URI: 
       # taz.de -- Bezirk beschließt Fußgängerzone: Kreuzberg macht dicht
       
       > Eine Fußgängerzone in der Zossener Straße soll den Durchgangsverkehr aus
       > dem Kreuzberger Bergmannkiez verbannen. Ob sie eine Chance hat, ist
       > völlig offen.
       
   IMG Bild: Auch für Kreuzbergs Schwäne würde eine Fußgängerzone viel vereinfachen: Tier in der Bergmannstraße
       
       An der Zossener Straße im Bergmannkiez reihen sich kleine Läden, Imbisse
       und Bars aneinander, am südlichen Ende lädt die Marheineke-Markthalle zum
       Wochenendeinkauf, ein dichter Strom von Fußgängern, Rad- und Autofahrern
       fließt hin und her – Kreuzberg as Kreuzberg can, sozusagen. Hier, zwischen
       Bergmann- und Gneisenaustraße, soll künftig eine Fußgängerzone entstehen.
       Pardon, eine … Fußgängerzone?
       
       Tatsächlich hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV)
       Friedrichshain-Kreuzberg in der vergangenen Woche mit ihrer überwältigenden
       Mehrheit aus Grünen, Linken und SPD die Anordnung einer solchen Zone
       beschlossen. Genauer: Sie hat das Bezirksamt aufgefordert, eine
       Fußgängerzone anzuordnen. Ganz verkehrsfrei wäre der Abschnitt im Übrigen
       nicht: Für BVG-Busse, Fahrräder und Lieferverkehr soll es eine
       Ausnahmeregelung geben.
       
       Hinter dem Beschluss verbirgt sich ein jahrelanger Konflikt um die
       Verkehrssituation im Bergmannkiez. Das Problem: Immer mehr Autofahrer
       nutzen die Nord-Süd-Achse, zu der die Zossener und die südlich
       anschließende Friesenstraße gehören. Sie gelangen so unter Umgehung des
       Mehringdamms von der Innenstadt zur Stadtautobahn oder zumindest zum
       Tempelhofer Damm. Seit die Axel-Springer-Straße vor fünf Jahren zur
       Durchgangsstraße wurde, ergießt sich der Verkehr von der vielbefahrenen
       Leipziger Straße über diese Verbindung nach Süden.
       
       ## Blech, Lärm, Gestank
       
       Für die Anwohner im Bergmannkiez bedeutet das: viel Blech, Lärm, Gestank
       und Unfallgefahren. Die Initiative „Leiser Bergmannkiez“ kämpft deshalb
       schon lange für eine Sperrung der Zossener Straße an der Marheinekehalle.
       Im Jahr 2013 beschloss die BVV diese Sperrung, aber die
       Senatsverkehrsverwaltung stellte sich quer: Sie ordnet die Zossener als
       „Ergänzungsstraße des übergeordneten Straßennetzes“ ein, die der Bezirk
       nicht einfach schließen kann.
       
       Wie der im Netz dokumentierte Briefwechsel der Initiative zeigt, haben
       sowohl Verkehrssenator Michael Müller, als auch seine Nachfolger Andreas
       Geisel und die aktuelle Amtsinhaberin Regine Günther an dieser Linie
       festgehalten. Sie vertrösten die Anwohner mit der Sanierung des
       Straßenbelags in der Friesenstraße, wo jetzt noch Kopfsteinpflaster für
       Extralärm sorgt.
       
       Für den neuen Vorstoß haben nun die antragstellenden Grünen in der BVV in
       die Trickkiste gegriffen: In der Anlage zum Allgemeinen Sicherheits- und
       Ordnungsgesetz (ASOG) von Berlin heißt es nämlich, dass es Sache der
       Bezirksämter ist, im übergeordneten Straßennetz Fußgängerzonen anzuordnen.
       
