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       # taz.de -- Kinder- und Jugendbuchtipps: Draußen, aber nicht allein
       
       > Von Artisten und Außenseitern, von der Geschichte der Sklaverei bis JFK:
       > Wir stellen Neuerscheinungen für junge Leser vor.
       
   IMG Bild: Szene aus dem neu erschienenen Bilderbuch „John F. Kennedy. Zeit zu handeln“
       
       ## Der kleinwüchsige Akrobat
       
       „Esperanza“ – „Hoffnung“ heißt das auslaufende Frachtschiff im
       gleichnamigen Roman von Jakob Wegelius. Und um Hoffnung, um Träume und
       Freundschaft – allen Widrigkeiten zum Trotz –, geht es in der berührenden
       Erzählung des schwedischen Kinderbuchautors und -illustrators.
       
       Nach dem letztjährigen Erfolg seines grandiosen 600-Seiten-Wälzers „Sally
       Jones. Mord ohne Leiche“ hat der Gerstenberg Verlag mit „Esperanza“, ein
       weiteres Werk des Schriftstellers nachgelegt. Wegelius erzählt auch in
       diesem nun neu aufgelegten, früheren Buch von Außenseitern der
       Gesellschaft, von Häfen und Fernweh – diesmal komprimiert auf die
       Ereignisse einer einzigen Nacht.
       
       Der Roman handelt von Halidon, einem kleinwüchsigen Akrobaten, der mit
       seinem Einrad in den Straßen einer schwedischen Hafenstadt auftritt. Schon
       früh hat er gelernt, nicht viel von anderen zu erwarten. Denn die Menschen
       reagieren auf seine Gestalt, seine deformierte Nase und die weit
       auseinander stehenden Augen meist abweisend, zuweilen mit Abscheu.
       
       Seit einiger Zeit aber wohnt er nun schon beim „Kapitän“, seinem ehemaligen
       Chef und Theaterdirektor. Der begegnet dem kleinen Akrobaten freundlich und
       ohne Vorbehalte.
       
       Doch eines Abends kehrt der Kapitän nicht in die gemeinsame Wohnung zurück.
       Beunruhigt und von den Schatten der Vergangenheit eingeholt, macht sich
       Halidon noch in derselben Nacht auf, seinen Gastgeber zu suchen. Schon bald
       heftet sich ein einsamer Straßenköter an seine Fersen, doch der
       verschlossene Halidon möchte den lästigen Begleiter und hartnäckigen
       Fragensteller gern loswerden.
       
       In „Esperanza“ gelingt es Wegelius erneut, mit seinen ganz eigenen Figuren
       – fiesen Hundefängern und gierigen Glücksspieler inbegriffen – eine
       spannende, etwas düstere Geschichte zu entwickeln, die zugleich unaufgeregt
       von großen, nicht immer glücklichen Gefühlen spricht.
       
       Jakob Wegelius: „Esperanza“. Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs.
       Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2017. 144 Seiten, gebunden, illustriert,
       12,95 Euro. Ab 10 Jahre. 
       
       ## Mobbing an Schulen
       
       „Tanz der Tiefseequalle“, der neue Roman der Kinder- und Jugendbuchautorin
       Stefanie Höfler ist näher an der Alltagsrealität von Heranwachsenden
       angelegt. Schließlich soll laut aktueller Pisa-Studie jeder sechste
       15-jährige Schüler in Deutschland regelmäßig von Mobbingattacken betroffen
       sein. In „Tanz der Tiefseequalle“ ist es Niko, der die ständigen
       Demütigungen seiner Mitschüler ertragen muss.
       
       Niko ist ziemlich dick, trägt unförmige Kleidung und lebt bei der
       Großmutter. Allerdings hilft ihm seine Fantasie, sich den erdrückenden
       Situationen in der Klasse zu entziehen. Außerhalb der Schule hat er zudem
       zwei absolut verlässliche Freunde: Osman und Little. Der eine repariert
       Autos und wiegt noch mehr als Niko, der andere ist hyperaktiv und
       auffallend klein für sein Alter.
       
       Ganz anders als Niko geht es seiner Mitschülerin Sera: Sie sieht gut aus,
       ist überall mittendrin und sehr beliebt. Jemand wie Niko existiert in ihrer
       Welt eigentlich nicht. Jetzt kurz vor der Klassenfahrt hat auch noch Marko,
       der coolste Typ der Klasse, ein Auge auf sie geworfen. Während Sera und
       ihre beste Freundin Melinda der Reise entgegenfiebern, macht sich Niko
       schon mal auf das Schlimmste gefasst.
       
