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       # taz.de -- Rot-Grünes Bildungs-Chaos zur Halbzeit: Einmal an die Kinder denken
       
       > Nach zwei Jahren Rot-Grün unter Carsten Sieling starten wir unsere
       > taz.bremen-Serie mit der Halbzeitbilanz des selbstgemachten
       > Bildungschaos'
       
   IMG Bild: Wenn du „Kita-Chaos Bremen“ googelst: Kind vor Computer
       
       Bremen taz | „Wir wollen vom Kinde her denken.“ Mit diesen Worten erklärte
       im Juni 2015 Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) bei der
       Vorstellung des Koalitionsvertrags zwischen SPD und Grünen, warum die
       Verantwortung für Kindertagesstätten vom Sozial- zum Bildungsressort
       wechseln soll. Ein persönliches Anliegen von ihm. Zwei Jahre später, zur
       Koalitionshalbzeit, lässt sich feststellen: Vom Kinde her gedacht, hätte
       bedeuten müssen, Sieling seine Idee auszureden.
       
       Denn der Wechsel ist einer der Gründe, warum unter der aktuellen rot-grünen
       Landesregierung so krass am Bedarf für Kindertagesbetreuung vorbei geplant
       wurde wie selten zuvor. 1.700 Plätze fehlten Bremen 2016 für Ein- bis
       Sechsjährige. In diesem Jahr sind es nach Einschätzung der Behörde nicht so
       viele – aber auch nur, weil ein großer Teil der Kinder in Mobilbauten
       spielen wird, einige Gruppen vergrößert werden und sich schon niemand mehr
       darüber aufregt, dass ein Teil der Plätze nicht pünktlich zum August zur
       Verfügung stehen wird, sondern erst irgendwann im Herbst und Winter.
       Hauptsache irgendwie untergebracht und von irgendwem betreut, lautet die
       Devise.
       
       Anderthalb Jahre war das zuständige Kita-Referat – deren Leitungsstelle
       immer noch nicht besetzt ist – so sehr mit sich selbst und dem Umzug
       beschäftigt, dass sie nicht dazu kam, Baugenehmigungen für Um- und
       Neubauten zu beantragen oder sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die
       Planungen der vorherigen Regierung hätten korrigiert werden müssen. Das war
       ein Versäumnis.
       
       Denn anders als viele in der Stadt, darunter Opposition und
       Elternvertretung, behaupten, stimmt es nicht, dass eigentlich die Grüne
       Anja Stahmann als vorherige Sozialsenatorin das Kita-Chaos verbockt hat.
       Richtig ist: Auch sie hat großzügige Ausbauten gegenüber ihren
       SenatskollegInnen nicht durchsetzen können. Richtig ist auch: Um den
       Rechtsanspruch auf Betreuung von Unter-Dreijährigen ab August 2013 erfüllen
       zu können, hatte sie mit der sogenannten „Viertquartalskinder-Regelung“
       1.700 Plätze nur auf dem Papier geschaffen. Seitdem müssen
       Zweieinhalbjährige schon von der Krippe in den Kindergarten wechseln. Das
       ist pädagogisch fragwürdig und hat dazu geführt, dass jetzt auch in den
       Kindergärten für Drei- bis Sechsjährige Mangel herrscht.
       
       ## 1.700 unversorgte Kinder
       
       Aber: Stahmann hat sich wie ihre SPD-Kollegin Claudia Bogedan auf
       Vorausberechnungen des statistischen Landesamts verlassen. Das aber hat
       erst seit diesem Jahr die seit 2012 steigende Geburtenrate eingerechnet.
       Deshalb hinkten die StatistikerInnen mit ihrer Prognose immer hinter den
       tatsächlichen Kinderzahlen hinterher – das hätte man im Bildungsressort
       wissen müssen. 2015, im Jahr von Bogedans Amtsantritt, hatte das
       Statistikamt ihre Prognose korrigieren müssen.
       
       Damals lebten 1.102 Kinder unter sechs Jahren mehr in der Stadt, als
       Stahmann bei ihrer Ausbauplanung 2014 kalkuliert hatte. Der Zuzug von
       Geflüchteten war darin noch nicht eingerechnet, hätte aber alleine schon
       Grund genug für eine Korrektur sein müssen. Doch Bogedans Behörde
       korrigierte Stahmanns Planungen erst im September 2016 – nachdem das
       Statistikamt eine neue, aktualisierte Bevölkerungsvorausberechnung
       veröffentlicht hatte. Damit gab es noch einmal 600 Kinder mehr – also genau
       die 1.700 Kinder, die im August 2016 ohne Betreuung da standen.
       
       Immerhin ist seitdem der Ausbau in Gang gekommen. Allerdings sollen jetzt
       so viele neue Einrichtungen – 55 Kindertagesstätten bis zum Jahr 2020 –
       entstehen, dass fraglich ist, wie in so kurzer Zeit ausreichend
       Nachwuchs-ErzieherInnen ausgebildet werden sollen. Alle Träger von Kitas
       klagen jetzt schon über Personalmangel, manche sagen, dass sie Leute
       einstellen müssen, die ihren Qualitätsansprüchen nicht genügen.
       
       Überhaupt will die Kinder- und Bildungssenatorin Bogedan jetzt richtig
       klotzen. Vor den Verhandlungen für die Haushalte in 2018 und 2019 im Juni
       hatte sie ihre Forderungen gegenüber ihren SenatskollegInnen deutlich
       erhöht. So hatte sie sich im Februar mit 90 Millionen Euro mehr für
       Kindergärten und Schulen einverstanden erklärt. Jetzt sollen es mit 186
       Millionen Euro doppelt so viel sein. Das Geld wird nicht nur für
       Gebäudeneu- und umbauten, sondern auch für mehr Sprachförderung,
       Schulsozialarbeit und Entlastungsstunden für LehrerInnen an Schulen in
       ärmeren Stadtteilen gebraucht.
       
       Offenbar hat die Bildungsbehörde in den vergangenen Monaten die zahlreichen
       Brandbriefe von RektorInnen und Eltern aus Stadtteilen, in denen viele
       Kinder in schwierigen sozialen Verhältnissen leben, gelesen und ernst
       genommen.
       
       18 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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