URI: 
       # taz.de -- Volksbegehren gegen Werbung in Berlin: „Das Stadtbild wird verunstaltet“
       
       > Eine Initiative will Werbung im öffentlichen Raum in Berlin per
       > Volksentscheid bis auf wenige Ausnahmen verbieten. Warum, erklärt
       > Mitgründer Fadi El-Ghazi.
       
   IMG Bild: Diese meiste Werbung ist einfach Nonsens
       
       taz: Herr El-Ghazi, Sie wollen ein Volksbegehren gegen Werbung im
       öffentlichen Raum starten. Warum ist das nötig? 
       
       Fadi El-Ghazi: Weil Werbung immer mehr Fläche beansprucht. Sie zieht unsere
       Aufmerksamkeit auf sich und verändert das Gesicht der Stadt. Der
       öffentliche Raum ist aber für die Begegnung von Menschen da, als Ort des
       gesellschaftlichen Lebens. Diese Funktion tritt zunehmend hinter
       Wirtschafts- und Finanzinteressen zurück.
       
       Wird die Werbung wirklich mehr? 
       
       Ja. Gerade an stark frequentierten Straßen und Plätzen nimmt die
       Außenwerbung massiv zu. Der Senat hat gerade 8.100 Werbeflächen
       ausgeschrieben, von denen sollen offenbar 6.000 oder 7.000 neu sein. Wollen
       wir wirklich an jeder dritten Laterne einen leuchtenden Hinweis auf Aldi,
       Lidl oder McDonald’s? Immer mehr Hausfassaden werden von Privateigentümern
       für Werbung genutzt. Nicht nur die Quantität, auch die Qualität der
       Außenwerbung verändert sich. Zurzeit haben wir Plakate, die wechseln
       regelmäßig, aber sie sind analog. Die Zukunft der Werbung ist digital. Das
       heißt: große Displays wie am Spreeufer nahe der Oberbaumbrücke, die das
       Stadtbild verunstalten.
       
       Was wollen Sie dagegen tun? 
       
       Wir haben beim Senat ein Gesetz eingereicht, das Werbung klar reguliert. Es
       betrifft verschiedene Bereiche: Werbung in öffentlichen Einrichtungen wie
       Schulen, Hochschulen, Kindergärten und Behörden soll es nicht mehr geben.
       Wir wollen zudem die Bauordnung des Landes ändern und Anlagen der
       Außenwerbung im öffentlichen Raum grundsätzlich verbieten.
       
       Der öffentliche Raum soll werbefrei werden? 
       
       Prinzipiell ja. Allerdings sieht das Gesetz auch Ausnahmen vor: Vor Ort,
       also an der Stätte der Leistung, darf Werbung stattfinden. Wir wollen
       keinem Laden- oder Restaurantbesitzer sein Werbeschild wegnehmen. Auch
       Veranstaltungswerbung soll weiterhin auf besonders ausgewiesenen Flächen
       möglich sein. Das Gesetz regelt zudem die Problematik der herabwürdigenden
       oder diskriminierenden Werbung.
       
       Wenn Werbung grundsätzlich verboten ist, weshalb muss man diskriminierende
       Werbung extra verbieten? 
       
       Weil auch die Ausnahmen vom Verbot nicht herabwürdigend oder
       diskriminierend sein dürfen.
       
       Auch Rot-Rot-Grün will sexistische und diskriminierende Werbung auf
       landeseigenen Flächen ausschließen. Einzelne Bezirke setzen das bereits um.
       Das reicht Ihnen nicht? 
       
       Nein. Der Senat will bei der Vergabe der Werberechte in die Verträge
       schreiben, dass keine sexistische Werbung auf den Flächen platziert werden
       darf. Wir wollen das auf gesetzlicher Ebene regeln. Bisher entscheidet der
       deutsche Werberat, eine Institution der Werbewirtschaft, ob eine Werbung
       herabwürdigend oder diskriminierend ist. Geht es nach uns, befinden darüber
       in Zukunft unabhängige Gerichte.
       