       Im Wechsel dieser beiden gegensätzlichen Perspektiven erzählt Stefanie
       Höfler nicht moralisierend, sondern humorvoll und mitreißend von den
       hereinbrechenden Ereignissen während der Klassenfahrt, die – für die
       Mitschüler unfassbar – Sera und Niko zu Freunden werden lässt. Die
       Klassenclique, angeführt von Marko und Melinda, reagiert auf Seras
       abweichendes Verhalten mit intriganter Bosheit.
       
       Zum ersten Mal macht nun auch sie die Erfahrung von Ausgrenzung und Verrat.
       Doch durch Niko, der immer schon draußen war, lernt Sera in dieser
       Situation sich selbst zu behaupten und ihren eigenen Weg zu gehen. So
       handelt „Tanz der Tiefseequalle“ von dem Wunsch, dazuzugehören, aber auch
       von dem nötigen Mut, um unabhängig zu bleiben.
       
       Stefanie Höfler: „Tanz der Tiefseequalle“. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim
       2017. 192 Seiten, gebunden, 12,95 Euro. Ab 12 Jahre. 
       
       JFK 
       
       Zum hundertsten Mal jährte sich im Mai der Geburtstag des 1963 ermordeten
       US-Präsidenten John F. Kennedy. Das Bilderbuch „John F. Kennedy. Zeit zu
       handeln“ verfolgt die entscheidenden Momente seiner Jugend und späteren
       Politikerlaufbahn mit anschaulichen Texten von Shana Corey. Besonders
       lebendig werden die historischen Ereignisse durch die mit leichtem
       Pinselstrich skizzierten Farbillustrationen von R. Gregory Christi.
       
       Die Biografie würdigt die Friedensbemühungen Kennedys in Zeiten des Kalten
       Kriegs und sein Eintreten für die Bürgerrechte in den USA. Sie erinnert
       aber auch an die Protagonisten der Bürgerrechtsbewegung, die in den 1960er
       Jahren mutig die Aufhebung der Rassentrennung in den USA erkämpften – unter
       ihnen Martin Luther King, Ruby Bridges oder die Greensboro Four. Und zeigt
       so: Geschichte wird von vielen gemacht.
       
       „Shana Corey (Text), R. Gregory Christie (Illustration): „John F. Kennedy.
       Zeit zu handeln“. Aus dem Englischen von Elisa Martins. Nord Süd Verlag,
       Zürich 2017. 56 Seiten, gebunden, 18 Euro. Ab 8 Jahre.
       
       Faultier, Fischotter, Pottwal 
       
       Seit vielen Jahren fördert der Schweizer Kinder- und Jugendbuchverlag
       Baobab Books mit ausgewählten Bilderbüchern und Romanen unter anderem aus
       Mexiko, Taiwan, Tansania oder dem Iran den Dialog und Respekt der Kulturen.
       
       In „Schlaf gut“, dem zweisprachigen Bilderbuch der georgischen
       Illustratorin Tatia Nadareischwili, streift ein kleiner Junge, der nicht
       einschlafen kann, im karierten Pyjama durch die Tierwelt. Faultier,
       Fischotter, Pottwal – jeder hat einen guten Rat parat, wie man am besten
       schlafen sollte.
       
       Hängend am Baum, auf dem Rücken oder lieber aufrecht im Meer schwimmend.
       Bald merkt der Junge: Wir alle müssen schlafen, aber jeder auf seine Art.
       
       Tatia Nadareischwili: „Schlaf gut“. Deutsch/Georgisch. Dt. v. Rachel
       Gratzfeld. Baobab Books, Basel 2017. 32 Seiten, gebunden, 16,50 Euro. Ab 4
       Jahre.
       
       Packend erzählt 
       
       In dem historischen Roman „Mein Name ist nicht Freitag“ wird der
       zwölfjährige Samuel während des US-amerikanischen Bürgerkriegs aus einem
       Waisenhaus im Norden verschleppt und als Sklave auf eine Baumwollplantage
       in die Südstaaten verkauft.
       
       Der britische Autor Jon Walter schildert in dieser fiktiven Geschichte die
       unmenschlichen Verhältnisse der Sklaverei und das erdrückende Gefühl der
       Ohnmacht aus der Perspektive des frei geborenen Jungen, dem sogar der Name
       genommen wird.
       
       Zum Lesen keine leichte Kost, aber packend erzählt. Doch die Sehnsucht nach
       Freiheit und die Verantwortung für den zurückgelassenen jüngeren Bruder
       Joshua treiben Samuel an, der Hölle der Sklaverei zu entkommen. Schließlich
       stehen die Truppen der Nordstaaten vor der Tür.
       
       Jon Walter: „Mein Name ist nicht Freitag“. Aus dem Englischen von Josefine
       Haubold. Königskinder Verlag, Hamburg 2017, 448 Seiten, gebunden, 18,99
       Euro. Ab 13 Jahre.
       
       28 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva-Christina Meier
       
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