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       # taz.de -- Komplize einer Militardiktatur: VW und die Folterknechte
       
       > Volkswagen soll in Brasilien während der Militärdiktatur Arbeiter an die
       > Polizei verraten haben. Mutterkonzern und Gewerkschafter bleiben fast
       > stumm.
       
   IMG Bild: In Brasilien lieferte VW wiederholt Mitarbeiter der Folter aus
       
       HANNOVER taz | Es geht um eine heftige Missachtung der Arbeitnehmerrechte:
       Volkswagen soll während der Militärdiktatur in Brasilien aktiv an der
       politischen Verfolgung von Oppositionellen mitgewirkt haben. Doch gemessen
       daran, was gerade durch Recherchen des NDR, des SWR und der Süddeutschen
       Zeitung bekannt geworden ist, sind die Reaktionen der Arbeitnehmervertreter
       sehr zurückhaltend. Während die IG Metall sich derzeit noch gar nicht
       äußern möchte, schreibt der Betriebsrat von Volkswagen, dass er sich für
       eine „rückhaltlose Aufklärung“ dieses Kapitels der VW-Geschichte einsetzt –
       ohne Forderungen an das Unternehmen.
       
       Öffentlich sind die Vorwürfe schon seit 2015. Ehemalige Beschäftigte des
       Werkes in der Nähe von Sao Paulo werfen der Konzerntochter VW do Brasil
       vor, „schwarze Listen“ mit Namen und Adressen von Mitarbeiter angelegt zu
       haben und Informationen an die Politische Polizei in Brasilien weiter
       gegeben zu haben.
       
       In Brasilien übernahm 1964 das Militär nach einem Putsch die Macht und
       regierte bis 1985. Linke und kommunistische Oppositionelle wurden gerade in
       den ersten Jahren unterdrückt. Es soll staatliche Morde und Folter gegeben
       haben. Seit 2010 werden die Verbrechen von der sogenannten Brasilianischen
       Wahrheitskommission untersucht.
       
       Ein unabhängiges Gutachten, dass Volkswagen selbst zur Prüfung der
       Ereignisse in seinem Werk in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Ergebnis,
       dass es tatsächlich „eine regelmäßige Zusammenarbeit“ zwischen dem
       sogenannten Werksschutz und der Politischen Polizei sowie der
       Militärpolizei gegeben hat.
       
       „Ich habe Belege dafür gefunden, dass im Jahr 1972 sechs VW-Mitarbeiter
       verhaftet wurden“, sagt [1][Christopher Kopper, Professor der Uni
       Bielefeld], der von VW mit dem Gutachten beauftragt wurde und als Experte
       für Unternehmensgeschichte gilt. VW habe etwa Flugblätter, die im Werk
       gefunden wurden, an die Polizei weitergegeben und Verhaftungen auf dem
       Werksgelände zugelassen. „Sie haben zumindest die Aufmerksamkeit auf die
       VW-Mitarbeiter gezogen“, sagt Kopper.
       
       Einige der ehemaligen Mitarbeiter berichteten davon, dass sie nach ihrer
       Verhaftung gefoltert wurden. „VW hat die Folter nicht veranlasst“, sagt
       Kopper. Dennoch habe der Konzern auch nicht verhindert, dass die
       Mitarbeiter verfolgt wurden. „Sie hätten die Flugblätter nicht melden
       müssen.“
       
       Der VW-Konzern äußert sich derzeit zu den inhaltlichen Vorwürfen nicht,
       bestreitet aber auch nicht, dass es die Kooperation mit der Militärdiktatur
       gegeben hat. Man wolle die Ergebnisse des Abschlussberichtes des Gutachtens
       abwarten, sagt Konzernsprecher Eric Felber. Dieser läge noch nicht vor. Man
       treibe aber „die Aufarbeitung der Rolle des Unternehmens mit der gebotenen
       Notwendigkeit, Konsequenz und Sorgfalt voran“, sagt Felber.
       
       Das 125 Seiten starke Gutachten ist jedoch schon fertig und liegt VW seit
       Sonntag vor, sagt Gutachter Kopper, der für seine Recherchen nicht nur die
       VW-Archive durchforstet, sondern auch drei Wochen lang in Brasilien mit
       Betroffenen gesprochen und Originaldokumente gesichtet hat. Sein Problem:
       Nach dem Ende der Militärdiktatur sei ein erheblicher Teil der Akten der
       Politischen Polizei vernichtet worden.
       
       Das Arbeiterforum für Wahrheit, Gerechtigkeit und Reparation in Brasilien
       hat bereits 2015 Klage gegen VW eingereicht und fordert eine Entschädigung.
       Allerdings habe es nach dem Ende der Militärdiktatur eine Amnestieregelung
       in Brasilien gegeben. „Das stellt beide Seiten von Strafverfolgung frei“,
       sagt der Historiker Kopper. Oppositionelle, die im Exil gelebt hatten,
       konnten zurückkehren, aber auch die Militärs wurden nicht für ihre Taten
       verurteilt. „Juristisch wird das nicht zu lösen sein“, sagt Kopper deshalb.
       Er glaubt aber: „Eine großzügige Geste ohne rechtliche Verpflichtungen
       würde in der Öffentlichkeit große Anerkennung finden.“
       
       Zu möglichen Entschädigungen gibt es von VW noch keinen Kommentar. Man
       werde sich nach den Ergebnissen des Gutachtens „über adäquate Maßnahmen
       verständigen“, so VW−Sprecher Felber.
       
       24 Jul 2017
       
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   DIR [1] https://ekvv.uni-bielefeld.de/pers_publ/publ/PersonDetail.jsp?personId=126464
       
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   DIR Andrea Scharpen
       
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