URI: 
       # taz.de -- Einsatz für Menschenrechtler Steudtner: Beten für die Meinungsfreiheit
       
       > In der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg beteten 40 Menschen für den in
       > der Türkei inhaftierten Menschenrechtler Peter Steudtner.
       
   IMG Bild: Wünsche für Peter Steudtner am Zaun der Gethsemanekirche
       
       Am 5. Juli wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist und
       Dokumentarfilmemacher Peter Steudtner von der türkischen Polizei
       festgenommen. Zwei Wochen später, am Montagabend um 18 Uhr, läuten in der
       großen backsteinroten Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg die Glocken: Die
       Berliner Gemeinde von Peter Steudtner ruft zum ersten Mal zum täglichen
       Gebet für ihr langjähriges Mitglied auf.
       
       Ab sofort werde die Kirche dafür jeden Tag für eine halbe Stunde geöffnet
       sein, informiert Pfarrer Christian Zeiske die etwa 40 Menschen, die
       gekommen sind. Zeiske kennt den 45-jährigen Peter Steudtner seit 17 Jahren,
       er hat seine Kinder getauft. Bereits am vergangenen Donnerstag hat er bei
       einer Fürbitte in dieser Kirche vor 150 Menschen für den Freund gesprochen.
       
       Beim Beten an diesem frühen Montagabend, an dem noch die Sonne scheint,
       geht es nicht darum, große Worte zu machen. Zeiske liest den Psalm 18,
       „Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter“. Dann bittet er Peters Freunde
       aus Mosambik zu singen – ehemalige VertragsarbeiterInnen der DDR, die vor
       Kurzem in Berlin eine mosambikanische ökumenische Gemeinde gegründet haben.
       Peter Steudtner hat in Mosambik gelebt, sich dort für die
       Wiedereingliederung von Kindersoldaten in lokale Gemeinschaften engagiert.
       
       Ein guter Ort ist die Gethsemanekirche für diesen Protest. In den 1980er
       Jahren war sie ein Sammelpunkt für die DDR-Friedensbewegung. Pfarrer Werner
       Widrat, der an dem Abend am Eingang die Gesangsbücher verteilt hat,
       unterstützte in der Zeit die oppositionellen Basisgruppen. Auch
       organisierte er Fürbitten für die zu unrecht Verhafteten in der DDR. „Es
       geht gar nicht anders, als das hier zu tun“, sagt er über das Beten für
       Steudtner.
       
       ## Bitte keine Gewalt
       
       Pfarrer Zeiske bittet Gott, dass Peter Steudtner in der türkischen
       Untersuchungshaft, in der er seit seiner Verhaftung sitzt, keine Gewalt
       erleben muss. Dann bittet er die Besucher seiner Kirche, für ihn eine Kerze
       anzuzünden. Währenddessen berichten manche, warum sie hier sind.
       
       Einer stellt sich als Rolf M. vor und sagt, er sei mit dem
       iranisch-schwedischen Informationsexperten Ali Garawi’yi bekannt, der
       gemeinsam mit Peter Steudtner einen Workshop bei jenem Seminar von Amnesty
       International leitete, bei dem beide gemeinsam mit acht weiteren
       Menschenrechtsaktivisten verhaftet wurden.
       
       Aber es sind auch Menschen gekommen, die weder viel mit den Verhafteten
       noch mit der Kirche zu tun haben.
       
       Ina St. ist mit ihrer elfjährigen Tochter aus Pankow gekommen, obwohl sie
       keine Christin ist. „Einfach aus Mitgefühl“, wie sie sagt.
       
       ## So hilflos
       
       Anna H. wohnt gleich gegenüber, auch sie ist sonst nie hier und kennt Peter
       Steudtner nicht. „Man ist so hilflos“, sagt sie.
       
       Nach einer halben Stunde ist tatsächlich alles vorbei. Manche setzen sich
       trotzdem noch einmal auf die Kirchenbank, als wollten sie noch nicht gehen.
       Als sei das Ritual, das nun seinen Anfang genommen hat, noch nicht geübt
       genug. Und als hofften sie, dass es das auch nie sein wird.
       
       Ab sofort ist die Gethsemanekirche täglich ab 18 Uhr geöffnet – auch für
       jene, die Peter Steudtner nicht kennen oder eher nicht so viel vom Beten
       halten.
       
       25 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
       ## TAGS
       
   DIR Pressefreiheit in der Türkei
   DIR Proteste in der Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Verhaftungen in der Türkei: Warum erst jetzt?
       
       Endlich ist Schluss mit Appeasement. Allerdings erst, seit ein
       Menschenrechtsaktivist in Haft kam, der bisher kaum mit der Türkei zu tun
       hatte.
       
   DIR Türkeipolitik und Türkeistämmige: Deutsch-türkische Spannungen
       
       Türkeistämmige sollten nicht für türkische Politik verantwortlich gemacht
       werden, sagen türkische Organisationen. Kirche fordert Freilassung des
       inhaftierten Berliners.
       
   DIR Als Reaktion auf Inhaftierungen: Berlin verschärft Türkei-Politik
       
       Außenminister Sigmar Gabriel kündigt eine Neuausrichtung der deutschen
       Türkei-Politik an – mit Folgen für Tourismus und Wirtschaft.