       „Das ist ein Präzedenzfall“, sagt deshalb auch der stellvertretende
       Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der BVV, Julian Schwarze, der gegenüber
       der taz allerdings einräumt, dass es den Bezirksverordneten in erster Linie
       darum ging, die Debatte neu anzustoßen. Denn dass auch die Fußgängerzone am
       Ende wieder auf dem Tisch der Senatsverwaltung bzw. der ihr untergeordneten
       Verkehrslenkung Berlin (VLB) landet, hält auch er für wahrscheinlich. Aber:
       „Wenn es am Ende eine Lösung gibt, die die Verkehrssituation im Kiez
       beruhigt, haben wir unser Ziel erreicht. Das kann dann auch anders
       aussehen.“
       
       Pikant an der Angelegenheit ist, dass sich hier ein grüner Bezirk gegen
       eine von den Grünen eingesetzte Senatorin in Stellung bringt. In Günthers
       Verwaltung gibt man sich jetzt erst einmal ganz zurückhaltend. Man werde
       die Anordnung genau prüfen, so Sprecherin Dorothee Winden zur taz – „wenn
       wir die Unterlagen dazu haben“. Erst einmal muss schließlich das Bezirksamt
       der Aufforderung durch die BVV nachkommen. Grundsätzlich, so Winden, strebe
       die Senatsveraltung natürlich „eine lebenswerte Stadt und Straßen mit
       Aufenthaltsqualität“ an.
       
       Wie die Maßnahme bei den Anwohnern ankommt, muss sich zeigen. Einer, der
       immerhin für viele spricht, ist Hans-Peter Hubert von der Initiative
       „Leiser Bergmannkiez“. Er glaubt, dass die Senatsveraltung mit dem
       Rückgriff auf das ASOG „auf dem schwachen Bein erwischt“ wurde, und hält
       eine Fußgängerzone für geeignet, den motorisierten Durchgangsverkehr aus
       dem Kiez zu verdrängen. „Wichtig ist: Der Busverkehr darf darunter nicht
       leiden, auch Lieferanten und Anwohner müssen weiter in diesen Abschnitt
       fahren können“, so Hubert – „aber das ist in der Wilmersdorfer Straße in
       Charlottenburg ja auch geregelt.“
       
       ## Schwarze Gegenstimme
       
       Der einzige, der verlässlich Wind gegen den Vorstoß macht, ist der
       Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner. Er beklagt einen
       „Schildbürgerstreich“, der zu Lasten der Gewerbetreibenden im Kiez gehe –
       „ein weiterer rot-rot-grüner Angriff auf den bisher beliebten und gut
       funktionierenden Bergmannkiez“. Einige Ladeninhaber dürfte die CDU, die als
       einzige (Mini-)Fraktion in der BVV gegen die Fußgängerzone gestimmt hat,
       tatsächlich auf ihrer Seite haben – die wettern auch schon gegen die
       geplante „Begegnungszone Bergmannstraße“, durch die sie massive
       Parkplatzverluste befürchten.
       
       20 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
   DIR Fußgängerzone
   DIR Berlin-Kreuzberg
   DIR Verkehr
   DIR Begegnungszone
   DIR Begegnungszone
   DIR Begegnungszone
   DIR Begegnungszone
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Berliner Begegnungszonen: Klötze auf dem Weg
       
       Begegnungszonen sind das wohl umstrittenste Experiment der Berliner
       Verkehrspolitik. In der Bergmannstraße wird die Kritik mit massiver
       Bürgerbeteiligung gekontert.
       
   DIR Umdenken in der Bergmannstraße: Begegnung erst mal auf Probe
       
       Nach der massiven Kritik an den Umbauplänen von Senat und Bezirk soll
       Kreuzbergs Flaniermeile jetzt temporär entschleunigt werden.
       
   DIR Begegnungszone Bergmannstraße: Niemand mag Geschlängel
       
       Im Bürgerdialog zur Begegnungszone Bergmannstraße gibt es Kritik an den
       ersten Entwürfen – aber auch konstruktive Mitarbeit.
       
   DIR Umgestaltung der Bergmannstraße: Fremdeln in der Zone
       
       Am Dienstagabend geht die Bürgerbeteiligung zur „Begegnungszone“ in der
       Kreuzberger Bergmannstraße in die zweite Phase. Gegen das Projekt regt sich
       Widerstand.