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       # taz.de -- Steuergelder in Italien: Bizarrer Streit um Amri-Leiche
       
       > Der Bürgermeister von Sesto San Giovanni will die Kosten des
       > Leichenhauses in Mailand nicht tragen. Dort wurde der tote Attentäter
       > Anis Amri aufbewahrt.
       
   IMG Bild: Der getötete Attentäter Anis Amri auf dem Markt im Ort Sesto San Giovanni
       
       Rom taz | „Irrsinn!“ Als der Bürgermeister der norditalienischen Stadt
       Sesto San Giovanni letzte Woche aus Mailand die Rechnung für die
       Aufbewahrung der Leiche Anis Amris erhielt, war seine Reaktion eindeutig:
       Gezahlt wird nicht. 2.160,18 Euro will die Gemeinde Mailand von Sesto San
       Giovanni eintreiben, weil der Körper des tunesischen Terroristen mehr als
       sechs Monate im Eisfach eines Mailänder Leichenhauses gelegen hatte, doch
       Bürgermeister Roberto Di Stefano erklärte, er wolle die ausstehende
       Forderung nicht begleichen.
       
       Dabei ist die Rechtslage eindeutig. Für die Aufbewahrung einer von
       niemandem beanspruchten Leiche muss die Gemeinde aufkommen, in deren Gebiet
       der Todesfall eingetreten ist. Anis Amri, der Attentäter des Berliner
       Weihnachtsmarkts, war am 23. Dezember 2016 nach tagelanger Flucht bei einem
       Feuergefecht mit zwei Polizisten vor dem Bahnhof von Sesto San Giovanni
       erschossen, dann aber ins Leichenhaus von Mailand gebracht worden.
       
       „Es interessiert mich absolut nicht, wenn das nationale Gesetz vorsieht,
       dass die Post-mortem-Ausgaben für eine von niemandem beanspruchte Person
       zulasten der Gemeinde gehen, wo er gestorben ist“, gab der Bürgermeister
       kund, schließlich „sprechen wir hier von einem Monster, das keinerlei
       Barmherzigkeit verdient hat“.
       
       ## Sechs Monate im Leichenhaus
       
       „Das Geld meiner Bürger“ jedenfalls, so Di Stefano, werde er nie und nimmer
       herausrücken, um „dieser schändlichen und beleidigenden Forderung
       nachzukommen“. Und um deutlich zu machen, dass es ihm ernst ist, schrieb er
       umgehend an Italiens Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni, teilte ihm seine
       Haltung mit und forderte ihn auf, „aktiv zu werden, damit die Rechnung von
       der tunesischen Regierung beglichen wird“.
       
       Amris Leiche hatte mehr als sechs Monate in dem Mailänder Leichenhaus
       gelegen; erst am 29. Juni 2016 wurde sie schließlich nach Tunesien
       ausgeflogen und dort der Familie übergeben. Gleich aus mehreren Gründen
       hatte sein Fall in Italien hohes Aufsehen erregt. Amri war im Februar 2011
       als Flüchtling aus Tunesien nach Lampedusa gelangt. Im Oktober des gleichen
       Jahres kam er in Haft, weil er in seiner Flüchtlingseinrichtung einen Brand
       gelegt hatte, und saß bis zum Mai 2015 in Italien ein.
       
       Zu den Opfern seines Anschlags auf dem Berliner Weihnachtsmarkt vom 19.
       Dezember 2016, der insgesamt zwölf Menschenleben forderte, zählte auch eine
       junge Italienerin. Und schließlich führte ihn seine Flucht wieder zurück
       nach Italien. Amri reiste über Lyon und Turin nach Mailand, dort nahm er
       einen Bus in die Nachbarstadt Sesto San Giovanni.
       
       Als ihn zwei Streifenpolizisten in der Nacht des 23. Dezember
       kontrollierten, zog Amri eine Pistole, eröffnete das Feuer und verletzte
       einen der beiden Polizisten. Dessen Kollege gab daraufhin den Todesschuss
       auf Amri ab. Am 29. Juni 2017 schien die Akte Amri mit der Überstellung der
       Leiche nach Tunesien endgültig geschlossen. Mit dem Streit um die Rechnung
       des Leichenhauses ist sie wieder offen.
       
       23 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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