# taz.de -- Kommentar Brief an die Deutschtürken: In guten wie in schlechten Zeiten
> Außenminister Sigmar Gabriel wendet sich an die türkischstämmigen
> Deutschen. Das zeugt nicht von staatsbürgerlicher Gleichheit.
IMG Bild: Eigentlich Gabriels Job: mit Kollegen wie dem türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu (r.) reden
Via Bild-Zeitung richtete sich Außenminister Sigmar Gabriel mit einem Brief
an die Deutschtürken, um ihnen mitzuteilen, sie gehörten auch in
schwierigen Zeiten „zu uns“. Dieser Brief ist eine schlechte Botschaft, da
er vor allem sagt: Auch im Jahr 2017 betrachtet die Bundesregierung die
Bürger mit türkischem Hintergrund als äußere Angelegenheit.
Diesen Brief hätte es nicht geben dürfen. Denn das republikanische
Selbstverständnis verlangt, dass Staatsbürger unabhängig von ihrer
ethnischen und religiösen Zugehörigkeit als Gleiche unter Gleichen
behandelt werden. Das sollte man nicht extra betonen müssen.
Muss man aber, denn mit dem Bewusstsein staatsbürgerlicher Gleichheit ist
es in Deutschland nicht weit her. Auch 17 Jahre nach der Reform des
Staatsangehörigkeitsrechts ist die Auffassung weit verbreitet, es gäbe
Deutsche erster und zweiter Klasse. Deutschtürken gehören für viele nicht
zum republikanischen Wir.
Angesichts der angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland
hätte es eines anderen Briefes bedurft. Eine hochrangige Repräsentantin der
Bundesregierung hätte die Mehrheitsgesellschaft daran erinnern können: Die
Bürgerinnen und Bürger mit einem biografischen Bezug zur Türkei gehören
auch in schwierigen Zeiten zu Deutschland. Um sie dann aufzufordern, die
polarisierenden Debatten zu beenden, die die Gesellschaft in ein Wir und
Ihr teilen.
Das hätte ein wichtiges Signal an die Deutschtürken sein können. Viele von
ihnen sind dieser Tage beunruhigt. Sie wissen, dass sie in den
zurückliegenden vierzig Jahren häufig die Zeche zu zahlen hatten, wenn es
zu Verwerfungen im deutsch-türkischen Verhältnis gekommen war. Manches Mal
mussten sie auch bluten und sterben, weil die Mehrheitsgesellschaft und
ihre missratenen rechtsradikalen Kinder einfach schlechte Laune hatten und
Sündenböcke brauchten.
Dass sich Interessenvertretungen wie die Türkische Gemeinde in Deutschland
beim Außenminister artig für den Brief bedankten, kann nun zweierlei
bedeuten: Entweder man ist in seinen Ansprüchen sehr bescheiden geworden.
Oder aber die Türkische Gemeinde und ihre Mitglieder teilen die Sicht, dass
man nicht zum republikanischen Wir Deutschlands gehört. Das wiederum wäre
sehr, sehr schade.
24 Jul 2017
## AUTOREN
DIR Eberhard Seidel
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