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       # taz.de -- Emily Laquer über Proteste gegen G20: „Die Verantwortung trägt die Polizei“
       
       > Die Sprecherin der Interventionistischen Linken hatte zum Protest
       > aufgerufen. Nach den Krawallen übt sie Kritik an der Polizei und den
       > Medien.
       
   IMG Bild: Die Verantwortung für die Eskalation trägt laut Laquer die Polizei mit ihrer tagelangen Schikane
       
       taz: Frau Laquer, bundesweit wird jetzt die Schließung linker Zentren
       diskutiert. War G20 eine Niederlage für die Linke ? 
       
       Emily Laquer: Ganz im Gegenteil, der Gipfel war eine Niederlage für Olaf
       Scholz und Angela Merkel. Er ist inhaltlich gescheitert und durch den
       polizeilichen Ausnahmezustand delegitimiert. Dass nun alle Linken, die
       sich nicht sofort distanzieren und Staatstreue schwören, an den Pranger
       gestellt werden, ist der durchsichtige Versuch, vom eigenen Versagen
       abzulenken. Durch den medialen Shitstorm soll Zehntausenden Leuten, die in
       Hamburg auf der Straße waren, ausgeredet werden, wie groß unsere Erfolge
       waren.
       
       Welche Erfolge? 
       
       Wir haben mit Tausenden unser Recht auf Schlafen in den Camps durchgesetzt,
       Protokollstrecken blockiert und den Gipfel verzögert. Es gab keine
       Demoverbotszone, weil wir uns weigerten, sie anzuerkennen. Wir haben die
       größte Demo in Hamburg seit den 80er Jahren organisiert. Und wir haben
       kollektiv unsere Ohnmacht gegenüber einer polizeilichen Besetzung
       aufgebrochen.
       
       Aber es wurden auch Brände gelegt, die Polizei traute sich über Stunden
       nicht ins Schanzenviertel. Wie erklären Sie, was dort passiert ist? 
       
       Die Verantwortung für die Eskalation trägt die Polizei, die Menschen über
       Tage hinweg schikaniert hat. Genau in den Minuten, in denen Trump und
       Erdoğan nach Hamburg kamen, hat die Polizei auf die „Welcome to Hell“-Demo
       losgeprügelt. Natürlich platzt irgendwann den Leuten der Kragen. Es ist
       trotzdem nicht richtig, die Karren unserer Freunde auf der Schanze
       anzuzünden, die uns mit überwältigender Solidarität aufgenommen haben.
       
       Sie haben im Vorfeld des Gipfels gesagt „von uns geht keine Gewalt aus,
       aber wir distanzieren uns auch nicht von anderen Aktionen, bei denen es
       dazu kommen kann“. Nun distanzieren Sie sich im Nachhinein doch? 
       
       Nein, wir distanzieren uns nicht. Aber wir kritisieren Aktionen, die sich
       nicht gegen den Gipfel, sondern gegen die Menschen dieser Stadt gerichtet
       haben. Wir dürfen nicht vergessen, auf welcher Seite wir stehen – auf der
       Seite der Anwohner und der Opposition. Wir haben gesagt, von uns geht keine
       Eskalation aus, und haben unser Wort gehalten. Noch mal: Die Verantwortung
       dafür, was passiert ist, trägt die Polizei. Und wir haben die Polizei immer
       wieder davor gewarnt, dass es ihr um die Ohren fliegen wird, wenn sie auf
       Eskalation setzt.
       
       Welches Maß Gewalt ist in Ihren Augen okay und welches nicht mehr? 
       
       Es gehört nicht zu unserem Aufstand der Hoffnung, Anwohner zu bedrohen oder
       ihre Autos anzuzünden. Aber was Freitagnacht passiert ist, waren ja nur zum
       geringen Teil organisierte Aktionen, sondern vielfach Ausdruck von Wut über
       das Erlebte. Das läuft dann nicht so ab, wie es sich irgendwer vorher
       überlegt hat. Wir führen keine Truppen in die Schlacht und haben keinen
       Befehl und Gehorsam.
       
       Aber die IL hat nach Hamburg mobilisiert. Trägt sie Mitverantwortung für
       die Eskalation? 
       
       Nein, es ist doch absurd, dass diejenigen, die zu Sitzblockaden und zur
       größten und friedlichen Demo in Hamburg aufrufen, jetzt für die Krawalle
       verantwortlich sein sollen. Merkel und Scholz wollten die Kraftprobe in
       Hamburg, die Polizei hat die Eskalation dann praktisch umgesetzt.
       
       Hat die Gewalt Ihnen nicht auch genützt? Solche Bilder schaffen
       Aufmerksamkeit. 
       
       Nein, unsere Bilder sind die von den Sitzblockaden und den 76.000 Menschen
       auf der Demonstration für globale Solidarität. Wir würden uns freuen, wenn
       das von den Medien mehr wahrgenommen würde. Auf den medialen Shitstorm
       hätten wir gern verzichten können.
       
       Ist es ein Zeichen für die Schwäche der Linken, dass ihre Inhalte nicht
       durchdringen, sondern von der Gewalt überlagert werden? 
       
       Nein, das ist eine Schwäche der Medien. Es gibt ein grobes Missverhältnis,
       dass im Ton der moralischen Empörung über brennende Karren geredet wird,
       aber nicht über die 5.000 Mittelmeertoten, Klimaflüchtlinge oder
       Abschiebungen nach Afghanistan. Stattdessen gibt es eine Hetze, die immer
       dramatischere und unpassendere Worte für das findet, was an Krawallen
       passiert ist.
       
       Auch die Gewalt war doch vorhersehbar. Hat die Interventionistische Linke
       die Leute ins offene Messer rennen lassen? 
       
       Von Anfang an war klar, dass der Gipfel nur mit einem faktischen
       Ausnahmezustand durchsetzbar sein würde. Es gibt keine Alternative dazu, im
       Wahnsinn der Welt Widerstand zu organisieren. Letztlich ging es auch um die
       Frage, ob man in Deutschland noch auf die Straße gehen kann – trotz
       massiver Einschüchterung durch die Polizei, den Senat und den
       Inlandsgeheimdienst. Am Ende hat der rebellische Wille zum Durchsetzen
       demokratischer Rechte gesiegt.
       
       13 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
       ## TAGS
       
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