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       # taz.de -- Anti-G20-Protest in Hamburg: Hölle, Hölle, Hölle
       
       > Die Polizei schlägt mit Härte eine Demonstration gegen den G20-Gipfel
       > nieder. Die Nacht über zog sich das Spiel aus Provokation und Gegenschlag
       > weiter hin.
       
   IMG Bild: Ist die Hölle nass?
       
       Hunderte Menschen sind noch auf der Hafenstraße unterwegs, als plötzlich
       vier Wasserwerfer anrücken und in die Menge spritzen. Panisch springen
       DemonstrantInnen zur Seite, viele husten, als auch noch Räumpanzer
       vorfahren. Flankiert von behelmten Einheiten leeren sie die Hafenstraße. 
       
       Die Schlüsselszene aus Hamburg gestern am frühen Abend, beschrieben von
       einer taz-Reporterin. In der Folge erlebte die Hansestadt von Donnerstag
       auf Freitag eine Nacht, deren Aufarbeitung und Deutung noch sehr lange
       andauern wird – so viel steht jetzt schon fest.
       
       „Welcome to Hell“, unter diesem Slogan hatte eine „autonome und
       antikapitalistische Allianz“ zu einer großen Demonstration in Hamburg gegen
       den Gipfel der 20 ökonomisch stärksten Staaten mobilisiert. Insgesamt
       lehnte die Gruppe die G20 komplett ab, als „Treffen bürgerlicher
       Regierungen, autoritärer Regimen, Folterstaaten und kriegführender
       Militärblöcke, die alle die globale Ausbeutung vorantreiben.“
       
       Die Polizei hat das Motto der Demonstration ernst genommen. Sie würgte sie
       von Anfang an ab – und machte aus dieser Taktik auch keinen Hehl. „Wir
       hatten geplant, den Schwarzen Block von den anderen Teilnehmern
       herauszulösen, um ihnen einen friedlichen Verlauf zu gewährleisten“, so
       drückte es eine Sprecherin der Polizei am Abend aus.
       
       Am Ende standen zahlreiche verletzte DemonstrantInnen und mindestens 76
       verletzte BeamtInnen. Ein Polizist wurde den Polizeiangaben zufolge mit
       einer Augenverletzung in eine Klinik eingeliefert, zwei Hubschrauberpiloten
       wurden mit einem Laserpointer geblendet. Über die Schwere der sonstigen
       Fälle gab es keine Angaben. Mehrere Autos und Müllcontainer brannten aus.
       
       ## Bewusste Eskalation
       
       Die taz war mit einem guten Dutzend ReporterInnen vor Ort, viele von ihnen
       mit großer Erfahrung mit Berichten von Castor-Transporten,
       Maidemonstrationen und Gipfelprotesten in Deutschland wie zum G8-Gipfel in
       Heiligendamm 2007. taz-ReporterInnen bekamen einen ganz anderen Eindruck
       als die Polizei: Den einer Demonstration der Stärke, einer bewussten
       Eskalation Seitens der Polizei, die lange nicht mehr so rigoros und
       unverhältnismäßig vorgegangen ist.
       
       Am frühen Abend war alles noch friedlich in der Stadt. Gegen 18 Uhr saßen
       und standen tausende Menschen – nach Veranstalterangaben um diese Zeit rund
       7.000, nach Polizeiangaben 4.000 – am Hamburger Fischmarkt und der
       angrenzenden Hafenstraße in der Abendsonne zusammen, die Goldenen Zitronen
       und die Hamburger Hiphopper Neonschwarz spielten.
       
       Von allen Seiten strömten weitere DemonstrantInnen hinzu, um sich zu
       sammeln. Die Polizei brachte derweil in den umliegenden Seitenstraßen
       behelmte Trupps samt Räumfahrzeugen und Wasserwerfern in Stellung.
       Entsprechend trat sie denn auch auf, als die Demo eigentlich loslaufen
       wollte: Mehr als 50 Meter weit kam der Demonstrationszug nicht. Vier
       Wasserwerfer blockierten vorne den Weg, mehrere Einheiten flankierten an
       den Rändern.
       
