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       # taz.de -- Eddi Stapel über die Ehe für alle: „Es gibt viel wichtigere Themen“
       
       > Der Vorkämpfer für Lesben- und Schwulenrechte lässt am Freitag keine
       > Sektkorken knallen. Eddi Stapel sagt, die Ehe für alle sei seit vielen
       > Jahren längst überfällig.
       
   IMG Bild: Ein langer Kampf
       
       taz: Herr Stapel, wie geht es Ihnen an dem Tag, an dem klar ist, dass die
       Ehe für alle zur Abstimmung im Bundestag steht – sagen wir,
       gesamtgesellschaftlich betrachtet, wenn ich das so formulieren darf. 
       
       Eddi Stapel: (lacht) Einerseits ganz gut, weil das jetzt der letzte Schritt
       ist, und andererseits – ja, wie soll ich das sagen? Das Verhalten von CDU
       und SPD war schon lange lächerlich. Und auch die Argumente, die da ständig
       und aktuell wieder dagegen gebracht werden, das ist albern. Eigentlich ist
       der Zeitpunkt, wo das hätte passieren müssen, längst überschritten. Man
       soll sich aber am Ende freuen, dass Mutti da nun ihre Dummheiten
       beiseitelässt, obwohl das nun wieder wahltaktisch motiviert war.
       
       Was halten Sie von diesem Schachzug der Kanzlerin, die da ja ganz clever
       agierte? 
       
       Jetzt liegt es an uns, den Leuten zu erklären, woher bzw. von wem die Ehe
       für alle wirklich kommt, nämlich an Bündnis 90 und den Linken.
       
       Sie sind seit Jahrzehnten ein großer Kämpfer für die Rechte von
       Homosexuellen, gelten als Vorreiter und Pionier der Sache: Machen Sie am
       Freitag eine Flasche Sekt auf und sitzen vor dem Fernseher?
       
       Nein, was soll man da vor dem Fernseher sitzen? Also, wenn es passt, ja –
       aber Fußballgucken ist wichtiger. (lacht) Denn die Sache ist ja nun klar.
       Rot-Rot-Grün stimmt dafür, und dann reicht es. Und bei der CDU müsste es ja
       nun wenigstens auch ein paar geben wie Herrn Spahn, ein paar andere
       Vernünftige sind nun inzwischen auch dabei, aber bei denen wusste man ja
       die ganzen Jahre lang nicht, was sie wollten oder nicht wollten.
       
       War das das Fallen einer der letzten konservativen Bastionen für das
       bundesdeutsche Gemeinwesen? 
       
       Was die rechtlichen Dinge anbelangt, vor allem für die davon Betroffenen,
       ist das natürlich sehr wichtig. Und die Allgemeinbevölkerung? Die reibt
       sich ja seit Jahren verwundert die Augen. Die geht seit Jahren davon aus,
       dass die Heirat längst da ist – die Allgemeinheit redet ja immer von
       Homo-Ehe. Und dass das jetzt doch so viele Jahre bis zum letzten Schritt,
       bis zu vollständigen Gleichstellung, gedauert hat, das haben die meisten
       doch gar nicht mitbekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat ja mehrere
       Male in den letzten 16 Jahren der CDU Bescheid gestoßen, das sie noch
       dieses oder jenes umsetzen muss, von Steuerbelangen bis Rentenansprüchen …
       Dass sich das so lange hinzog, ist im Grunde genommen lächerlich, weil wir
       so ein kleines Randthema sind. Es gibt viel wichtigere Themen.
       
       Zum Beispiel?
       
       Armut. Die Flüchtlingsfrage. Infrastruktur. Das halte ich alles für
       wichtiger. Deshalb hab ich auch nie verstanden, dass man sich mit so einem
       Randthema so lange aufhält. Aber offenbar gibt es da bei der CDU oder im
       sogenannten konservativen Milieu wirklich Menschen, die an den Mist
       glauben, den sie bei diesem Thema da immer vor sich hin reden.
       
       Gibt es denn jetzt noch etwas zu tun in Sachen Gleichberechtigung und
       Gleichstellung? 
       
       Jede Menge! Jetzt sind wir also im Rechtsbereich: Jetzt sind wir
       gleichberechtigt. Nun geht die Gleichstellung los. Und das heißt vor allem
       Bildung, damit alle Leute wissen, worum es bei Lesben und Schwulen geht,
       und nicht weiter irgendwelches Zeugs schwatzen. Den Landes- oder
       Bundesprogrammen gegen Homophobie – oder wie ich lieber sage: gegen
       Antihomosexualität – fehlt es überall an Mitteln. Da fehlt es an
       Unterstützung der Gruppen, die so etwas anbieten. All das müsste jetzt mit
       viel Kraft vorangetrieben werden, damit es weniger Gewalt gegen Schwule und
       Lesben gibt. Und damit die Leute nun endlich mal, von Schul- oder auch
       schon von Kindergartenzeiten an, lernen, dass sie auch in ihrem Leben mit
       Lesben und Schwulen zu rechnen haben und dass das völlig normal ist – und
       warum das völlig normal ist.
       
       Damit das Schimpfwort von der „schwulen Sau“ endlich der Vergangenheit
       angehört. 
       
       Das geht ja noch, die Schimpfworte, viel schwerwiegender ist die Gewalt.
       Tätliche Angriffe gibt es ja mehr als genug. Immer noch. Und sogar wieder
       verstärkt, wenn ich mir die Zahlen richtig angesehen habe.
       
       Zumal Ressentiments von rechten Parteien wieder mehr und mehr geschürt
       werden. 
       
       Und die CDU ist fröhlich mit dabei – zwei Tage vor der Abstimmung!
       
       Haben Sie selbst einmal daran gedacht, zu heiraten? 
       
       Ich bin verpartnert.
       
       Die CSD-Saison in Deutschland beginnt derzeit so richtig. Jetzt könnten man
       die Ehe für alle, den Sieg, feiern, oder? 
       
       Ja! Wenigstens bis zum Herbst. Dann stehen die anderen Dinge an, die
       Bildungsoffensive. Und ich hab noch was vergessen. Artikel 3 des
       Grundgesetzes, der die Gleichheit vor dem Gesetzt regelt. Der verbietet die
       Diskriminierung aufgrund bestimmter Eigenschaften – die sexuelle
       Orientierung fehlt da. Die muss da noch rein. Aber eigentlich auch nicht.
       Ich brauche so einen Satz nicht im Grundgesetz. Aber manche brauchen
       offenbar so einen Satz, um die deutsche Leitkultur leben zu können. Die
       brauchen scheint’s so einen Satz, damit sie wissen, was sich gehört und was
       nicht. Wenn sie das so schreiben würden mit der Leitkultur, das wäre
       hervorragend.
       
       Das ist ein bisschen wie mit der Straßenverkehrsordnung und Paragraf 1 von
       wegen „gegenseitige Rücksichtnahme“? 
       
       Eben, genau das ist es. CDUler und andere Rechte müssten also eigentlich
       wissen, wie man sich diskriminierten Minderheiten gegenüber benimmt.
       
       28 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
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