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       # taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Opa erzählt vom Festnetz
       
       > Wie trifft man sich ohne Handy? Das Leben vor 20 Jahren muss
       > megaumständlich gewesen sein. Wenn man sich doch bloß daran erinnern
       > könnte.
       
   IMG Bild: Telefonieren ohne Münzen! Ja, das gab es damals
       
       Am vergangenen Wochenende war ich bei der „Animal Farm“, einem kleinen
       Festival in der Lausitz. Dort gab es bunte Lichter, gute Menschen und
       schlechte Wortspiele („Amviehtheater“, hahahahaha), außerdem 40 Stunden
       keinen Handyempfang (Selbsterfahrungsbuch ist in Arbeit), dafür 40 Stunden
       Nonstop-Techno, quasi direkt neben unserem Zelt (unsere Platzwahl war nicht
       so klug).
       
       Einer der DJs fiel ein wenig auf, weil er noch echte Schallplatten
       auflegte. Spontangedanke: Wie megaunpraktisch muss es bitte sein, die alle
       aufs Land mitzubringen? Vorher muss man sich auch noch überlegen, welche
       Platten man für drei Stunden DJ-Set einpackt und welche nicht. Sehr nervig.
       
       Bis mir klar wurde, dass das bis vor zehn Jahren ja alle so gemacht haben.
       Weil es gar nicht anders ging. Und wie schnell man neue technische
       Rahmenbedingungen als so normal hinnimmt, dass man sich nichts anderes mehr
       vorstellen kann.
       
       Mir ist beispielsweise komplett schleierhaft, wie sich eine ganze
       Tageszeitung ohne Computer herstellen lassen soll – auch wenn ich weiß,
       dass das vor 40 Jahren auch noch ganz normal war, genauso wie so ziemlich
       alle anderen Büroarbeiten auch ohne Computer gingen (wie hat man irgendwas
       gefunden damals?).
       
       Aber auch meine eigene Erinnerung wurde längst durch das Jetzt
       überschrieben. 2003 habe ich beispielsweise einen Roadtrip in Mallorca
       gemacht, ohne vorher Unterkünfte zu buchen, aber auch ohne ausländisches
       Handynetz, ohne booking.com und Airbnb, ohne Navi oder Google Maps. Ging
       alles. Bloß wie?
       
       ## Ein Techniktagebuch
       
       Sollte ich jemals Kinder oder Enkel haben, denen ich erklären muss, wie wir
       unser Sozialleben ohne Handys organisiert haben, muss ich kapitulieren.
       Gut, ich kann ihnen vom Festnetz erzählen, von Telefonzellen und
       handgeschriebenen Notizen. Aber wie man sich damals in größeren
       Menschenmengen gefunden hat und wie man Dinge umgeplant hat, wenn spontan
       was dazwischengekommen ist? Ich habe keinen Schimmer. Vermutlich machte man
       sehr präzise Absprachen und war dann einfach pünktlich.
       
       Um solches Wissen zu konservieren, gibt es seit einigen Jahren immerhin
       einen Platz: das [1][Techniktagebuch], 2014 von Kathrin Passig erfunden
       und als kollektiv befüllbares Tumblr-Blog konzipiert. Die Idee:
       Alltagssituationen beschreiben, möglichst präzise. Von den Problemen
       schlechten Handyempfangs auf dem Land und mit welchen Tricks man sie löst
       über digitale Meldeamt-Angelegenheiten bis zu Kameras, die Probleme mit dem
       großen ß haben.
       
       Inzwischen hat das Techniktagebuch fast 5.000 Beiträge von über 300
       Menschen, und auch wenn sich einiges sehr banal liest: In 20 Jahren wird
       man dann sehen können, wie wir das damals gemacht haben. Doch gibt es einen
       blinden Fleck. Oft ahnt man heute noch gar nicht, welche Alltagssituationen
       bald vom technischen Fortschritt ausradiert sein werden. Aus meiner
       Urlaubsgestaltung hätte ich 2003 sicherlich keinen Beitrag gemacht.
       
       Von daher gilt erst recht das inoffizielle Motto des Techniktagebuchs:
       Aufschreiben! Alles Aufschreiben! Neue Autoren werden ständig gesucht.
       
       6 Jul 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://techniktagebuch.tumblr.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Brake
       
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