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       # taz.de -- Die queere Community Berlins feiert: Warum der CSD noch wichtig ist
       
       > Zum 39. Mal gehen am Samstag Lesben und Schwule, Bisexuelle und
       > Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle für ihre Rechte auf die
       > Straße.
       
   IMG Bild: Party und Politik, kurz CSD
       
       Es gibt viele Gründe, warum der Christopher Street Day immer noch wichtig
       ist. Auch in seiner 39. Auflage. Auch im Jahr 2017, wo doch nun schon die
       Ehe für alle beschlossen ist, wie ein Kollege anmerkte und zugespitzt
       fragte: „Warum braucht Ihr denn noch den CSD?“
       
       Ich kann hier nur für mich sprechen und vielleicht noch für meinen Mann,
       mit dem ich queerpolitische Themen rauf und runter diskutiere. Denn das
       „Ihr“ ist schwierig, weil es die queere Community nicht gibt; weil die
       queere Gemeinde in viele Subszenen zerfällt. Und alle erheben entweder
       Anspruch auf den CSD oder lehnen ihn ab.
       
       Der CSD ist immer noch wichtig, aus so vielen Gründen. Weil jetzt auch
       schon entfernte Verwandte AfD-Phrasen dreschen, ohne sie zu hinterfragen.
       Weil braunes Gerede eine Gefahr für ein demokratisch aufgestelltes
       Gemeinwesen darstellt. Weil am Ende Leute wie wir, Angehörige einer
       Minderheit, dafür büßen müssen, falls es mal „wieder anders kommt“ – was
       nicht wenige AfDler, und nicht nur die, insgeheim hoffen. Weil die AfD doch
       allen Ernstes beim diesjährigen CSD mitmarschieren wollte (mit Marschieren
       kennen die sich ja aus) und nun die Veranstalter als „Vorfeldorganisation
       von Rot-Rot-Grün“ schmäht.
       
       Der Christopher Street Day ist nach wie vor so verdammt wichtig, weil es
       Meldungen wie diese von Anfang März gibt: „Ein 39-Jähriger ist Samstagfrüh
       in einer Straßenbahnline schwulenfeindlich angegriffen und verletzt worden.
       Wie die Polizei mitteilte, war der Mann mit seinem Lebensgefährten mit der
       M10 unterwegs, als er vor dem U-Bahnhof Bernauer Straße von zwei Männern
       und einer Frau gefragt wurde, ob er schwul sei. Als er dies bejahte,
       beschimpfte das Trio den 39-Jährigen homophob, schlug ihm ins Gesicht und
       mit einer Flasche auf den Kopf.“
       
       Die M10 verbindet Moabit und Prenzlauer Berg mit Friedrichshain. Am
       Mauerpark steigen gerade abends und nachts viele junge Leute ein und an
       der Warschauer Brücke wieder aus und umgekehrt. Die Tram heißt deshalb
       „Partybahn“ und gilt als sicher für alle Mitreisenden. Mein Mann und ich
       benutzen die M10 regelmäßig, auch nachts. Bislang mit gutem Gefühl.
       Zumindest galt das bis zu jenem Vorfall. Mein erster Gedanke damals: „Wenn
       so was schon in der M10 passiert!“
       
       Der CSD ist so nötig, weil es von Vorfällen dieser Art immer noch viel zu
       viele gibt. Das schwule Antigewaltprojekt Maneo hat in seinem Jahresbericht
       2016 insgesamt 291 Übergriffe und Gewalttaten gegen Homo- und Transsexuelle
       in Berlin gezählt. Die Delikte reichten von Beleidigungen (19 Prozent) über
       Körperverletzung (32), Nötigung und Bedrohung (26) bis zu Raubstraftaten
       (14). Die Fallzahlen lägen damit auf einem „gleichbleibend hohen Niveau“,
       so Maneo-Projektleiter Bastian Finke.
       
       Ehrlich gesagt ist das alles zum Kotzen. Und ein Grund, auf die Straße zu
       gehen und – Achtung, ein abgedroschenes, aber stimmiges Bild – Flagge zu
       zeigen.
       
       PS: Der Christopher Street Day wird übrigens nur bei uns so genannt.
       Überall sonst auf der Welt heißt es auf Englisch „Pride“, auf Deutsch also:
       Stolz.
       
       21 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
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