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       # taz.de -- Österreichs Fußballerinnen: Ordentlich Schmäh
       
       > Ab ins Halbfinale: Bei der EM sorgen die Österreicherinnen dafür, dass
       > ihren Landsleuten der Frauenkick nicht mehr „blunzn“ ist.
       
   IMG Bild: Die Spielerinnen des österreichischen Teams freuen sich wie Bolle über den Sieg gegen Spanien
       
       's-Hertogenbosch taz | Am späten Donnerstagnachmittag wird Mirjam Wolf im
       Rat-Verlegh-Stadion in der Kabine der Österreicherinnen wieder ihre
       großformatigen Zettel aufhängen. Die Ziele des Teams sollen dann auch vor
       der Halbfinalpartie gegen Dänemark (18 Uhr) visualisiert werden. „Vor jedem
       Spiel sind diese Zettel sehr präsent im Raum“, erklärte die Mentaltrainerin
       Wolf am Sonntag in den Stadionkatakomben von Tilburg, nachdem ihre
       Spielerinnen gerade das Elfmeterschießen gegen Spanien für sich entschieden
       hatten. Obenauf lag der Zettel mit dem Wort „Verantwortung“. Was sich
       darunter alles verbarg, wollte Wolf lieber nicht offenbaren.
       
       „Unglaublich, was mental in uns steckt“, staunte Torhüterin Manuela
       Zinsberger über sich selbst und ihre Kolleginnen, die ihre psychische
       Stärke hervorhoben. Der EM-Neuling war angereist, um ein paar Punkte zu
       holen, wie Laura Feiersinger im Rückblick ungläubig rekapitulierte, nun
       steht man vorm Einzug ins Finale. Mit der Sportpsychologin Wolf arbeitet
       Trainer Dominik Thalhammer bereits seit seinem Amtsbeginn 2011 zusammen.
       „Wenn du einen Trainer hast, für den der mentale Bereich genauso wichtig
       ist wie das taktisches Training, dann ist das natürlich eine gute Basis“,
       sagt Wolf.
       
       Die Langfristigkeit des österreichischen Arbeitens wird oft übersehen, wenn
       von dem Überraschungsteam dieser EM die Rede ist. Thalhammer ist seit 2011
       auch Leiter des Nationalen Zentrums für Frauenfußball in St. Pölten, er ist
       für den Nachwuchs mitverantwortlich und hat das große Ganze im Blick. In
       den letzten Jahren wurden die Österreicherinnen in der Bundesliga auch
       immer gefragter. Aus dem derzeitigen EM-Kader sind 14 Spielerinnen in
       Deutschland aktiv.
       
       Dass jetzt das Team als Spaßtruppe für Schlagzeilen sorgt und in der Heimat
       die TV-Einschaltquoten in historische Höhen treibt – über eine Million
       Zuschauer beim Viertelfinale –, ist nicht allein den jüngsten Entwicklungen
       geschuldet. Torhüterin Zinsberger, die im Team in die Entertainerrolle
       schlüpft, sagt, es sei für das Team immer wichtig gewesen, trotz aller
       Konzentration auch locker zu bleiben. „Das zeichnet uns aus, dass wir da
       die Balance finden.“
       
       ## Großartiges bewegt
       
       Auch die Gaga-Texte ihrer Lieder, die sie in den niederländischen Stadien
       gerade zum Besten geben, wenn sie in der Polonaise mit der Diskokugel durch
       die Katakomben tanzen, spiegeln ihre grundsätzliche Einstellung wieder,
       dass alles möglich ist: „Scheiß drauf, Holland ist nur einmal im Jahr.“ Die
       Kunst des Balancehaltens zeichnet das österreichische Team auch in anderen
       Bereichen aus. Im taktischen Bereich ist es Thalhammer gelungen, einen
       nahezu undurchlässigen Defensivverbund zu schaffen – in vier Spielen musste
       man nur einen Gegentreffer hinnehmen – und dennoch immer wieder einen
       gewissen Zug zum gegnerischen Tor zu entwickeln.
       
       Mindestens ebenso wichtig fürs Gleichgewicht im Team ist seine Gabe, sich
       im Erfolgsfalle nicht vordrängen zu müssen. Als die Nervenstärke seiner
       Elfmeterschützinnen zum großen Thema wurde, bekannte er gleich, dass er
       damit nichts zu tun habe, weil man solche Situationen im Training gar nicht
       nachstellen könne. Er verwies auf die Arbeit der Spielerinnen mit Mirjam
       Wolf. Zu den weiteren Aussichten und dem Erreichten sagt Thalhammer: „Wir
       sind immer noch Außenseiter, aber wir haben Großartiges bewegt und
       vielleicht den Mythos im Frauenfußball gebrochen, dass ein Außenseiter
       nichts erreichen kann.“ Das „vielleicht“ kann man getrost streichen. Ein
       Team, das bei seinem ersten EM-Auftritt gleich ins Halbfinale zog, gab es
       noch nie. Die Hierarchie des Frauenfußballs glich bis zuletzt einer
       Ständegesellschaft. Dänemark gehört mit sechs EM-Halbfinalteilnahmen zum
       erweiterten Kreis des europäischen Frauenfußballadels.
       
       Deshalb betont Trainer Thalhammer auch den weiteren Außenseiterstatus.
       Allerdings hat man Anfang Juli in einem Vorbereitungsspiel die Däninnen mit
       4:2 besiegen können. In Wien wird es auf dem Rathausplatz Public Viewing
       geben. Und die Rekorde der TV-Einschaltquoten werden wohl weiter purzeln.
       „Wir sind in einem Flowzustand, wo vieles funktioniert, ohne dass wir
       wissen, warum“, bekannte Thalhammer. „Wir versuchen jetzt auf der Welle
       weiterzuschwimmen.“
       
       1 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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