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       # taz.de -- Spielerin zum niederländischen Fußball: „Wir haben alles mit Ball gemacht“
       
       > Carola Winter, einst in Diensten von Twente Enschede, über die
       > Ernsthaftigkeit, mit der in den Niederlanden der Frauenfußball gepusht
       > wurde.
       
   IMG Bild: Szene aus dem Spiel England gegen Frankreich bei der EM in den Niederlanden
       
       taz: Frau Winter, vor zehn Jahren sind Sie als Bundesligaspielerin in die
       neu gegründete niederländische Ehrendivision gewechselt. Überrascht Sie,
       dass die Niederlande im Halbfinale stehen und Deutschland ausgeschieden
       ist? 
       
       Carola Winter: Nein. Die Professionalisierung in den Niederlanden wurde
       damals sehr abrupt vollzogen. Man startete mit sechs Klubs, die alle an
       männliche Profiklubs angeschlossen waren, und eröffnete auch diverse
       Juniorinnenteams. Die Mädchen wurden teilweise von weit her geholt. Von
       Anfang ging es dort viel ernsthafter zu als in Essen-Schönebeck.
       
       Der Ruf des niederländischen Frauenfußballs war damals noch recht schlecht. 
       
       Ja, aber es wurde ein radikaler Wandel vollzogen. Ich habe mich dort wie
       eine richtige Profispielerin gefühlt. Teilweise haben wir täglich zweimal
       trainiert. Und ich habe taktisch und technisch viel gelernt. Auf diese
       Bereiche wurde besonderen Wert gelegt. Da lag auch mein größeres Talent.
       Ich war nicht so der athletische Typ. Konditionsübungen wurden anders als
       in Essen immer mit Ball gemacht.
       
       Wie viele deutsche Spielerinnen gab es damals in der Ehrendivision? 
       
       Ich war die einzige. Mein Sportlehrer kam zufällig aus den Niederlanden und
       hat mir den Kontakt vermittelt. Der Verein lockte mich nach dem bestandenen
       Probetraining mit dem Angebot eines sicheren Studienplatzes.
       
       Und wie sah es mit der Bezahlung aus? 
       
       Die Wohnung wurde gestellt, das Psychologiestudium finanziert, und wir
       bekamen zweimal im Jahr Einkaufsgutscheine für einen Supermarkt, der
       Sponsor vom FC Twente Enschede war. Das ist nicht gerade viel, zumal wir
       viel investieren mussten. 30 Stunden pro Woche gingen bestimmt an den
       Fußball. Wir mussten auch Champions-League-Spiele der Männer anschauen.
       Dann wurden die am nächsten Tag taktisch auseinandergenommen. Wir haben
       viel diskutiert und auch auf dem Platz wurde großer Wert auf Kommunikation
       und Abstimmung gelegt.
       
       Wurde auch Wert auf Hierarchien gelegt? 
       
       Sehr. Ich dachte davor, in den Niederlanden geht es lockerer zu. Das war
       aber nur an der Uni der Fall. Unsere Trainerin redete fast nur über
       Fußball, Privates wurde außen vor gelassen.
       
       War der FC Twente da vielleicht ein Ausnahmefall? 
       
       Ich glaube schon, dass es im niederländischen Fußball ernster zuging. Im
       Nationalteam durften die Frauen damals auch außerhalb des Platzes die Haare
       nicht offen haben, sondern mussten einen Zopf tragen. Es hieß: Ihr seid
       Sportlerinnen, keine Frauen.
       
       Glauben Sie, dass heute noch so ein strenges Regiment herrscht? 
       
       Das kann ich nicht beurteilen, da fehlen mir die Kontakte.
       
       Wie gefällt Ihnen der bisherige Auftritt des niederländischen Teams? 
       
       Sehr gut. Sie spielen einen sehr sympathischen, technisch versierten
       Fußball. Mit der Innenverteidigerin Anouk Dekker habe ich noch
       zusammengespielt. Sie war damals schon eine Spielerin mit großem taktischem
       Verständnis, aber sie hat sich seither noch einmal unheimlich entwickelt.
       
       Wer gefällt Ihnen noch? 
       
       Ganz besonders mag ich Lieke Martens. Sie hat bislang ein tolles Turnier
       gespielt. Vivianne Miedema, die in den niederländischen Medien immer als
       Superstar angepriesen wird, hat mich dagegen noch nicht so überzeugt.
       
       Sie verfolgen die niederländische Berichterstattung? 
       
       Ja, mein Mann ist Niederländer. Die Begeisterung ist derzeit immens. Die EM
       ist auf allen Kanälen Thema Nummer eins. Kein Vergleich mit den
       Verhältnissen vor zehn Jahren. Das könnte dem Frauenfußball einen großen
       Schub geben.
       
       Das Halbfinale zwischen den Niederlanden und England wird an Ihrer alten
       Wirkungsstätte in Enschede ausgetragen. Fahren Sie hin? 
       
       Leider nicht. Aber mein Mann ist im Stadion.
       
       3 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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