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       # taz.de -- G20-Konzert in der Elbphilharmonie: Applaus für die Leaderin
       
       > US-Präsident Donald Trump übersteht ein Sinfoniekonzert weitgehend
       > unfallfrei – und erlebt, wie das Hamburger Publikum Angela Merkel
       > bejubelt.
       
   IMG Bild: Applaus an der falschen Stelle? Nicht so schlimm, diesmal geht's ja nur um Musik
       
       Hamburg taz | Jubel bricht aus in der Elbphilharmonie. Die Leute stehen auf
       und klatschen lange. Dabei hat das Konzert noch gar nicht angefangen.
       Angela Merkel hat in einem lachsfarbenen Blazer die Ehrenloge betreten. Und
       die Leute flippen aus. Man stelle sich jetzt mal vor Schröder …, oder Kohl
       … – nee, geht nicht. Donald Trump dagegen, auf den alle über eine halbe
       Stunde warten mussten, winkt dem Publikum zu, als gelte der Jubel ihm. Das
       denkt er jetzt nicht wirklich, oder? Jedenfalls wird er am kommenden Tag
       Merkels „incredible leadership“ loben.
       
       Es ist das erste Konzert in der Elbphilharmonie, in dem weder der Saal der
       Star ist noch die Musiker. Und auch wenn die Herzen des Publikums aus
       Hamburger Lokalprominenz, ausgewählten Schülern und Partnern von Polizisten
       der Bundeskanzlerin gehören – die Neugier richtet sich ganz auf den
       US-Präsidenten. Wann immer aus dem Getuschel in den lückenhaft gefüllten
       Reihen das Personalpronomen „er“ zu verstehen ist, geht es um den Mann mit
       der Tolle, der in der ersten Reihe sitzt.
       
       So schreibt es das Protokoll vor: Ganz vorne sitzen die zum G20-Gipfel
       angereisten Staatsoberhäupter. Und so viele sind das gar nicht: Der
       saudische König ist gar nicht erst nach Hamburg gekommen, der türkische
       Ex-und-nun-wieder-Präsident Recep Tayyip Erdoğan schwänzt das Konzert
       unentschuldigt, der russische Ex-und-nun-wieder-Präsident Wladimir Putin
       kommt viel zu spät und lümmelt sich breitbeinig in einen Sessel am Rand.
       
       Also sitzen die Trumps neben den Macrons. Ausgerechnet Macron, der Mann mit
       der Eisenfaust und dem Blick aus Stahl, neben dem Trump noch linkischer
       wirkt als ohnehin schon. Es sieht aus, als müsse der US-Präsident das halbe
       Konzert hindurch mit dem Schlaf ringen. Er schließt die Augen und legt den
       Kopf schief, wechselt alle paar Sekunden die Seite. Nur wenn Beethoven die
       Kavallerie schickt, klopft er mit den Fingerspitzen so was ähnliches wie
       den Takt mit. Man hört förmlich, wie er dabei innerlich „Pam, pam pam“
       macht.
       
       Und am Satzende, wo sich das distinguierte Bürgertum gewöhnlich von den
       Parvenüs absetzt? Die Marcrons, die Trudeaus halten weiter Händchen und
       setzen einen entrückten Blick auf. Trump klatscht. Dreimal, dann schaut er
       sich um, rutscht auf seinem Sessel hin und her, und klatscht weiter.
       
       Man muss dazu sagen, dass er damit ein gutes Gespür für den Ort beweist,
       denn in dem neuen Konzerthaus, das Hamburger aller Schichten anzieht, hat
       es sich eingebürgert, der Begeisterung über das schlichte Dort-Sein auch
       zwischen den Sätzen Ausdruck zu verleihen.
       
       Und: Anders als mancher andere (Staats-)Gast lässt der US-Präsident sein
       Smartphone artig in der Tasche, linst höchstens mal verstohlen nach der
       Uhrzeit. Zu Beethoven fällt ihm wohl einfach kein Tweet ein.
       
       Als die Streicher das weltberühmte Final-Thema der Neunten Sinfonie zart
       andeuten, stupst Emmanuel Macron Trump an und beginnt, ihm etwas zu
       erklären. Immer wieder sticht er dabei mit dem Zeigefinger in die Luft. Ob
       es um den Kernsatz geht, „alle Menschen werden Brüder“? Oder sagt er ihm
       nur, dass jetzt die Europahymne kommt? Trump jedenfalls nickt aufmerksam.
       
       Stimmt, Musik gibt es ja auch noch. Angela Merkel persönlich hatte
       Beethovens Neunte, diese Hymne des Universalismus, ausgewählt. Und sie
       hatte sich Hamburgs Philharmonisches Staatsorchester unter Kent Nagano
       gewünscht. Der Dirigent lässt sich im Programm als „gebürtiger Kalifornier“
       ankündigen. Das kann man als Distanzierung von einem Präsidenten lesen, der
       nicht seiner ist. Nagano bleibt an diesem Abend unterkühlt. Statt sich, wie
       sonst, vom Dirigentenpult zum Publikum zu verneigen, stellt er sich mitten
       ins Orchester, um den Applaus entgegenzunehmen. Vielleicht ein Geste der
       Bescheidenheit. Oder eine klitzekleine Protestnote mit dem Taktstock.
       
       8 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Kahlcke
       
       ## TAGS
       
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