       Weil sich viele DemonstrantInnen vermummt haben, so die Polizei, dürfe die
       Demonstration nicht beginnen. Als daraufhin die überwiegende Mehrheit der
       Autonomen ihre Gesichter zu erkennen gab, spritzten die ersten Wasserwerfer
       los, Polizisten sprühten auch Pfefferspray in die Menge. Dann flogen auch
       Flaschen, es gab die ersten Verletzten. Laut Polizei wurde auch ihr
       Sprecher Timo Zill angegriffen, flüchtete aber unverletzt in einem
       Rettungswagen.
       
       Für den Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken, der Mitanmelder der
       Großdemonstration am Samstag ist, ist der Polizei-Einsatz an der
       Hafenstraße am frühen Abend völlig unnötig gewesen. Auch er bestätigt, dass
       nach Aufforderung 90 Prozent der Vermummten ihre Vermummung abgenommen
       hätten. „Es ist passiert, wie befürchtet: Die Polizei provoziert die
       Bilder, die sie braucht, um ihre Verbote der letzten Tage zu
       rechtfertigen.“ Später sei passiert was niemand gewollt habe: Gruppen von
       GipfelgegnerInnen zogen durch die Stadt und steckten Autos von Anwohnern
       an. Auch einige Schaufenster wurden eingeworfen.
       
       ## Keine Beruhigung der Lage
       
       Klar aber auch: So schlimm, wie viele zuvor befürchtetet hatten, verlief
       der Abend nicht. Selbst die Polizei twitterte zunächst noch, die
       Aufforderung, die Vermummung abzulegen, zeige Wirkung – um dann doch noch
       den Schwarzen Block „zu separieren“. Seit diesem Versuch beruhigte sich die
       Lage nicht mehr.
       
       Ein paar Stunden später bewegte sich der Demonstrationszug dann doch – wenn
       auch mit deutlich weniger Menschen als zu Beginn. Fast sah es so aus, als
       ob die DemonstrantInnen die Polizei vor sich hertreiben, als sie
       schließlich die ursprünglich geplante Route durch die Hafenstraße nahm und
       schnellen Schrittes und nahezu ohne Zwischenfälle bis ins Schanzenviertel
       kam. Was viele der Anwesenden nicht wussten: Die Polizei hatte die neue
       Demonstration genehmigt. Was aber keineswegs zu einer Beruhigung der Lage
       führte.
       
       23:40, Sternbrücke: Von hinten sprinten behelmte Polizisten in die
       Demonstration. Menschen werden überrannt. Auch eine
       NDR-Nachrichtenredakteurin wird mehrfach weggeschubst, obwohl sie deutlich
       ihre offizielle G20-Presseakkreditierung zeigt. 
       
       So ging es weiter: Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sagte, Kleingruppen
       zögen durch die Stadt, errichteten Barrikaden und griffen Beamte an. Die
       Nacht über zog sich das Spiel aus Provokation und Gegenschlag weiter. Wenn
       DemonstrantInnen auf der Straße herumstanden, wurden sie mehrfach
       aufgefordert zu gehen – und dann mit Wasserwerfer und Pfefferspray von der
       Straße gedrängt. Schaulustige verfolgten das Geschehen mit einem Bier in
       der Hand von der Straßenseite.
       
       Als an der Ecke zum Schulterblatt in der Nacht immer noch gut 1.000 Leute
       friedlich demonstrierten, attackierte die Polizei die Menge erneut mit
       Wasserwerfern. Und zwar genau in dem Moment, als per Lautsprecher
       durchgesagt wurde, dass die Demonstration aufgelöst wird.
       
       Was im Detail in Hamburg passiert ist, können Sie im [1][taz-Liveblog zum
       G20-Gipfel in Hamburg] nachlesen.
       
       7 Jul 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /taz-Liveblog-zum-G20-Freitag/!5425982
       
       ## AUTOREN
       
   DIR taz-G20-Team
       
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