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       # taz.de -- Neuer Polizeichef im Kongo: Wiedergeburt eines Haudegens
       
       > Einst schützte er Diktator Mobutu und kämpfte für Rebellenchef Bemba. Nun
       > wird General Amuli neuer kongolesischer Polizeichef.
       
   IMG Bild: General Dieudonné Amuli (r.) beim Besuch des UN-Blauhelmkommandeurs in Kinshasa, 2016
       
       Berlin taz | Einer der erfahrensten Kriegsführer der Demokratischen
       Republik Kongo ist in Zukunft für das Niederschlagen ziviler Proteste
       zuständig. General Dieudonné Amuli Bahigwa, zuletzt stellvertretender
       Generalstabschef der Streitkräfte, wurde in der Nacht zum Dienstag zum
       neuen Polizeichef ernannt, in Nachfolge von Charles Bisengimana.
       
       Die Verfügung von Präsident Joseph Kabila umfasst zahlreiche weitere
       Umbesetzungen an den Spitzen von Polizei und Armee in Zeiten zunehmender
       bewaffneter Konflikte und politischer Spannungen.
       
       General Amulis Leben steht für die schillernde Geschichte der Kongokriege.
       Geboren im Nordosten des Landes, als Angehöriger der Hema-Volksgruppe im
       Distrikt Ituri, wurde Amuli in den 1970er Jahren an der Offiziersschule
       Kananga in Kasai, heute Bürgerkriegsregion, zum Offizier ausgebildet. Dann
       trat er in die gefürchtete Präsidialgarde DSP des damaligen Diktators
       Mobutu Sese Seko ein. Er genoss eine Eliteausbildung in Israel und stieg
       zum Kommandanten der für den persönlichen Schutz Mobutus zuständigen
       Brigade auf.
       
       Amuli war einer der letzten, der in Kinshasa Mobutu die Stange hielt, als
       dessen Regime im Jahr 1997 vor den AFDL-Rebellen Laurent-Désiré Kabilas,
       Vater des heutigen Staatschefs Joseph Kabila, zurückwich: Er stand am
       Flughafen Ndjili, von dem aus Mobutu am Morgen des 16. Mai 1997 die Flucht
       ergriff, einen Tag vor dem triumphalen Einmarsch der AFDL in Kinshasa
       gemeinsam mit Ruandas Armee.
       
       „Amuli war der Letzte, der Ndjili verließ, unter dem Feuer der Ruander und
       der AFDL“, heißt es in seinem späteren offiziellen Lebenslauf – als er
       selbst Rebellen kommandierte.
       
       ## Unerschütterlicher wie grundloser Optimist
       
       Denn Amuli setzte sich damals, wie viele Mobutu-Anhänger, über den Fluss
       Kongo nach Brazzaville ab, Hauptstadt der benachbarten Republik Kongo. Als
       1998 in der Demokratischen Republik Kongo erneut Krieg ausbrach, gehörte er
       zu den Gründern der Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung)
       unter dem schwerreichen Geschäftsmann Jean-Pierre Bemba, die mithilfe
       Ugandas das nördliche Drittel des Landes eroberte.
       
       Bemba machte Amuli zu seinem Generalstabschef. Nach dem Friedensschluss im
       Kongo 2003, als eine Allparteienregierung unter Präsident Joseph Kabila
       unter Mitwrkung der MLC entstand, wurde Amuli Marinechef – eher symbolisch,
       da Kongo keine wirkliche Marine hat.
       
       Amuli wurde bald wieder gebraucht: erst für den Kampf gegen die ugandische
       Terrortruppe LRA (Widerstandsarmee des Herrn), dann als Kommandant der
       „Operation Amani Leo“ (Frieden jetzt) gegen bewaffnete Gruppen im Ostkongo
       von 2010 bis 2012. Stationiert in der Provinzhauptstadt Goma war Amuli dort
       bald für so unerschütterlichen wie grundlosen Optimismus bekannt.
       
       Denn der Erfolg war eher mäßig: Nach Ende der Operation zählte der Ostkongo
       mehr bewaffnete Gruppen als vorher. Amani Leo zerfiel nach zwei Jahren mit
       der Desertion ehemaliger Tutsi-Rebellen, die als Rebellenarmee M23
       (Bewegung des 23. März) die Armee aus Goma verjagten. Amulis Belohnung:
       Aufstieg in den Generalstab im Jahr 2014, als eine umfassende
       Reorganisation anstand. 
       
       Amulis Wiedergeburt als Polizeichef wird nun im Kongo unterschiedlich
       kommentiert. Die einen fürchten eine Militarisierung der Polizei, was für
       mehr Blutvergießen bei Demonstrationen spräche.
       
       ## Bedächtiger General?
       
       Die anderen meinen, dass Amuli zu den bedächtigeren Generälen zählt.
       Kinshasas bisheriger Polizeichef Célestin Kanyama hingegen, ein
       gefürchteter Scharfmacher, hat derweil seinen Job verloren. Andererseits
       wird Kanyama, mit internationalen Sanktionen belegt, nun Chef der
       Polizeiausbildung.
       
       Als Mobutu-Gardist gehörte Amuli 1997 jedenfalls nicht zu den Hardlinern,
       die Kinshasa lieber in Schutt und Asche legen wollten, als es Kabila zu
       überlassen. Er wollte einfach seinen Präsidenten außer Landes bringen. Und
       als Stabschef Bembas ahndete er Übergriffe, als MLC-Truppen 2002 bis 2003
       in der Zentralafrikanischen Republik schwere Verbrechen begingen, die Bemba
       später vor den Internationalen Strafgerichtshof brachten.
       
       Im Prozess gegen Bemba in Den Haag wurde Amuli als mäßigendes Element
       zitiert. „Ich kenne Amuli persönlich“, lobt ihn Bemba in seiner
       Autobiografie. „Er verfügt über menschliche Qualitäten und genießt den
       Respekt seiner Truppen.“
       
       Heute sitzt Bemba in Den Haag als verurteilter Kriegsverbrecher hinter
       Gittern, und sein ehemaliger Topgeneral wird in der Heimat die Polizei
       führen. Und zu Amulis direkten Widersachern wird MLC-Mitgründer Olivier
       Kamitatu zählen, heute einer der Anführer der politischen Opposition im
       Kongo. Ab Ende Juli ruft die Opposition erneut zu Massenprotesten auf.
       
       19 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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