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       # taz.de -- Neue EU-Regelung zu Bio-Lebensmitteln: Verkaufsstopp bei Pestizidverdacht
       
       > Wenn ein Biobauer Ackergifte in der Ernte vermutet, muss er künftig die
       > Behörden einschalten. Die Dosis spielt keine Rolle. Das hat die EU
       > vereinbart.
       
   IMG Bild: Bei Pestizidverdacht steht dem Bauern das Wasser bis zum …, ähm, die Ernte bis zu den Knien
       
       Berlin taz | Die EU hat sich nach mehr als 3 Jahren Streit auf neue Regeln
       für die Erzeugung von Biolebensmitteln geeinigt. Die Europäische
       Kommission, das Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten vereinbarten am
       Mittwochabend unter anderem folgende Punkte:
       
       Biounternehmer müssen ab 2020 Vorsichtsmaßnahmen treffen, um zu verhindern,
       dass ihre Ware durch im Ökolandbau verbotene Pestizide oder andere
       Substanzen verschmutzt wird. Wenn Rückstände in nicht definierter Höhe in
       einem Produkt vermutet werden, müssen die Behörden informiert und darf das
       Produkt vorerst nicht als bio verkauft werden. „Falls die Kontaminierung
       vorsätzlich war oder der Bauer die neuen Vorsichtsmaßnahmen unterließ, wird
       es seinen Biostatus verlieren“, [1][teilte das Parlament mit]. Die
       Bioverbände hatten kritisiert, dass so eine Regelung Unternehmern und
       Ämtern unnötig Arbeit bereiten würde.
       
       Anders als von der EU-Kommission gefordert, wird kein eigener
       Pestizidgrenzwert für Bioprodukte eingeführt. Vier Jahre nach Inkrafttreten
       der Regeln soll die Behörde aber einen Bericht über Rückstände in Ökoware
       und eventuell einen neuen Vorschlag für einen Grenzwert vorlegen. Die
       Kommission wollte mit dem Limit das Vertrauen in Bio stärken. Die Branche
       lehnt es aber ab, dass Biobauern dafür haften sollen, wenn von
       konventionellen Nachbarfeldern Pestizide herüberwehen.
       
       Der Druck auf die Biobauern, ökologisch erzeugtes statt konventionelles
       Saatgut zu benutzen, soll steigen. Dafür muss jeder Mitgliedstaat eine
       Datenbank einrichten, die zeigt, welches Biosaatgut verfügbar ist.
       Deutschland hat so eine Datenbank schon. Wenn es nicht genügend Samen gibt,
       können die Behörden weiter konventionelles Material erlauben. Nach 2027
       will die EU entscheiden, wann die Ausnahmen enden. Die Regelung soll den
       Wettbewerb zwischen den verschiedenen Ländern fairer machen, denn bislang
       produzieren manche in größerem Umfang als etwa Deutschland mit dem
       billigeren konventionellen Saatgut.
       
       Ab 2025 sollen für Importe von außerhalb der Europäischen Union
       grundsätzlich die gleichen Regeln gelten wie für im Inland erzeugte Ware.
       Bisher erarbeiten die Kontrollstellen für die einzelnen Länder eigene
       Standards, die von der Kommission genehmigt werden und in Details von der
       EU-Öko-Verordnung abweichen können. Nun soll die Verordnung direkt
       angewendet werden. Die EU-Kommission darf aber Ausnahmegenehmigungen für
       den Einsatz etwa bestimmter Pestizide erteilen, falls das beispielsweise
       das Klima in dem Land erfordern sollte. Betrugsanfällige Kontrollstellen in
       Nicht-EU-Ländern würden aber genauso schlecht überwacht wie bisher, so der
       deutsche Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).
       
       Die Kontrolleure sollen sich stärker auf die Betriebe konzentrieren, bei
       denen das Risiko für Regelverstöße besonders groß ist. Dafür müssen
       Betriebe mit geringem Risiko und ohne Verstöße in den vergangenen drei
       Jahren statt wie normalerweise jedes Jahr nur jedes zweite Jahr vor Ort
       überprüft werden. Das würde den Druck auf Inspektoren erhöhen, nichts zu
       finden, bemängelte Jochen Neuendorff, Chef der Göttinger Kontrollstelle
       GfRS. Hintergrund ist, dass die Betriebe sich die Kontrolleure selbst
       aussuchen und jede Kontrolle bezahlen müssen.
       
       Der Einsatz von 5 Prozent konventionellen Eiweißfutter wie Soja bleibt bei
       Schweinen und Geflügel statt zwei noch fünf Jahre erlaubt.
       
       „Wir haben den Tierschutz nicht wesentlich stärken können“, sagte der
       Verhandlungsführer des Parlaments, Martin Häusling (Grüne). So wird es
       weiter keine Obergrenze für die Tiere pro Betrieb und keine konkreten
       Vorgaben geben, wie gesund ein Biotier sein muss. Schnäbelkürzen wird
       ausnahmsweise weiter zulässig sein, wenn das auch in konventionellen
       Betrieben erlaubt ist. Frankreich hatte dies gefordert, weil dort
       verwendete Geflügelrassen aggressiver seien, und sich die Tiere deshalb
       eher gegenseitig verletzen würden.
       
       Die EU-Institutionen erklärten, die Einigung sorge für faireren Wettbewerb
       und erhöhe das Verbrauchervertrauen. Der BÖLW wollte sich nicht inhaltlich
       zu der Einigung äußern, da der genaue Text bislang nicht vorlag. Er betonte
       jedoch, dass das Projekt immer noch verhindert werden könnte. Denn
       Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten müssen der informellen Einigung
       noch offiziell zustimmen. Normalerweise ist das aber nur eine Formsache.
       
       29 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20170628IPR78527/organic-food-new-rules-for-eu-label-agreed
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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