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       # taz.de -- Interessen der asiatischen G20-Mitglieder: Immer wichtiger
       
       > Wem nutzt es, wenn die USA sich isolieren? Ein Blick aus Peking, Delhi,
       > Jakarta, Tokio und Seoul auf den Gipfel in Hamburg.
       
   IMG Bild: Japans Premier Shinzo Abe und Angela Merkel: Freihandelsvertrag zwischen Japan und der EU?
       
       Was die fünf asiatischen G20-Staaten vom Gipfel erwarten, berichten
       Korrespondent*innen der taz:
       
       ## China
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte sicherlich lieber einen anderen
       Verbündeten an ihrer Seite als ausgerechnet die autoritäre chinesische
       Führung, die regelmäßig mit unfairen Handelspraktiken und
       Menschenrechtsverletzungen von sich Reden macht.
       
       Doch mit Donald Trump als US-Präsident stehen China und Deutschland
       plötzlich gemeinsam am Pranger. Nicht nur die USA, sondern auch Frankreich,
       Italien, die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds
       kritisieren die immensen Exportüberschüsse der Deutschen und Chinesen
       gegenüber dem Rest der Welt. Diese Überschüsse brächten das
       Welthandelsgefüge durcheinander und sorgten für ein erhebliches
       Ungleichgewicht, lautet der Vorwurf. Denn sie trügen dazu bei, dass sich
       andere Staaten hoch verschulden, um ihre Importe zu finanzieren.
       
       Um so mehr will China den G20-Gipfel dazu nutzen, für mehr Freihandel zu
       werben. Ausgerechnet der kommunistische Staats- und Parteichef Xi Jinping
       hatte sich bereits im Januar auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer
       Davos als Vorkämpfer gegen Protektionismus feiern lassen. Jetzt wird er
       auch nicht müde zu betonen, wie wichtig Zollabbau und offene Grenze für den
       Warenverkehr seien.
       
       Dabei geht es in China selbst alles andere als freiwirtschaftlich zu. Erst
       kürzlich hat die Europäische Handelskammer erneut kritisiert, dass
       ausländische Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
       benachteiligt werden. Sie müssten Bestimmungen einhalten, die für die
       chinesische Konkurrenz nicht gelten. Oder sie erhielten überhaupt keinen
       Marktzugang. „China übernimmt Verantwortung,wo es für sich von Nutzen ist –
       und dann zu seinen Bedingungen“, bringt es Experte Mikko Huotari vom
       China-Institut Merics in Berlin auf den Punkt. Eine globale Führungsrolle
       übernehme China damit aber nicht. Felix Lee
       
       ***
       
       ## Indien
       
       Indien, das spätestens seit dem Amtsantritt von Premierminister Narendra
       Modi 2014 den Ehrgeiz hat, international eine größere Rolle zu spielen,
       beobachtet mit Interesse, was in Hamburg auf dem G20-Gipfel verhandelt
       wird. So groß ist die Anteilnahme, dass der „Indian Express“ kürzlich sogar
       eine Reportage über die Proteste an der „Roten Flora“ und das Hamburger
       Schanzenviertel veröffentlichte.
       
       Bei den Deutsch-Indischen Regierungsverhandlungen, die Ende Mai in Delhi zu
       Ende gingen, begrüßte Modi den Schwerpunkt der deutschen
       G20-Präsidentschaft auf Resilienz, Nachhaltigkeit und gemeinsame
       Verantwortung. Gegen den Protektionismus von US-Präsident Donald Trump
       hoben beide Länder in ihrer gemeinsamen Erklärung das „Potenzial offener
       Märkte“ hervor. Die „Vorteile der Globalisierung müssten verbreitert und
       national und international weiter geteilt werden“.
       
       Bereits im März nahm Indiens Vize-Finanzminister Jayant Narlikar an einer
       Podiumsdiskussion in der Deutschen Botschaft in Neu-Delhi zum G20-Gipfel
       teil. Er hob weitere der Themen hervor, in denen Indien und Deutschland an
       einem Strang ziehen, so zum Beispiel bei den Steuern. „Steuern sollten dort
       gezahlt werden, wo sie verdient werden“, so Narlikar.
       
       Allerdings warnte er auch vor „zu hohen Erwartungen“ im Klimabereich, vor
       allem für „kleine und mittlere Unternehmen“. Indien will das Klimathema
       nicht auf G20-Ebene diskutieren, weil es glaubt, dadurch die formale
       Architektur des Paris-Abkommens zu schwächen.
       
       Die indische Regierung ist zudem daran interessiert, das Thema Terrorismus
       international hervorzuheben: Der Staatsminister für Auswärtige
       Angelegenheiten, M.J. Akbar, hat im Frühjahr bei einem informellen Treffen
       in Bonn die Bildung einer G20-Arbeitsgruppe zum Terrorismus angeregt.
       Britta Petersen
       
       ***
       
       ## Indonesien
       
       Als größte mehrheitlich muslimische Nation der Welt, drittgrößte
       Demokratie, Nummer vier unter den bevölkerungsreichsten Ländern der Welt
       und als Volkswirtschaft mit einem ansehnlichen Wirtschaftswachstum ist
       Indonesien ein Schwergewicht unter den Schwellenländern. Für die
       ehrgeizigen wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele von Präsident Joko
       Widodo das Land auf einen freien Welthandel angewiesen.
       
