URI: 
       # taz.de -- Berliner Architektur: Die Stadt von morgen
       
       > Moderner sozialer Wohnungsbau, errichtet von den namhaftesten Architekten
       > ihrer Zeit. Vor 60 Jahren ist das Hansaviertel im Tiergarten entstanden.
       
   IMG Bild: Wohnträume auf 16 Etagen? Die Punkthochhäuser im Hansaviertel
       
       Radikal ist das Stadtmodell Hansaviertel bis heute. Fast 2.500 Menschen
       wohnen hier in bester Innenstadtlage, umgeben von Grün, im
       Architekturdenkmal der Moderne. Vor 60 Jahren ist das Hansaviertel im
       Tiergarten im Rahmen der ersten Internationalen Bauausstellung in Berlin,
       der Interbau 1957, entstanden. Die kühn in die Stadtlandschaft
       choreografierten Hochhäuser, Wohnscheiben und Flachbauten stehen bis heute
       für ein (viel kritisiertes) Unikum in der Geschichte der Westberliner
       Nachkriegsarchitektur.
       
       Nie die große Frage hingegen war, dass man hier ganz gut leben kann. Trotz
       fehlender Infrastrukturen, Sanierungsbedarf und dem unwirtlichen
       Hansaplatz. Aus der Perspektive der Nutzer haben sich die positiven
       Optionen des Hansaviertels in den 60 Jahren sogar verstärkt: Man fühlt sich
       ganz cool, liebt das Flair, etwas Patina und die gute Luft in einer
       innerstädtischen Gartenstadt, die dem Schrecken der „gemordeten Stadt“ –
       Wolf Jobst Siedlers berühmter Titel von 1964 – wohl getrotzt hat.
       
       Maria Helm (Name geändert) empfand einen solchen Schrecken ohnehin nie. Sie
       liebt das Viertel. Es war für sie, wie für viele Städter heute wieder, die
       Alternative zum innerstädtischen Wohnen im Block. „Wir sind 1985 aus der
       nahen Essener Straße hierhergezogen“, erzählt sie. „Die aufregenden
       Architekturen, die Lage im Grünen und die Wohnungen mit dem besonderen
       Schnitt“ hatten es ihr und ihrem Mann angetan und der moderne Charakter der
       Siedlung von Beginn an gefallen.
       
       Seit dem Einzug in die Bartningallee geht jeder ihrer Blicke durch viel
       Glas ins Grüne und in die Nachbarschaft. Die Bequemlichkeiten der offenen
       Grundrisse, die Angebote der nahen Akademie der Künste, die guten
       Verkehrsanbindungen und Einkaufsmöglichkeiten, der Gang durch die
       Parklandschaft hatten das Wohnen für die einstige Kreuzberger Lehrerin zur
       Besonderheit werden lassen. Gedanken an einen Umzug? Niemals.
       
       Die Debatte über den Wert der Nachkriegsmoderne und die Ideale
       innerstädtischen Wohnens, wie sie noch vor 25 Jahren geführt wurde – für
       die Bewohner des Hansaviertels scheinen sie inzwischen nicht mehr relevant.
       60 Jahre nach der Interbau 1957 geht es ihnen um die Erweiterung der
       Perspektiven auf ihr Viertel. Helm, seit zwei Jahren Witwe, ist wie früher
       ihr Mann im Bürgerverein Hansaviertel e. V. für den Erhalt und die
       Gegenwart des denkmalgeschützten Quartiers engagiert.
       
       ## Erweiterter Blick
       
       Der Blick liegt in diesem Jahr nicht nur auf dem Jubiläum und der
       Entstehungszeit der aktuellen Bauten. Zugleich, sagt Helm, „schauen wir
       jetzt auch zurück auf die jüdische Geschichte und die jüdischen Bewohner
       des Hansaviertels, die vor dem Krieg hier lebten und vertrieben wurden“.
       
       Denn auch wenn das Areal in den 1950ern dem Boden gleichgemacht wurde und
       nur ein paar der gründerzeitlichen Bürgerhäuser am Rande stehen blieben:
       Die vielen Stolpersteine und Erinnerungstafeln an die 1.000 jüdischen
       Bewohner des Hansaviertels vor seiner Kriegszerstörung zeugen von der
       Geschichte vor der Geschichte des neuen Hansaviertels.
       
       60 Jahre nach der Bauausstellung Interbau: Was taugen die Ideen von damals
       für den Städtebau von morgen? Lesen Sie mehr zur Geschichte und Gegenwart
       des Hansaviertels im Berlinteil der taz.am Wochenende. Im Print- oder
       Digi-Abo oder an Ihrem Kiosk.
       
       1 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rolf Lautenschläger
       
       ## TAGS
       
   DIR Kunst
   DIR Sozialer Wohnungsbau
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Bremen
   DIR Mieten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neuer Kunstraum in Moabit: Eine Grotte im Hansaviertel
       
       Kunst für alle will Kuratorin Leonie Herweg bei Grotto zeigen. Aktuell
       stellt die Vietnamesin Tra My Nguyen in dem Kunstraum am Hansaplatz aus.
       
   DIR Forderungen für sozialen Wohnungsbau: Tropfen auf den heißen Stein
       
       Das Bündnis Wohnungsbau fordert 400.000 neue Wohnungen, davon jedoch nur
       80.000 Sozialwohnungen. Man wolle realistisch bleiben.
       
   DIR Debatte Wahlkampf und Wohnungsnot: Wer sich bewegt, verliert
       
       Die Wohnungsnot ist eines der drängendsten Probleme des Landes. Die
       Parteien tun zu wenig. Erfahrungen einer leidgeprüften Berlinerin.
       
   DIR Städtebau vor 60 Jahren: „Sehr urban war das nicht“
       
       Bremens Stadtteil Neue Vahr feiert sein 60-Jähriges. Architekturhistoriker
       Eberhard Syring über Baukultur, die Überseestadt und das Comeback der
       Hochhäuser
       
   DIR Neuer Bericht zu Wohnungsnot: Die volle Härte des Marktes
       
       Bauministerin Hendricks stellt Zahlen zur Wohnsituation vor. Der Bedarf ist
       groß, die Mieten steigen. Ein höheres Wohngeld könnte helfen.