einer schreibt: „Viel Platz für
       Interpretation!! Das hier ist fast öffentlich, also vorsichtiger agieren!“
       
       +++
       
       Nach der Landtagswahl in NRW erregen zahlreiche Fehler, die bei der
       Stimmenauszählung zuungunsten der AfD gemacht wurden, die Gemüter. Ein
       Kommentar lautet: „Da hilft nur ein klares Ziel. Politik machen, Ämter
       besetzen, Strukturen zerschlagen“. Auch hier: kein Widerspruch.
       
       ## Gewaltfantasien
       
       In einem Chat sprechen die AfDler über einen Zeitungsartikel, nach dem
       „Südländer“ nach einer Hochzeitsfeier spontan auf einer Autobahn feierten.
       „Haben bestimmt wieder gefeiert das ein alter Mann eine Minderjährige
       geheiratet hat“, schreibt einer. Ein anderer: „Das bereichert unsere
       Kultur! Schade, dass ich immer zur falschen Zeit mit 280 die A2 langfahre!“
       – „Unglaublich dieser erneute Fall von Kulturbereicherung“, kommentiert
       Poggenburg. Dass einer seiner Mitstreiter davon träumt, mit 280 Sachen
       Menschen auf der Autobahn zu überfahren, dazu schweigt der Landeschef.
       
       +++
       
       Im Mai träumt einer von Gewalt gegen Journalisten, konkret geht es gegen
       Christoph Richter, den Landeskorrespondenten des Deutschlandfunks:
       „Irgendwann sollte man Herrn Richter vom Deutschlandfunk den Schlips mal
       etwas enger ziehen. Ach stimmt ja, ist ein Alt68er, die tragen ja die
       Hemden offen, damit die Holzwolle auf der Brust rauswachsen kann.“
       
       +++
       
       Flüchtlinge würden die AfDler am liebsten alle abschieben oder inhaftieren.
       „Wir haben kaum so viele Haftanstalten, wie wir bräuchten“, schreibt einer
       März. „Ich würde meinen Keller zur Verfügung stellen“, antwortet ein
       anderer. „Ein feuchter Keller?“, so die prompte Nachfrage. Antwort: „Wenn
       die ordentlich vergittert sind reicht das doch für den Anfang. Bis jetzt
       nicht feucht. Ließe sich aber arrangieren.“
       
       ## Bewaffnung
       
       In einer Nacht im März entspinnt sich zwischen zwei AfDlern, einer davon
       ein Beamter der Bundespolizei, folgender Dialog: „Aber eines steht für mich
       fest!!! Ich renne nicht weg, sondern rüste mich mit hoffentlich noch vielen
       anderen. Bis zum letzten zug!“ „Ich bin dabei, das kannste wohl mal
       glauben. Ich habe 4 Kinder, die überlasse ich nicht dem Muselmanenglaube
       (der keiner ist)“ – „Ich stehe neben dir!!!“ –„Ich brauch aber noch
       Rückendeckung ich gehe auf 12:00 Uhr, du müsstest dann auf 06:00 Uhr gehen.
       Quasi Rücken an Rücken. Wie bei Amok. „Body Prinzip! ja“
       
       „Ich bin auch ein guter Schütze, also hohe Trefferquote. Ich beabsichtige
       privat noch einen Waffenschein zu machen. Heut zu Tage rechne ich mit allem
       …“ – „Ich geb dir Unterricht.“ – „Worin möchtest du mich unterrichten?“ –
       „Zusammenhalt! Mit Waffen und ohne!“
       
       ## Die Rechtsextremen
       
       Viel Verständnis für den Beschluss der AfD-Spitze, mit der IB, die vom
       Verfassungsschutz beobachtet werden, keine gemeinsame Sache zu machen, gibt
       es in dem Chat nicht.
       
       An einem Abend im Mai schreibt einer: „IB ist nicht rechtsextrem. IB kämpft
       auch für unsere Sache. Heimat und Kinder und Enkelkinder schützen.“ –
       „Jap“, antwortet ein anderer. „Wir koennen uns natuerlich von allen
       patriotischen Bewegungen klar distanzieren Pegida, IB, Dritter Weg und und
       und. Dass diese Leute zu 90 Prozent die AfD waehlen, viel Zuarbeit leisten
       und den Grundgedanken, den wir alle in uns tragen, seit Jahren auf die
       Strasse bringen und zu den Buergern, da denkt anscheinend niemand dran.“ –
       „Ich halte zur IB, PP, Pegida und wie sie nicht alle heißen. Auch
       Bürgerbewegungen. Sie sind alle für die gleiche Sache“, so ein Dritter.
       
       „Nicht zu vergessen, dass einige Kreisverbände die Hilfe der IB bei den
       Landtagswahlen nutzten“, ein Fünfter. Dann greift Poggenburg beruhigend
       ein: „Leute macht ruhig… wir distanzieren uns weder von IB noch von Pegida,
       aber wir lassen uns von außen auch durch nichts und niemanden lenken oder
       vereinnahmen.“
       
       28 Jun 2017
       
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