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       # taz.de -- Bundestag zu Verkehrsrowdys: Straftat „Rasen“
       
       > Illegale Autorennen können künftig härter bestraft werden, auch wenn sie
       > nicht zu Unfällen führen. Das gilt auch für „Allein-Raser“.
       
   IMG Bild: Reste der Spurensicherung nach einem illegalen Rennen mit tödlichem Ausgang
       
       Freiburg taz | Autorennen auf öffentlichen Straßen sind künftig kein
       Kavaliersdelikt mehr. Der Bundestag hat daraus an diesem Donnerstag eine
       Straftat gemacht. Kurzfristig wurde auch noch eine Strafvorschrift gegen
       „Allein-Raser“ eingefügt.
       
       Wer an „verbotenen Kraftfahrzeugrennen“ teilnimmt, muss künftig mit
       Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe rechnen. Schon die
       Organisation solcher illegalen Rennen soll strafbar sein. Kommt es beim
       PS-Kräftemessen zur Gefährdung von Unbeteiligten, steigt die Höchststrafe
       auf fünf Jahre. Stirbt sogar jemand oder kommt es zu schweren Verletzungen,
       steigt die Höchststrafe auf zehn Jahre. Dies sieht ein neuer Paragraf 315d
       im Strafgesetzbuch vor.
       
       Außerdem kann in solchen Fällen künftig der Führerschein und das Auto
       eingezogen werden. Letzteres fanden die Abgeordneten besonders
       wirkungsvoll. „Das ist wie beim Waffenrecht: Wer ungeeignet ist, mit einer
       Waffe umzugehen, dem wird die Waffe weggenommen“, betonte Johannes Fechner,
       der rechtspolitische Sprecher der SPD. „Wer sich nicht an die Regeln halten
       will, hat auf unseren Straßen keinen Platz mehr“, erklärte Verkehrsminister
       Alexander Dobrindt (CSU).
       
       Bisher galten private Autorennen als bloße Ordnungswidrigkeit. Sie konnten
       nur mit Geldbußen bis zu 500 Euro und Führerscheinentzug bis zu einem Monat
       geahndet werden. Das hielten alle Fraktionen im Bundestag für ungenügend.
       
       ## Nachweispflicht liegt bei Ermittlern
       
       Die Neuregelung beruht auf einem Entwurf des Bundesrats, der von der
       abgewählten rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen initiiert
       worden war. Am Dienstag hat allerdings der Rechtsausschuss des Bundestags
       noch eine wichtige Ergänzung eingefügt. Nun sollen auch sogenannte
       Allein-Raser bestraft werden. Mit Haft bis zu zwei Jahren oder mit
       Geldstrafe muss nun auch rechnen, wer rücksichtslos rast, „um eine
       höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Dabei gehe es zum Beispiel um
       Fahrer, die ihre Zeit stoppen, um eigene Rekorde zu brechen, wie die
       SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann erläuterte. Auch wer versuche, sich „in
       einen Geschwindigkeitsrausch“ zu versetzen, werde künftig bestraft.
       
       Renate Künast (Grüne) kritisierte die Ergänzung als unzureichend. „Wer
       sagt, er sei gerast, weil er schneller bei Omas Geburtstag sein wollte,
       bleibt straffrei“. Auch der Kölner Rechtsprofessor Michael Kubiciel warnte
       vor der Annahme des Gesetzentwurfs: „Jeder Raser bleibt straflos, wenn er
       irgendeinen Grund dafür nennen kann, mag dieser Grund auch noch so absurd
       sein.“ Letztlich müsse die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass es dem Raser
       um das Erreichen einer höchstmöglichen Geschwindigkeit ging.
       
       Stefan Steineke (CDU) sah dennoch Anwendungsmöglichkeiten für die neue
       Strafvorschrift. „Es gibt Leute, die rasen mit Helmkameras durch die
       Innenstädte und stellen anschließend das Video auf YouTube“, hier gebe es
       wohl keinen Zweifel, dass es nur um das Rasen als Selbstzweck gehe. Am Ende
       stimmte die Große Koalition geschlossen für den Gesetzentwurf. Grüne und
       Linke enthielten sich.
       
       Als Alternative lag nur ein Antrag der Grünen vor. Diese wollten den
       „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ (Paragraf 315c) verschärfen.
       Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit sollte immer strafbar sein, wenn es
       zu konkreten Gefährdungen führt. Bisher galt dies nur an unübersichtlichen
       Stellen und Kreuzungen. „Zu schnelles Fahren ist stets gefährlich, nicht
       nur, wenn es um Höchstgeschwindigkeiten geht“, betonte Künast. „Ein Unfall
       bei 50 Stundenkilometer ist wie der Aufprall nach einem Sturz aus dem
       dritten Stock.“ Außer den Grünen stimmte aber niemand zu.
       
       Selten wurde im Bundestag so abfällig über rasende Autofahrer geredet.
       Minister Dobrindt sprach von „Spinnern“, SPD-Mann Fechner von „Verrückten“
       und der Linke Jörg Wunderlich von „Idioten“.
       
       Die neue Gesetzeslage wird keine direkte Auswirkung auf noch offene
       Gerichtsverfahren haben. Am 6. Juli will der Bundesgerichtshof (BGH)
       entscheiden, ob die Teilnehmer eines Rennens in Köln, bei dem eine
       unbeteiligte Radfahrerin starb, mit Bewährungsstrafen davonkommen. Wohl
       erst im Herbst wird der BGH ein Urteil des Landgerichts Berlin prüfen, das
       zwei Raser wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte. Auch hier war ein
       Unbeteiligter gestorben.
       
       29 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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