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       # taz.de -- Handyüberwachung bei G20: Demonstranten ausspioniert
       
       > Beim G20-Gipfel griff der Verfassungsschutz großflächig Daten aus dem
       > Mobilfunknetz ab. Die Methoden sind ungenau, Auskünfte für Betroffene
       > gibt es nicht.
       
   IMG Bild: Lange Antennen: Im hinteren Transporter wurden vermutlich Daten abgefangen
       
       HAMBURG taz | Eigentlich ist der weiße Bus recht unscheinbar. Wäre da nicht
       die gewaltige Antenne auf dem Dach. Aktivisten hatten das Auto am 9. Juli
       auf dem Netto-Parkplatz am Harburger Ring entdeckt und fotografiert. Das
       Fahrzeug war Teil einer Polizeikolonne, die sich auf den Weg zur
       Demonstration „Gesa to Hell – Nobody Forgotten, Nothing Forgiven“ gemacht
       hatte.
       
       Das Foto und die Aussagen der Aktivisten nahm die Harburger Links-Fraktion
       zum Anlass und stellte eine Anfrage an den Senat, um feststellen zu lassen,
       was in Harburg genau passierte. Was schon bekannt ist: In Hamburg wurden
       während des G20-Gipfels großflächig Handys von Demonstranten durch den
       Verfassungsschutz und die Polizei überwacht. Das geht aus einer Antwort des
       Senats auf eine Anfrage von Christiane Schneider (Die Linke) Anfang
       vergangener Woche hervor.
       
       Der Senat berichtet, dass 38 Anträge zur Erhebung von Funkzellenabfragen
       gestellt wurden. In 31 Fällen wurden „Stille SMS“ benutzt, um Verdächtige
       ohne ihre Kenntnis zu orten. Dabei werden leere SMS verschickt, von denen
       die Empfänger nichts mitbekommen.
       
       Sogenannte IMSI-Catcher kamen ebenfalls zum Einsatz. Einzelheiten werden
       nicht veröffentlicht, da dies „zu einer wesentlichen Schwächung der zur
       Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen“ würden,
       heißt es in der Antwort des Senats.
       
       Informationen können beispielsweise durch eine Funkzellenabfrage gewonnen
       werden. Dabei werden Verbindungsdaten erhoben, mit denen festgestellt
       werden kann, wer sich wie lange im Bereich einer Funkzelle aufgehalten hat.
       Diese Daten werden nachträglich erfasst und müssen bei den Netzbetreibern
       angefragt werden.
       
       ## Agenten im Funkmast-Kostüm
       
       Die International Mobile Subscriber Identity (IMSI) ist eine auf der
       SIM-Karte gespeicherte Nummer, die den Nutzer im Mobilfunknetz eindeutig
       identifizierbar macht. IMSI-Catcher gaukeln Mobiltelefonen vor, ein
       gewöhnlicher Funkmast zu sein. Das Handy verbindet sich für den Nutzer
       unbemerkt über einen IMSI-Catcher mit dem Mobilfunknetz. „Der Catcher ist
       in der Lage, die Verschlüsselung des Mobilfunknetzes aufzuheben und die
       Kommunikation zu überwachen“, erklärt Norbert Pohlmann, Leiter des
       Instituts für Internet-Sicherheit an der Westfälischen Hochschule.
       
       SMS, Verbindungsdaten und Telefonate können direkt mitgehört und
       gespeichert werden. Polizei oder Verfassungsschutz können mit dieser
       Methode auch Bewegungsprofile erstellen und die abgefangenen IMSI-Nummern
       für spätere Ermittlungen nutzen. Über spezielle Smartphone-Apps kann ein
       Eingriff zwar nachverfolgt, aber nicht verhindert werden.
       
       Diese Verfahren sind problematisch, weil auch Unbeteiligte technisch
       erfasst werden können. Außerdem erklärte die Bundesregierung vor dem Gipfel
       ausdrücklich, dass Sicherheitsbehörden keine derartige Überwachung geplant
       hätten. Trotzdem berichten Aktivisten, dass bei der „Welcome To Hell“-Demo
       am 7. Juli IMSI-Catcher zum Einsatz gekommen seien. Das sei durch spezielle
       Apps, die die Verbindungen ins Mobilfunknetz analysieren, erkannt worden.
       
       André Lenthe, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken in
       Harburg, bemängelt die fehlende Transparenz der Überwachungsmaßnahme: „Für
       Laien gibt es keine Möglichkeit festzustellen, ob sie betroffen sind.“ Ein
       Eingriff wie der mit IMSI-Catchern müsse einen zielgerichteten Verdacht
       haben und richterlich angeordnet sein.
       
       Bei einer von Experten geschätzten Reichweite von 300 bis 500 Metern wären
       auch zahllose Unbeteiligte betroffen. Es sei unklar, wie mit den Daten von
       Harburg umgegangen werde, weil die Überwachten keine Mitteilung über die
       Maßnahme erhielten, so Lenthe.
       
       ## Betroffene können nur raten
       
       Gesetzlich ist die Überwachung von unbeteiligten Dritten nur erlaubt, wenn
       „dies aus technischen Gründen“ unvermeidbar ist, um die IMSI-Nummer oder
       die Gerätenummer eines Verdächtigen zu erfassen. Die erfassten Daten dürfen
       nur zum Abgleich mit der gesuchten Person genutzt werden und müssen nach
       Abschluss der Maßnahme „unverzüglich“ gelöscht werden. Die
       Sicherheitsbehörden müssen die Überwachten nicht benachrichtigen.
       
       Der Linken-Politiker Lenthe kritisiert die unklare Absicht hinter der
       Überwachung. Es sei nicht ersichtlich, zu welchem Zweck die Kontrolle
       erfolgte. Die Demonstration sei friedlich verlaufen. Wie viele Menschen
       insgesamt ausspioniert wurden und nach wem gezielt gesucht wurde, ist nicht
       bekannt. „Das ist eine willkürliche Maßnahme und wir müssen Bürger vor
       Willkür schützen“, sagte Lenthe.
       
       Antworten der Hamburger Polizei zu Fragen zum Einsatz von IMSI-Catchern
       lagen bis Redaktionsschluss nicht vor.
       
       31 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philipp Steffens
       
       ## TAGS
       
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