# taz.de -- Koloniale Vergangenheit und Gegenwart: Schleppende Aufarbeitung
> Nach drei Jahren bilanziert der Senat den Stand der Aufarbeitung von
> Hamburgs kolonialer Vergangenheit. Linksfraktion nennt Ergebnisse
> „peinlich“
IMG Bild: Steht in Wandsbek herum: Denkmal für den Feldzug in Ostafrika im Ersten Weltkrieg
Hamburg taz | Das Vorhaben war groß, die Bilanz fällt mager aus. Nicht eine
einzige nach Kolonialherren benannte Straße wurde offiziell umbenannt, seit
der Senat 2014 die Aufarbeitung von Hamburgs Kolonialvergangenheit
versprochen hat. Auf Initiative des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial und
auf ein fraktionsübergreifendes bürgerschaftliches Ersuchen hin hatte der
Senat vor drei Jahren das „Koloniale Erinnerungskonzept“ für einen
„Neustart der Erinnerungskultur“ erarbeitet. Ziel war es, eine Aufarbeitung
der Kolonialgeschichte anzustoßen und eine Debatte zum postkolonialen Erbe
zu führen.
Die Linksfraktion hat nun in einer großen Senatsanfrage den Stand der
bisherigen Umsetzung erfragt: „Peinlich“ seien die Ergebnisse. „Anscheinend
wurde der Senat erst durch unsere Anfrage daran erinnert, dass da mal was
war“, sagte der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch.
Er kritisierte, dass weder die Aufarbeitung in Museen in ausreichendem Maße
stattgefunden habe noch an Schulen und Universitäten genug passiere, und
dass die Einbeziehung der Zivilgesellschaft, insbesondere von People of
Colour, übergangen worden sei. Und „trotz dieser peinlichen Bilanz“ stelle
der Senat nicht einmal eine Besserung in Aussicht, sondern es drohe
vielmehr die Abwicklung des ganzen Projekts.
Damit spielt er auf die unsichere Zukunft der Forschungsstelle „Hamburgs
Postkoloniales Erbe“ an der Hamburger Universität an. Unter Leitung von
Professor Jürgen Zimmerer soll dort die theoretische Grundlage für die
Aufarbeitung von Hamburgs Kolonialvergangenheit erarbeitet werden. Die
Forschungsstelle ist zunächst für drei Jahre eingerichtet worden, die im
März 2018 vorbei sind. Ob sie weiter finanziert wird, ist unsicher. Der
Senat schreibt in seiner Antwort nur: „Die Überlegungen dazu sind noch
nicht abgeschlossen.“
„Wenn wir unsere Pforten schließen müssten, wäre dies bitter“, sagte
Zimmerer der taz. Das koloniale Erbe müsse weiter erforscht werden, alles
andere sei „ein fatales Signal auch über Hamburg hinaus für die
Aufarbeitung des Kolonialismus in Deutschland“.
Die Künstlerin Hannimari Jokinen, die Mitglied des Arbeitskreises
Postkolonial ist, äußerte deutliche Kritik. Das Senatspapier von 2014, das
sie nicht einmal als Konzept bezeichnen will, sei „von Beginn an ein
Fehlstart“ gewesen, weil die Communities der Betroffenen nicht an der
Erarbeitung beteiligt worden seien. „Ein Konzept zur Aufarbeitung der
Kolonialgeschichte kann nur gelingen, wenn die Nachkommen der
Kolonialisierten von Anfang an einbezogen werden“, sagte sie. Der
Arbeitskreis hatte die Senatspläne daher als „Top-down-Modell“ bezeichnet.
Daran habe sich nichts geändert, kritisierte Jokinen.
Auf die Frage, wie er zur Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen,
insbesondere Betroffener, stehe, antwortet der Senat zwar: „Eine aktive
Beteiligung an der Entwicklung des Erinnerungskonzepts ist unabdingbar.“
Auf die Frage, welche Pläne es dazu gebe, antwortet er aber nur, damit habe
er sich noch nicht befasst.
Die federführende Kulturbehörde wies die Vorwürfe zurück: Seit
Verabschiedung des Konzepts 2014 sei auf verschiedenen Ebenen viel
passiert, sagte eine Sprecherin. Als Beispiel führte sie die Projekte
vieler Museen an. Abschließend Bilanz ziehen werde man aber erst auf einer
Tagung 2018.
8 Aug 2017
## AUTOREN
DIR Katharina Schipkowski
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