URI: 
       # taz.de -- Kommentar Putschprozesse in der Türkei: Hintergründe bleiben ungeklärt
       
       > Im Strafverfahren wegen des Putschversuches in der Türkei geht es nicht
       > um Aufklärung – sondern um eine neue Geschichtsschreibung.
       
   IMG Bild: Proteste, als der frühere Luftwaffenchef Akin Ozturk zum Gericht geführt wird
       
       Der in der vergangenen Woche begonnene Prozess gegen Militärs und
       Zivilisten ist nicht das erste, aber wohl das wichtigste Verfahren, das die
       türkische Justiz zur Ahndung des Putschversuchs im Juli 2016 betreibt.
       Unter den insgesamt 486 Angeklagten sollen die führenden Köpfe der
       Putschisten sein. Sieben von ihnen sind flüchtig oder befinden sich im
       Ausland, wie der Hauptangeklagte Fethullah Gülen, der Chef der Gülen-Sekte,
       den der türkische Präsident Erdoğan für den Drahtzieher des Putschversuchs
       hält.
       
       Doch selbst wenn das stimmen sollte: Der Prozess wird kaum zur Aufklärung
       der Hintergründe des Putschversuchs beitragen. Er findet unter Bedingungen
       statt, die von rechtsstaatlichen Grundsätzen weit entfernt sind. Ein
       Massenprozess, in dem die Angeklagten längst vorverurteilt sind und nun
       gegenüber einer parteiischen Justiz ihre Unschuld beweisen sollen.
       
       So dürfte der ehemalige Luftwaffengeneral Akın Öztürk, der von der
       Staatsanwaltschaft als der militärische Führer des Putsches präsentiert
       wird, keine Chance haben, mit seiner Version der Putschnacht
       durchzudringen, nach der ihn Generalstabschef Hulusi Akar damit beauftragt
       haben soll, die Putschisten von ihren Plänen abzubringen. Nur deshalb sei
       er auf dem Luftwaffenstützpunkt gewesen, der als das Hauptquartier der
       Putschisten gilt.
       
       Schon der im vergangenen Jahr gebildete parlamentarische
       Untersuchungsausschuss, der die Putschnacht aufklären sollte, scheiterte
       daran, dass die AKP-Mehrheit die Vorladung der wichtigsten Zeugen
       verhinderte. Der daraufhin von Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu
       erhobene Vorwurf, das Ganze sei ein gelenkter Putsch gewesen, wird durch
       diesen Prozess nicht widerlegt. Der Massenprozess dient vielmehr der
       Geschichtsschreibung der Regierung, die in der angeblich heroischen Abwehr
       des Putsches den Gründungsmythos ihrer neuen Türkei sieht.
       
       8 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Putschversuch Türkei
   DIR Justiz
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR Putschversuch Türkei
   DIR taz.gazete
   DIR taz.gazete
   DIR Schwerpunkt Türkei
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Opposition in der Türkei: Erdoğan bekommt Konkurrenz
       
       Eine neue Partei rechts der Mitte soll im Oktober gegründet werden. Sie
       will vor allem den Nationalisten Wählerstimmen abjagen.
       
   DIR Gerichtsverfahren in der Türkei: Mammutprozess zu Putschversuch
       
       Gegen 486 mutmaßliche Putschisten läuft seit Dienstag in Ankara ein
       Prozess. Einige der Angeklagten sind auf freiem Fuß oder flüchtig, so auch
       Fethullah Gülen.
       
   DIR Bildung in der Türkei: Dschihad statt Republikgründung
       
       Die AKP-Regierung legt einen neuen Lehrplan vor. Nach den Sommerferien
       lernen die Schüler*innen dann über den Propheten oder die Putschnacht.
       
   DIR Ahmet Şık: „Ich verteidige mich hier nicht. Ich klage an.“
       
       Im Prozess gegen die 17 angeklagten Mitarbeiter der Zeitung Cumhuriyet
       wurde am Mittwoch der prominente Investigativreporter Ahmet Şık angehört.
       Wir dokumentieren seine Rede in Auszügen.
       
   DIR Als Reaktion auf Inhaftierungen: Berlin verschärft Türkei-Politik
       
       Außenminister Sigmar Gabriel kündigt eine Neuausrichtung der deutschen
       Türkei-Politik an – mit Folgen für Tourismus und Wirtschaft.