       Werbung kostet. Welche Einnahmen würden Berlin durch ein Verbot entgehen? 
       
       Bei den 8.100 ausgeschriebenen Werbeflächen war in Medienberichten von
       Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe pro Jahr die Rede. Wie teuer ein
       Verbot für Berlin insgesamt würde, wissen wir bald: Wir haben den
       Gesetzentwurf eingereicht und warten derzeit auf die amtliche
       Kostenschätzung.
       
       Wenn Sie die haben, wie geht es weiter? 
       
       Dann beginnen wir mit der ersten Unterschriftensammlung, wir brauchen
       20.000 Unterzeichner. Im Anschluss wird das Gesetz rechtlich geprüft, etwa
       ob es mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist. Auch das
       Abgeordnetenhaus berät darüber. Wenn die Parlamentarier das Gesetz
       ablehnen, müssen wir 200.000 Unterschriften sammeln. Klappt das, kommt es
       zum Volksentscheid. Unser Ziel ist es, dass die Berliner im Frühsommer 2019
       parallel zur Europawahl über eine werbefreie Stadt abstimmen können.
       
       Kommt ein Verbot für die derzeit ausgeschriebenen 8.100 Werbeflächen nicht
       zu spät? Sie sollen ab 2019 bespielt werden. 
       
       Der Senat will die Verträge für die Werbeanlagen schon vorher unter Dach
       und Fach haben. Aber wenn unser Verbot kommt, gilt es auch für diese
       Flächen, der Senat sollte also eine Kündigungsklausel in die Verträge
       aufnehmen.
       
       Wenn es nach Ihnen ginge, wie sieht Berlin in drei Jahren aus? 
       
       Der Blick in den Himmel ist frei, man sieht die Gebäude. In São Paulo gibt
       es seit zehn Jahren ein Verbot von Außenwerbung. Das hat dazu geführt, dass
       viele Fassaden restauriert wurden. Für das Stadtbild war das sehr positiv.
       
       7 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Lang-Lendorff
       
       ## TAGS
       
   DIR Werbung
   DIR Volksbegehren
   DIR Berliner Senat
   DIR Direkte Demokratie
   DIR Werbung
   DIR Werbung
   DIR Werbung
   DIR Werbung
   DIR Werbung
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Initiative gegen Reklame in Berlin: Erfolgreiche Werbung in eigener Sache
       
       Die Initiative „Berlin Werbefrei“ sammelt 43.000 Unterschriften und nimmt
       die erste Hürde Richtung Volksentscheid. Auch Linke und Grüne wollen
       Reklame einschränken.
       
   DIR Neues Volksbegehren in Berlin: Werben für ein Ende der Werbung
       
       Was anderswo bereits Wirklichkeit ist, soll auch in Berlin möglich werden:
       viel weniger Werbung im Stadtbild. Ab sofort werden Unterschriften
       gesammelt.
       
   DIR 4 Volksbegehren im Check: Berlin begehrt
       
       Weniger Werbung, Neuwahlen, keine Schulprivatisierung und mehr Kameras: Wer
       schafft es bis zum Volksentscheid?
       
   DIR Bremen regelt Werbung: Mit Donald Trump gegen Sexismus
       
       Als erstes Bundesland will Bremen sexistische Werbung aus dem öffentlichen
       Raum verdrängen. Ein Mittel: eine Plakatkampagne mit Sexist-in-chief Donald
       Trump.
       
   DIR Ministerien arbeiten an Werbeverbot: Keine Kippen, kein Sexismus
       
       Bundesjustizminister Heiko Maas will sexistische Werbung unterbinden.
       Bundesernährungsminister Schmidt kündigt ein Verbot von Zigarettenwerbung
       auf Plakaten an.
       
   DIR Brandalism in Paris: Werbeflächen gekapert
       
       Auf über 600 Plakaten in Paris werden nun Sponsoren des Klimagipfels
       kritisiert – denn einige davon sind selbst ziemlich große
       Umweltverschmutzer.