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       # taz.de -- Ausstellung über Polenkönig Jan III.: Den Sieg in Bildern feiern
       
       > Zu Pferde ließ er sich am liebsten malen: Jan Sobieski, Bezwinger der
       > Türken vor Wien, kehrt in einer großen Schau an die Donau zurück.
       
   IMG Bild: Gemälde von Henri Gascar: Porträt der Familie von Jan III. Sobieski, 1691, Krakau, Königsschloss auf dem Wawel
       
       Der Name Jan Sobieski ist in Wien ein „household name“, wie es Stella
       Rollig, die Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, ausdrückt.
       Jedes österreichische Volksschulkind hat vom Polenkönig gehört, der im
       September 1683 mit seinem Entsatzheer kam und die Belagerung Wiens durch
       das osmanische Heer unter Großwesir Kara Mustafa beendete. Umso
       erstaunlicher ist es, dass der Polenkönig als Ikone in der Stadt praktisch
       nicht präsent ist.
       
       Nur zwei anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums 1983 gestiftete Gedenktafeln
       tragen sein Porträt: die eine enthält ein Profilrelief, das an der
       Sobieski-Kapelle auf dem Kahlenberg angebracht wurde, auf der anderen ist
       eine Reliefdarstellung en face zu sehen. Diese wurde von der
       Österreichisch-Polnischen Gesellschaft an der Außenseite der
       Augustinerkirche im 1. Bezirk montiert. Dort soll der siegreiche Feldherr
       am Tag nach der Schlacht die Messe besucht haben.
       
       Von den 94 Exponaten, die nun in der Ausstellung „Jan III. Sobieski. Ein
       polnischer König in Wien“ im Winterpalais des Prinzen Eugen in Wien zu
       sehen sind, kommen ganz wenige aus österreichischen Sammlungen. Darunter
       kein einziges Porträt des Monarchen.
       
       Umso reicher sind die polnischen Schlösser und Gedenkstätten, die Sobieski
       bauen ließ oder bewohnt hat, mit Bildern und Memorabilia ausgestattet. Mit
       seinem Hang zur Selbstinszenierung hat er durchaus etwas mit vielen
       zeitgenössischen Politikern gemein. So ließ er nicht nur Porträts,
       Reiterstandbilder und Schlachtengemälde anfertigen, die seinen Sieg über
       die Osmanen feierten, sondern veröffentlichte auch seine Feldpost an
       Ehefrau Marie Casimire, in denen er während der Militäroperation auch das
       Kampfgeschehen detailreich beschrieben hatte.
       
       Die Ausstellung ist keinem Jahrestag oder runden Jubiläum geschuldet.
       Vielmehr wurde sie dem Belvedere von den polnischen Museen angeboten, wie
       Konrad Pyzel, Co-Kurator und Direktor des Museums Schloss Wilanów in
       Krakau, erklärt. Die dreijährige Vorbereitung sei dann auch ein
       willkommener Anlass gewesen, dem polnischen Kultusministerium die Kosten
       für die Restauration etwas vernachlässigter Artefakte abzuluchsen. Unter
       den 29 Leihgebern sind die Schlösser bzw. Museen in Krakau, Warschau,
       Danzig und Posen besonders prominent vertreten.
       
       Die Polnisch-Litauische Union des 17. Jahrhunderts war eine Adelsmonarchie,
       in der der polnische König (gleichzeitig litauischer Großfürst) unter
       Beteiligung des gesamten Adels aufgrund nachweisbarer Meriten gewählt
       wurde. Jan Sobieski führte im November 1674, einen Tag nach dem Tod von
       König Michał Korybut Wiśniowiecki, bei Chotyn eine erfolgreiche Schlacht
       gegen die Osmanen an. Damit bot er sich gleichsam als natürlicher
       Nachfolger an.
       
       ## Liebender Vater
       
       Der Sultan, der halb Europa in die Tributpflicht gezwungen hatte, setzte
       damals zum Sturm auf Mitteleuropa an. Als die osmanischen Truppen über den
       habsburgischen Teil Ungarns herfielen, sahen sich Kaiser Leopold I. und
       Sobieski veranlasst, einen Beistandspakt zu schließen obwohl Leopold dem
       mit einer Französin verheirateten Polen, der mit Ludwig XIV. paktiert
       hatte, anfangs nicht über den Weg traute. Frankreich hatte ja mit der Hohen
       Pforte gegen die Habsburger konspiriert.
       
       Niemand wusste, ob Wien oder Krakau das nächste Ziel der Osmanen sein
       würde. Für den Fall einer Belagerung Wiens sagte Sobieski Truppen von
       40.000 Mann zu. Der Kaiser erließ Polen im Gegenzug alle Schulden und
       verpflichtete sich, mit den Einkünften der venezianischen Kirchen für den
       Sold der polnischen Soldaten aufzukommen. Ein Original dieses Offensiv- und
       Defensivbündnisses mit der Ratifikation und dem Siegel Sobieskis hat das
       Österreichische Staatsarchiv zur Ausstellung beigesteuert.
       
