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       # taz.de -- Neues Versammlungsgesetz: „Vermummungsverbot ist verzichtbar“
       
       > Rot-Rot-Grün sollte mit einem liberalen Versammlungsgesetz ein Zeichen
       > setzen, sagt Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der
       > Linken.
       
   IMG Bild: Vermummungen sind oft auch Streitpunkt beim Kreuzberger 1. Mai
       
       taz: Herr Schlüsselburg, Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat im Parlament
       angekündigt, ein neues Gesetz vorzulegen, das die Versammlungsfreiheit
       stärkt. Was ist da genau zu erwarten? 
       
       Sebastian Schlüsselburg: Wir haben in den rot-rot-grünen
       Koalitionsgesprächen vereinbart, dass wir ein
       Landesversammlungsfreiheitsgesetz machen wollen. Seit der
       Förderalismusreform liegt die Gesetzgebungskompetenz dafür bei den Ländern.
       In Berlin gilt aber immer noch das alte Bundesversammlungsgesetz. Das
       wollen wir ändern und stattdessen ein zeitgemäßes, modernes
       Versammlungsfreiheitsgesetz erlassen. Für den Prozess der Gesetzgebung
       brauchen wir zirka zwei Jahre.
       
       So lange? 
       
       Es ist uns wichtig, dass wir uns Zeit nehmen für eine gute Beteiligung der
       Bürger und der Verbände. Wir müssen mit allen Leuten, die davon betroffen
       sind, reden: mit der Gewerkschaft der Polizei, dem Deutschen Anwaltsverein,
       dem Deutschen Richterbund, aber auch mit anderen. Wir in der Linksfraktion
       wollen in der Sommerpause Eckpunkte erarbeiten. Die werden wir mit der SPD,
       den Grünen und den beteiligten Verwaltungen diskutieren und uns dann für
       eine breitere Beteiligung öffnen.
       
       Welche Eckpunkte sind Ihnen wichtig? 
       
       Das allerwichtigste ist, dass wir, was Grundrechte und Freiheitsrechte
       angeht, nicht hinter dem Bundesversammlungsgesetz zurückfallen, sondern ein
       progressiveres Gesetz schaffen. Wir werden uns dabei am Gesetz von
       Schleswig-Holstein orientieren, das als fortschrittlich gilt.
       
       Was soll sich konkret ändern? 
       
       Wir wollen zunächst mal alle Regelungen zum Thema in einem Gesetz bündeln.
       Dann müssen wir über konkrete Punkte diskutieren: Brauchen wir zum Beispiel
       noch ein Vermummungsverbot? Wir als Linksfraktion würden gerne darauf
       verzichten.
       
       Innensenator Geisel hat im Parlament zudem angekündigt, dass Proteste in
       Zukunft in Sicht-und Hörweite möglich sein sollen. 
       
       Es freut mich sehr, dass er das so formuliert hat. In Hamburg sehen wir ja
       gerade, wie Auflagen das Versammlungsgesetz teilweise bis zur
       Unkenntlichkeit verstümmeln. Das führt in die Eskalationsspirale und zur
       Verhärtung auf beiden Seiten. Das kann nicht sinnvoll sein. In Berlin haben
       wir auch bisher immer versucht darauf zu achten, dass die Sicherheit der
       Versammlungsteilnehmer auf beiden Seiten gewährleistet ist, aber dass man
       Gegenproteste auch mitbekommt. Ich hoffe, dass wir das trotz neuer
       Sicherheitserfordernisse beibehalten können.
       
       Die Versammlungsfreiheit soll in Zukunft höher bewertet werden als die
       Sicherheit? 
       
       Das hängt vom Einzelfall ab. Bei der Genehmigung von Versammlungen und
       Gegenversammlungen muss man immer den Sicherheitsaspekt gegen die
       Freiheiten der Teilnehmer abwägen. Die Versammlungsbehörde entscheidet dann
       über konkrete Auflagen, etwa über Demonstrationsrouten. Die Richtlinie des
       neuen Gesetzes muss sein: im Zweifelsfall für die Versammlungsfreiheit.
       Zurzeit werden Freiheitsrechte aus Sicherheitsgründen ja grundsätzlich
       zurückgedrängt. Wenn wir als rot-rot-grüne Koalition jetzt die Chance
       haben, ein Versammlungsfreiheitsgesetz für die Bundeshauptstadt zu
       erarbeiten, dann sollten wir ein Zeichen setzen und ein liberales Gesetz
       machen.
       
       Wenn es in ein paar Jahren G20 in Berlin geben sollte, das läuft dann
       anders ab? 
       
       Das würde schon heute anders ablaufen. Die Berliner Polizei hat eine ganz
       andere Erfahrung und Coolness im Umgang mit Großlagen, etwa am 1. Mai, als
       Einsatzhundertschaften anderer Länder. Das wollen wir gesetzlich absichern.
       
       7 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Lang-Lendorff
       
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