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       # taz.de -- Martin Schulz' Wahlkampfvorschlag: Ein Konto für jeden Erwerbstätigen
       
       > Der SPD-Kanzlerkandidat greift eine Idee von Arbeitsministerin Andrea
       > Nahles auf: Das steckt hinter dem „Chancenkonto“.
       
   IMG Bild: Mit dem „Chancenkonto“ versucht Martin Schulz, die SPD-Wahlkampagne wieder flott zu kriegen
       
       Berlin taz | Mit einem [1][neuen Vorschlag] will Martin Schulz seine ins
       Stocken geratene Bundestagswahlkampagne wieder flott kriegen: das
       „Chancenkonto“. Er wolle „ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, dabei die
       Menschen gegen die Risiken unserer Zeit absichern“, verkündete der
       SPD-Kanzlerkandidat am Sonntag im Berliner Willy-Brandt-Haus.
       
       Ein modernes Deutschland brauche „einen Staat, der seine Bürgerinnen und
       Bürger dabei unterstützt, aus ihrem Leben etwas zu machen“, sagte Schulz.
       Auch wer mitten im Leben stehe, brauche Möglichkeiten, sich beruflich
       weiterzuentwickeln oder neu aufzustellen. Dafür soll es künftig ein
       staatlich finanziertes „Chancenkonto“ für alle Erwerbstätigen geben.
       
       Die Idee ist nicht ganz neu. Unter dem Stichwort „persönliches
       Erwerbstätigenkonto“ taucht sie bereits im „Weißbuch Arbeiten 4.0“ auf, das
       SPD-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles im November 2016 vorgelegt hat.
       Ein solches Konto könnte die Eigenverantwortung der Beschäftigten stärken,
       „indem es Chancen böte, die von den Erwerbstätigen individuell und
       selbstbestimmt genutzt werden könnten“, heißt es dort.
       
       Angesichts von ungleich verteiltem Vermögen, die vererbt werden, sollten
       alle jungen Menschen ungeachtet ihrer sozialen Herkunft ein zweckgebundenes
       steuerfinanziertes Startkapital als „Sozialerbe“ erhalten. Durch
       tarifvertragliche Regelungen könne das Guthaben noch aufgestockt werden.
       Außerdem wäre es denkbar, dass „diejenigen, die kein steuerfinanziertes
       Studium genossen haben, ein höheres Startkapital erhalten“.
       
       Das Erwerbstätigenkonto solle zu Beginn der Erwerbsbiografie automatisch
       eingerichtet werden und von einem staatlichen Dienstleister verwaltet
       werden, lautet der Vorschlag im „Weißbuch“. Das Geld solle im Verlauf des
       Erwerbslebens für unterschiedliche, aber „klar definierte“ Zwecke genutzt
       werden können, etwa für die Finanzierung von beruflicher
       Weiterqualifizierung, die nicht durch Betriebe übernommen wird, für
       Existenzgründungen oder den Übergang in eine Selbstständigkeit oder
       Sabbaticals für Erziehung oder Pflege eines Angehörigen oder für den
       flexiblen Übergang in den Ruhestand.
       
       ## Im Nebensatz versteckt
       
       Im Frühsommer konkretisierte Nahles ihre Vorstellungen. Nun verriet sie
       auch, wie hoch das steuerfinanzierte Startguthaben sein solle: 15.000 bis
       20.000 Euro pro Kopf halte sie für finanzierbar. Während in ihrem
       „Weißbuch“ nur „neue Erwerbstätige“ dieses Startkapital erhalten sollten,
       verzichtete sie nun auf diese Beschränkung.
       
       Das „Erwerbstätigenkonto“ findet sich auch im SPD-Bundestagswahlprogramm –
       allerdings nur in einem Nebensatz versteckt. Nun will es Schulz zum
       Wahlkampfschlager machen. „Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen
       ein persönliches Chancenkonto erhalten, das mit einem staatlichem
       Startguthaben ausgestattet ist“, heißt es in seinem „Zukunftsplan für ein
       modernes Deutschland“. Es könne eingesetzt werden „für die Finanzierung von
       Weiterbildung und Qualifizierung, die über reine Erhaltungsqualifikationen
       hinausgehen“, sowie für „Gründungen und den Übergang in die
       Selbstständigkeit“.
       
       Über die Höhe des Startkapitals macht Martin Schulz bislang keine Angaben –
       wohl um nicht direkt in eine Diskussion über dessen Finanzierbarkeit zu
       stürzen. Denn die Bundesrepublik hat rund 44 Millionen Erwerbstätige. Das
       würde bei pro Kopf 20.000 Euro einen Finanzbedarf von 880 Milliarden Euro
       bedeuten. Eine stolze Summe. Bekäme jeder nur 2.000 Euro – was von dem
       hochgesteckten Zielen des Chancenkontos nicht viel übrig lassen würde -,
       wären immer noch 88 Milliarden Euro nötig.
       
       Auch sonst sind noch etliche Fragen offen. So sagte Schulz nichts darüber,
       was für Reglementierungen es für das Chancenkonto geben soll. Also: Was
       darf mit dem Geld finanziert werden und was eben nicht? Ebenso unklar
       bleibt, in welchem Zeitrahmen das Konto im Falle eines SPD-Wahlsiegs
       eingerichtet werden soll. Allerdings erscheint der ohnehin derzeit nicht
       allzu realistisch.
       
       17 Jul 2017
       
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