       In der Trump-Ära schaut die Inselrepublik daher mit Sorge auf den
       G20-Gipfel in Hamburg. Handel sei „sehr wichtig“ für das Wachstum vieler
       aufstrebender Märkte und habe „in den vergangenen 50 Jahren auch zu dem
       Abbau von Armut beitragen“, sagte Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati im
       März 2017 nach dem Treffen der G20-Finanzminister in Baden-Baden. Die
       Tendenz zur „einer protektionistischen Politik“ werde daher mit „Sicherheit
       Auswirkungen auf viele Entwicklungsländer haben.“
       
       Die bisherigen G20-Gipfel haben die indonesische Öffentlichkeit relativ
       wenig interessiert. Forderungen der Zivilgesellschaft an Indonesiens Rolle
       in der G20 sind daher eher eine Sache politischer Analysten und Akademiker.
       Als Stimme der Entwicklungsländer sollte Indonesien in Hamburg
       hinterfragen, wie die G20-Länder mit „Armut, undemokratischen
       Gesellschaften, verfallender Infrastruktur und Umweltproblemen umgehen“,
       fordert der politische Analyst Andreas Harsono gegenüber der taz.
       
       Andere betonen Indonesiens Rolle im Kampf gegen den Terror. Das Land solle
       sich darauf konzentrieren, gemeinsam mit anderen G20-Mitgliedern gegen den
       Terrorismus vorzugehen. Im Erfolgsfall werde dieser „diplomatische
       Mehrwert“ Präsident Widodo auch innenpolitisch nutzen, sagt der Direktor
       des „Center for East Asia Cooperation Studies“ der Universität von
       Indonesien, Tirta N. Mursitama, mit Blick auf das Erstarken des radikalen
       Islams in Indonesien. Michael Lenz
       
       ***
       
       ## Japan
       
       Premierminister Shinzo Abe sieht das G20-Treffen als Signalgeber für den
       Freihandel. Zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel möchte er in Hamburg den
       Abschluss des Freihandelsvertrages zwischen Japan und der EU bekanntgeben.
       Eigentlich waren die Verhandlungen seit einiger Zeit steckengeblieben. Doch
       eine Einigung zum G20-Gipfel soll eine starke Botschaft gegen den
       Protektionismus von US-Präsident Donald Trump senden.
       
       Abe will Hamburg auch für Top-Gespräche am Rande nutzen. Ganz oben auf
       seiner Liste steht ein Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping. Seit der
       Annäherung zwischen Trump und Xi fühlt sich Japan unter Druck, ebenfalls
       die Nähe zu China zu suchen. Daher hat Abe die Beteiligung Japans an Chinas
       neuer Seidenstraße und Japans Mitgliedschaft an der von China initiierten
       Asien-Infrastrukturbank AIIB ins Spiel gebracht.
       
       Ein Thema des erhofften Treffens soll der Umgang mit Nordkorea sein.
       Darüber will Abe auch mit Südkoreas neuem Präsidenten Moon Jae-in sprechen.
       Bisher kennt man sich persönlich nicht. Abes dritter Gesprächspartner soll
       Wladimir Putin sein. Dabei geht es dem Japaner um die gemeinsame
       Wirtschaftsentwicklung der umstrittenen Kurilen-Inseln.
       
       Japanische Nichtregierungsorganisationen werden in Hamburg nicht erwartet.
       Der Protest gegen die Industriestaaten-Gipfel hatte für diese Gruppen noch
       nie einen hohen Stellenwert. Martin Fritz
       
       ***
       
       ## Südkorea
       
       Für den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in wird das G20 Treffen in
       Hamburg eine erste Bewährungsprobe auf internationalem Parkett: Am 10. Mai
       wurde der linksgerichtete Politiker zum Staatsoberhaupt gewählt, doch
       aufgrund zäher Anhörungen der Nationalversammlung konnte er erst am 18.
       Juni den Außenministerposten besetzen. Das Ministerium wird mit Kang
       Young-hwa zum ersten Mal von einer Frau geleitet.
       
       Auch wenn sich die Regierung noch bedeckt zeigt über ihre Agenda in
       Hamburg, wird aller Voraussicht ein Gesprächstreffen zwischen dem
       64-jährigen Moon und seinem japanischen Amtskollegen Shinzo Abe am Rande
       des Gipfels einen zentralen Stellenwert zukommen. Dabei geht es einerseits
       um den alten Streit über den Umgang Japans mit der Geschichte der
       koreanischen Zwangsprostitution während der japanischen Kolonialzeit: Moons
       linke Wähler erwarten, dass er ein umstrittenes Abkommen seiner
       Vorgängerregierung neu ausverhandelt.
       
       Gleichzeitig hat Moon deutlich gemacht, dass der Zwist nicht den Ausbau des
       noch bescheidenen Handelsvolumens der beiden Nachbarstaaten lähmen dürfe.
       
       Vor allem aber wird es ein Drahtseilakt für den koreanischen Präsidenten,
       ein Gleichgewischt zwischen den Interessen Chinas und den USA zu finden.
       Moon steht für eine Annäherung ans Reich der Mitte, doch kann die
       US-Verbündeten, die knapp 30 Tausend Soldaten auf südkoreanischem Boden
       stationiert haben, nicht allzu sehr verprellen.
       
       Allein die Neuaushandlung des US-Raketenabwehrsystem THAAD auf koreanischem
       Boden hat einige Bürokraten in Washington stark verstört. Und dann wäre da
       noch die Annäherung an Nordkorea, die Moon bei gleichzeitigen Sanktionen
       sucht – und die Trumps Isolationskurs de facto konterkariert. Fabian
       Kretschmer
       
       4 Jul 2017
       
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