URI: 
       # taz.de -- Schlingensiefs Operndorf: Operation geglückt
       
       > Die Galerie Eigen + Art Lab zeigt in der Schau „Laafi Bala“ den Status
       > quo des von Christoph Schlingensief initiierten Operndorfs in Burkina
       > Faso.
       
   IMG Bild: Geschichten erzählen im Operndorf-Ambiente
       
       Als der visionäre Theatermacher Christoph Schlingensief im Sommer 2010
       seiner Krebserkrankung erliegt, sind in seinem Operndorf im
       westafrikanischen Burkina Faso gerade einmal die Grundsteine gelegt. Die
       Leitung des Projekts, das durch Spenden und öffentliche Mittel finanziert
       wird, übernimmt Aino Laberenz, Schlingensiefs Witwe. Ein Jahr später öffnet
       das Dorf seine Tore für die ersten Schülerinnen und Schüler.
       
       Auf 20 Hektar Land etwa 30 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt
       Ouagadougou, das die Regierung von Burkina Faso gestellt hat, ist in das
       Dorf mittlerweile Leben und eine gut funktionierende Infrastruktur
       eingekehrt. Mit einer Grundschule, einem Krankenhaus und Wohngebäuden für
       Mitarbeiter, Künstler und Lehrer wurde ein Großteil der Vorstellungen
       Schlingensiefs durch den mehrfach preisgekrönten Architekten Diébédo
       Francis Kéré und unzählige Helfer bereits realisiert. Nur das Festspielhaus
       als Kern des Dorfs fehlt noch.
       
       Im Eigen + Art Lab in Mitte startet nun eine multimediale Ausstellung zum
       Operndorf. „Laafi Bala“ (eine gängige burkinische Begrüßungsformel, zu
       Deutsch: Gesundheit) heißt die Schau, bei der Pressevorstellung spricht
       Projektleitern Aino Laberenz über die kontinuierliche Entwicklung des
       Projekts seit Schlingensiefs Tod. Und über die Vision eines Getriebenen,
       die im Operndorf kulminiert.
       
       ## Natürliche Belichtung und Frischluftzirkulation
       
       Es ist der Blick von innen, der die Ausstellung so sehenswert macht. So zum
       Beispiel die unmittelbaren Fotografien des 16-jährigen Maxime, der jeden
       Tag in das Operndorf kommt. Mit einer Einwegkamera macht er sich immer
       wieder auf den Weg, das Leben vor Ort einzufangen. Manche der
       Fotografierten, meist seine Freunde, haben sich auf den entwickelten Fotos
       zum ersten Mal ein Bild von sich selbst machen können.
       
       In Mitarbeitervideos, die leider ein wenig untergehen, bekommt der
       Zuschauer einen weiteren Eindruck des Dorfalltags. Darin schwärmt der
       Schulleiter von den Schulräumen des Opernhauses – von natürlicher
       Belichtung, Frischluftzirkulation und Jalousien, die auch auf Kipp gestellt
       werden können.
       
       ## Wichtig: gemischte Klassen
       
       25 Mädchen und 25 Jungen zählt eine Schulklasse. Allen Initiatoren des
       Projekts waren gemischte Klassen wichtig. Die meisten Kinder kommen täglich
       mehrere Kilometer aus umliegenden Dörfern mit dem Fahrrad zum Unterricht,
       der sich aus 80 Prozent festgelegtem Curriculum und 20 Prozent
       interdisziplinärem Kunstunterricht zusammensetzt.
       
       Was hier gelehrt werden soll, ist auch das Ineinanderfließen der Künste,
       eingebettet wird das Ganze in ein vom Goethe Institut Ouagadougou
       organisiertes Kulturprogramm aus Tanz, Theater, Konzerten und
       Filmscreenings.
       
       Internationalität und unterschiedliche Perspektiven schafft ein
       Artist-in-Residence-Programm, das von Berlin aus gesteuert wird. Es
       ermöglicht die Zusammenkommen von Künstlern und Künstlerinnen aus der
       ganzen Welt in Burkina Faso – das Operndorf ist für sie gleichzeitig
       Lebens- und Arbeitsraum.
       
       Einblicke in diese Arbeit zeigt ein im Dorf entstandener, in der Galerie
       auf den Boden projizierter Film des Installationskünstlers Tobias Dostal.
       Zu sehen ist das ganz in der burkinischen Tradition stehende Einpflanzen
       eines jungen Zitronenbaumes. Der steht für Fruchtbarkeit, aber auch
       symbolisch für die sprießenden Ideen des Christoph Schlingensief.
       
       „Opera! Opera! Opera! Ha-ha-ha!“, ruft ein ekstatischer Burkiner mit weit
       ausgebreiteten Armen im in Dauerschleife gezeigten Bonusmaterial zu Sybille
       Dahrendorfs Dokumentarfilm „Knistern der Zeit – Christoph Schlingensief und
       sein Operndorf in Burkina Faso“, der dessen erste Idee zum Operndorf
       beleuchtet.
       
       In einem Interview darin erzählt Schlingensief auch vom Gespräch mit einer
       Einheimischen. Dass ihr der Begriff Opera zwar nichts sage, sie aber
       durchaus das Wort „Operation“ kenne. Und das wäre etwas sehr Gutes.
       Tatsächlich wurde in das Dorf auch eine moderne Krankenstation,
       Entbindungsstation und Zahnarztpraxis integriert.
       
       Einen Ort der Begegnungen wollte Schlingensief schaffen. Der Begriff
       Operndorf steht dabei nicht in einem klassischen Sinne, sondern ist zum
       Bild geworden für etwas, das Interkulturalität, Humanismus und Politik
       mitdenkt.
       
       Laafi Bala: Eigen + Art Lab, Torstraße 220. Bis 28. Juli, Di-Fr 14-18 Uhr,
       Sa 11-18 Uhr
       
       2 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nora Voit
       
       ## TAGS
       
   DIR Burkina Faso
   DIR Ausstellung
   DIR Theater
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Theater aus Afrika in Köln: Die Utopie zurückerobern
       
       Sich mit der Macht anzulegen, gehört zur Geschichte afrikanischer Künstler.
       Das ist beim Theaterfestival „Africologne“ nicht anders.
       
   DIR Film „Knistern der Zeit“: Der Geist ist gegenwärtig
       
       Sibylle Dahrendorfs „Knistern der Zeit“ begleitet Christoph Schlingensief
       und dessen Operndorfprojekt in Burkina Faso. Auch über seinen Tod hinaus.
       
   DIR Schlingensiefs Operndorf in Burkina Faso: Afrikanisches Vermächtnis
       
       Vor einem Jahr wurde der Grundstein für Christoph Schlingensiefs "Operndorf
       Afrika" gelegt. Den Stand des Projekts stellte in Berlin sein Frau Aino
       Laberenz vor.