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       # taz.de -- Räumung von Berliner Kiezprojekt: Polizei setzt auf Fake-News
       
       > In einem Tweet spricht die Polizei von „Lebensgefahr für unsere
       > Kollegen“. Schnell ist klar: Das ist Quatsch. Trotzdem wird er erst einen
       > Tag später korrigiert.
       
   IMG Bild: Harter Einsatz mit allen Bandagen: Polizei vor der Räumung der Friedel54 in Berlin-Neukölln
       
       Berlin (taz) | Die Polizei hat bei der [1][Räumung] des alternativen
       Kiezladens Friedel54 Ende Juni in Berlin-Neukölln die Öffentlichkeit
       „bewusst in die Irre geführt“; zudem hat sie „friedliche Demonstranten
       unter Generalverdacht gestellt, um ihren Einsatz zu rechtfertigen“. Diese
       Vorwürfe formuliert der Linken-Innenpolitiker Hakan Taş. Zusammen mit
       seinen Fraktionskollegen Anne Helm und Niklas Schrader hat Taş in fünf
       schriftlichen Anfragen das Einsatzgeschehen jenes Tages hinterfragt. Die
       Antworten liegen der taz exklusiv vor. Im Fokus: Die [2][Falschmeldung]
       über einen unter Strom gesetzten Türknauf.
       
       „Lebensgefahr für unsere Kolleg. Dieser Handknauf in der #Friedel54 wurde
       unter Strom gesetzt. Zum Glück haben wir das vorher überprüft“, hatte der
       Einsatzkanal der Berliner Polizei währen der Räumung am 29. Juni
       [3][getwittert]. Um 10.40 Uhr, genau 14 Minuten vor dem Tweet, hatten
       Beamte per Funk die Feuerwehr angefordert, weil sie tatsächlich davon
       ausgingen, dass an einer Kellertür im Innenhof Strom anliege. Ein
       eingeklemmtes Kabel veranlasste sie zu einer Messung mit einem
       Spannungsprüfer, der eine konstante Spannung von 230 Volt anzeigte, wie es
       in der Antwort auf die Anfrage heißt.
       
       Aus dem Wortprotokoll der abgesetzten Funksprüche geht hervor, dass die
       Einsatzzentrale statt der Feuerwehr Techniker von Vattenfall anforderte. Um
       12.04 Uhr konnten die Einsatzkräfte vor Ort Entwarnung geben: „Es lag kein
       Strom auf einer Klinke bzw. auf einem Geländer im Objekt, kommen, kein
       Strom, kommen“, so das Funkprotokoll. Nachfrage aus der Zentrale: „Ja, war
       die Firma Stromnetz schon da?“ Antwort: „Positiv“.
       
       Die anfängliche Vermutung, die zugleich einen schweren Vorwurf gegen die
       Demonstranten vor und in der Friedel54 darstellte, hatte sich in Luft
       aufgelöst. Und der Tweet? Er wurde weiterverbreitet, mit insgesamt 431
       Retweets und 497 Gefällt-mir-Angaben. Bis heute ist er nicht gelöscht.
       Zehntausende Menschen erreichte er damit allein auf Twitter und löste, wie
       Taş sagt, ein „erhebliches Echo in der rechten Szene“ aus. Auch viele
       Medien verbreiteten die Polizei-Meldung weiter, oftmals ohne die Dementi,
       die schnell von Seiten der Friedel-Aktivisten und ihres Rechtsanwaltes
       gekommen waren.
       
       Eine Richtigstellung der Polizei erfolgte erst 28 Stunden, nachdem die
       Einsatzkräfte vor Ort feststellten, dass kein gefährlicher Anschlag auf sie
       verübt werden sollte – wiederum per Statement auf Twitter: „Wir haben noch
       einmal genau bei unseren eingesetzten Kolleg. nachgefragt“, hieß es da.
       Wieso dies nicht zu einem früheren Zeitpunkt geschah, bleibt unbeantwortet.
       
       Taş bezeichnet den Vorgang als „nicht hinnehmbar“. Der
       Linkspartei-Abgeordnete spricht von einer inszenierten „Stimmung gegen
       Demonstranten“. Laut Polizei, so steht es in der Antwort auf die Anfrage,
       dient der Twitter-Einsatz dagegen einem gegensätzlichen Zweck: „Die
       Transparenz des polizeilichen Einsatzgeschehens dient der Deeskalation.“
       Wie Anspruch und Wirklichkeit zusammenpasst, soll die Polizei auf der
       nächsten Innenausschusssitzung, die allerdings erst im September nach der
       Sommerpause angesetzt ist, noch einmal genauer beantworten. „Darauf kann
       sie sich jetzt schon einmal vorbereiten“, so Taş.
       
       Bei dem Einsatz zur Räumung des sozialen Zentrums, das die ganze Nacht über
       von etwa 300 Demonstranten blockiert worden war, waren insgesamt 772
       Polizisten im Einsatz, darunter 39 in Zivil und zehn aus anderen
       Bundesländern. Bei 29 Demonstranten wurden Identitätsfeststellungen
       durchgeführt, einer wurde festgenommen. Gegen einen Polizisten wird wegen
       des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. Videoaufnahmen zeigen,
       wie dieser einer Demonstrantin ins Gesicht schlägt.
       
       Vorwürfe vieler Journalisten, dass ihre Arbeit durch die Polizei an jenem
       Tag massiv behindert wurde, weist die Senatsinnenverwaltung in ihrer
       Antworten zurück. Demnach habe es einen Pressebereich gegenüber der
       Friedel54 gegeben. Nur Journalisten, die der polizeilichen Anweisung nicht
       nachkamen, seien „aus dem zu räumenden Bereich gebracht“ worden, teils auch
       unter Ausübung „unmittelbaren Zwangs in Form von einfacher körperlicher
       Gewalt“.
       
       27 Jul 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Raeumung-der-Friedel-54/!5422151
   DIR [2] /Raeumung-der-Friedel54-in-Berlin/!5426014
   DIR [3] http://twitter.com/PolizeiBerlin_E/status/880348844403412992
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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