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       # taz.de -- Rückeroberung von Mosul: IS sprengt Moschee und Minarett
       
       > Selten leisteten die Menschen in Mosul Widerstand gegen die
       > IS-Herrschaft. Doch um das schiefe Minarett kämpften sie. Jetzt haben es
       > die Extremisten zerstört.
       
   IMG Bild: Das schiefe Minarett, al-Hadba (die Bucklige) genannt, war ein Wahrzeichen von Mossul
       
       Istanbul taz | Mehr als 800 Jahre lang hat das Minarett der Nuri-Moschee
       von Mosul sämtliche Stürme und Kriege überstanden. Liebevoll haben es die
       Einwohner Hadba, den Buckel, genannt, weil es so schief stand. Es ziert die
       irakische Zehntausend-Dinar-Note und inspirierte eine lokale Partei zu
       ihrem Namen. Doch jetzt gibt es das Wahrzeichen, das die Altstadt von Mosul
       überragte, nicht mehr.
       
       Die Extremisten des Islamischen Staates (IS) haben die Moschee und das
       Minarett am Mittwoch in die Luft gesprengt. Über ihr Propagandaorgan Amaq
       behaupteten die Extremisten, die Amerikaner seien für das Zerstörungswerk
       verantwortlich. Sie hätten die Moschee bombardiert. Doch ungewöhnlich
       schnell wiesen die Amerikaner schon kurz danach jegliche Verantwortung von
       sich. Der IS habe einen der grossen Schätze von Mosul und des Irak
       zerstört, während die irakischen Sicherheitskräfte auf die Nuri-Moschee
       vorrückten, erkärte Generalmajor Joseph Martin, der amerikanische
       Kommandant des Einsatzes gegen den IS. „Das ist ein Verbrechen an den
       Menschen von Mosul und des ganzen Irak, und es ist ein Beispiel dafür,
       warum diese brutale Organisation vernichtet werden muss.“
       
       Ein kurzes Video, das Iraker über soziale Medien verbreiteten, zeigt, dass
       das Minarett nicht aus der Luft bombardiert wurde. Die Aufnahmen
       [1][dokumentieren eine Explosion] und wie das Minarett umhüllt von
       schwarzen Rauchwolken in sich zusammenfällt.
       
       Es war in dieser Moschee, in der IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi vor knapp
       drei Jahren seinen ersten und bisher einzigen öffentlichen Auftritt hatte.
       Kurz nach dem die Extremisten Mosul und weite Teile des West- und
       Zentralirak überrannt hatten, liess sich Bagdhdadi zum Kalifen oder
       Oberhaupt der Muslime ernennen. Von der Kanzel der Nuri-Moschee rief er die
       Muslime weltweit am 4. Juli 2014 dazu auf, ins Kalifat zu reisen und sich
       dem Jihad anzuschliessen. Zehntausende folgten diesem Aufruf und überzogen
       den Irak und Syrien mit Angst und Schrecken.
       
       Auf ihrem Feldzug verübten die Fanatiker nicht nur massenhaft Massaker an
       Andersgläubigen, sondern legten mit Sprengstoff, Bulldozern und Äxten auch
       das antike und multireligiöse Erbe des Irak in Trümmer. Selten wagten es
       die Bürger, sich gegen die Terrorherrschaft zu erheben. Doch in Mosul taten
       sie es einmal. Als im Sommer 2014 Gerüchte die Runde machten, der IS wolle
       das Hadba-Minarett in die Luft sprengen, bildeten mutige Männer eine
       Menschenkette und verhinderten damit das Zerstörungswerk. Umso schwerer
       wiegt jetzt der Verlust.
       
       Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi nannte die Zerstörung der
       Moschee den finalen, verdorbenen Akt der Extremisten. Es sei das offizielle
       Eingeständnis ihrer Niederlage, sagte Abadi. Seine Regierung hatte freilich
       gehofft, die Moschee selbst zum Zeichen des Siegs über die Extremisten zu
       machen. Nach acht Monaten harter Kämpfe, die Tausende von Toten unter der
       Zivilbevölkerung und den irakischen Truppen gefordert haben, begannen
       Eliteeinheiten am Sonntag mit dem Angriff auf die Altstadt.
       
       Am Donnerstagmorgen sollte der Kampf um die historische Moschee beginnen.
       Pünktlich zum Ende des Fastenmonats Ramadan in wenigen Tagen und dem
       Auftakt der dreitätigen Festtage wollten sie auf dem Hadba-Minarett die
       irakische Flagge hissen. Es wäre es ein Bild von symbolischer Kraft
       geworden. Zwar wäre der IS damit noch nicht besiegt – die Extremisten
       kontrollieren weiterhin grosse Gebiete in Syrien, aber auch etliche
       Gegenden im Irak – aber es hätte seiner Propaganda einen empflindlichen
       Schlag versetzt.
       
       Das Gotteshaus wurde 1172 auf Anordnung von Nureddin Zangi gebaut,
       Gouverneur von Mosul und Aleppo der türkisch-seljukkischen Zangi-Dynastie.
       Die Moschee musste im 20. Jahrhundert einem Neubau weichen. Doch das aus
       Ziegelsteinen errichtete Minarett blieb erhalten. Schon der berühmte
       marokkanische Reisende Ibn Battuta verzeichnete im 14. Jahrhundert seinen
       Schiefstand. Warum es so schief wurde, ist Gegendstand zahlreicher
       Legenden.
       
       Kurz bevor der IS Mosul überrannte, hatte die Unesco mit der Lokalregierung
       begonnen, es zu stabilisieren, um einen Einsturz zu verhindern. Für
       Alteingesessene war das Hadba-Minarett das, was den Italeniern der schiefe
       Turm von Pisa ist. Angesichts der vielen Toten und Verletzten ist die
       Zerstörung des Minaretts nur eine weitere Tragödie. Der Verlust des
       irakischen Kulturerbes sei traurig, sagte der Menschenrechtler Saib Khidr.
       „Aber wir dürfen nicht die Menschen vergessen, die getötet, entführt und
       gefoltert wurden.“
       
       22 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=6vew7IC0R34
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Inga Rogg
       
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