       Sobieski ließ sich, um seinen geringen Wuchs zu kaschieren, fast nur zu
       Pferde oder sitzend porträtieren. Neben Porträts in Feldherrenpose und
       Darstellungen des Gemetzels vor den Toren Wiens ist der König als
       Familienmensch dargestellt. Tatsächlich soll er ein liebender Vater gewesen
       sein, der seine Kinder, anders als beim Hochadel damals üblich, nicht
       fremden Erziehern überlassen hatte. Die Ehe mit der ehemaligen Hofdame
       Marie Casimire d’Arquien war eine echte Liebesverbindung.
       
       Sie stammte aus einem alten, aber verarmten französischen Adelsgeschlecht
       und soll die treibende Kraft hinter den dynastischen Ambitionen ihres
       Mannes und dem lukrativen Postenschacher am Hof gewesen sein. Auf einem
       Familienporträt des Hofmalers Jerzy Eleuter Szymonowicz-Siemiginowski ist
       Jakub, der einzige Sohn, der das Mannesalter erreichte, mit königlichen
       Attributen ausgestattet.
       
       Nach dem erfolgreichen Entsatz von Wien versuchte Sobieski erfolglos,
       seinen halbwüchsigen Spross als König des von den Osmanen teilweise
       geräumten Ungarn zu installieren. Und obwohl er Jakub schon in jungen
       Jahren in offizielle Staatsgeschäfte mit einbezog und durch die
       Verheiratung mit der Tochter des Kurfürsten Wilhelm von der Pfalz zum
       Schwager des Kaisers machte, verweigerte der polnische Adel später dessen
       Wahl.
       
       ## Mäzen von Kunst und Wissenschaft
       
       Den polnischen Ausstellungsmachern war auch sehr daran gelegen, den
       populären König als Mäzen von Kunst und Wissenschaft zur Geltung zu
       bringen. Mit seiner Prachtentfaltung hat er einige Baumeister und Maler
       reich gemacht. Er finanzierte aber auch die Ausbildung junger Talente, die
       später an den europäischen Fürstenhöfen Karriere machen sollten, und umgab
       sich mit Intellektuellen verschiedener Nationen. Der Astronom und
       Bierbrauer Johannes Hevelius dankte dem König die Förderung, indem er eine
       von ihm entdeckte Sternenkonstellation nahe dem Himmelsäquator als scutum
       sobiescianum (Schild des Sobieski) in seinen Himmelsatlas aufnahm. Noch
       heute kennt man das Sternbild als Schild.
       
       Als eines der Zugeständnisse, das Sobieski Kaiser Leopold für den Beistand
       gegen die Osmanen abringen konnte, durfte er sich großzügig an der
       Kriegsbeute bedienen. Deswegen sind die meisten der von Kara Mustafa
       zurückgelassenen Zelte, Waffen und Kunstgegenstände heute in Polen zu
       bewundern. Nur ein kleiner Teil wie ein Prunksattel, ein reich verzierter
       Dolch und eine vergoldete und mit Rosshaar geschmückte Bunchuk-Standarte
       sind nach Wien gereist. Wie damals üblich, sind muslimische Beutestücke zur
       besonderen Demütigung des Feindes für katholische Riten in Besitz genommen
       worden. So ließ der König wertvolle Stoffe zu Priesterornaten umschneidern.
       Einer davon ist in der Ausstellung zu sehen.
       
       Wenn Sobieski in Wien als treuer Verbündeter in der Stunde der Not in
       Erinnerung bleibt, so genießt er in Polen Heldenstatus. „Ins kollektive
       Gedächtnis hat dieser sich vor der Folie der Teilungen Polens Ende des 18.
       Jahrhunderts in zweierlei Weise eingeschrieben – als ungenutzter, schlecht
       angelegter Sieg und als letzter großer Triumph zugleich“, schreibt die
       Barock-Spezialistin und Co-Kuratorin Maike Hohn im Katalog.
       
       ## Politiker missbrauchen den „Türkenbezwinger“
       
       Auch später wurde Sobieski gerne zum Bedienen nationalistischer Gefühle
       benutzt. Und auch heute noch missbrauchen Politiker den „Türkenbezwinger“,
       um die Abschottung des Landes gegen Flüchtlinge aus der islamischen Welt zu
       rechtfertigen, sagt Konrad Pyzel, der vor allem Abgeordnete der regierenden
       rechtsnationalistischen PiS beobachtet hat, die sich auf Sobieski berufen.
       
       Ob sich Sobieski und Prinz Eugen, der als junger Offizier am Entsatz von
       Wien beteiligt war, je begegnet sind, ist nicht dokumentiert. Seine große
       Zeit kam erst zwei Jahrzehnte später, als er das Osmanische Reich Schlacht
       um Schlacht aus dem Habsburgerreich zurückdrängte. Dennoch ist das barocke
       Winterpalais des großen Feldherrn, das mit gigantischen Schlachtengemälden
       ausgestattet ist, sicher ein passender Rahmen für diese Ausstellung.
       
       Ob das Belvedere dieses vor wenigen Jahren restaurierte Palais künftig
       weiter bespielen darf, ist allerdings zurzeit unklar. Der Vertrag mit dem
       Finanzministerium, dem das Gebäude gehört, läuft im November aus. Ob er
       verlängert wird, entscheidet sich wohl erst nach den Wahlen vom 15.
       Oktober.
       
       25 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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