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       # taz.de -- Die Wahrheit: Schluss mit den Eisbädern!
       
       > Neues aus Neuseeland: Es ist Winter auf der Südhalbkugel der Erde. Und es
       > gibt keine Heizungen. Bibber, bibber, schnatter, schnatter …
       
       Nach vierzehn Jahren und trotz doppelter Staatsbürgerschaft hadere ich bei
       aller Liebe noch immer mit drei unumstößlichen Säulen der Kiwi-Kultur.
       Erstens: der extreme Hang zur Nettigkeit, also die Angst, zu kritisieren.
       Zweitens: die Volksreligion Rugby. Drittens: der Mangel an Heizungen im
       Winter. Und da es hier noch immer Winter ist, fange ich doch gleich mal mit
       dem Kritisieren an und stelle fest, wie schnatterkalt es ist. Endlich gibt
       man mir recht. Und hoffentlich verwechselt uns jetzt niemand mehr
       klimatisch mit Australien.
       
       Das Wort „Zentralheizung“ habe ich seit meiner Auswanderung aus Wehmut
       verdrängt. Habe mir dafür ein paar schöne Wollplaids zugelegt und sitze
       hier mit Mütze und fingerlosen Handschuhen und schreibe, so wie einst Scott
       in seiner Hütte am Südpol. Abends Heizdecke im Bett, tagsüber zwei an den
       Füßen – man nennt sie auch Ugg-Boots. In jedem Zimmer eine andere
       Wärmequelle: Kamin, Umluftpumpe, lautes Elektrogebläse und lauwarme
       Heizparzellen. Der Toaster zählt auch mit. Von oben dann noch ein völlig
       nutzloses Pustesystem namens HRV, dass die stickige, warme Luft des
       Speichers in der Bude verteilt. Aber nur bei Sonnenschein. Also nicht im
       Winter.
       
       Meine Kinder haben sich trotz Frostbeulen eigentlich erstaunlich gut
       entwickelt. Ab dem Moment, als sie neuseeländischen Boden betraten, mussten
       sie nämlich barfuß laufen. Das gehört sich so und härtet ab. Dass sie
       unsere antipodischen Winter überlebt haben, ist gar nicht so
       selbstverständlich. Denn laut einer neuen Studie der Building Research
       Association Neuseelands sterben hier jedes Jahr fast 1.600 Menschen, weil
       ihre Häuser zu kalt sind. Die Durchschnittstemperatur innen liegt nämlich
       bei 17,8 Grad Celsius – unter der Empfehlung der
       Weltgesundheitsorganisation. In manchen Kiwi-Häusern braucht man keinen
       Kühlschrank mehr, denn dort herrschen knackige zehn Grad.
       
       Lungenschäden durch Asthma und Bronchitis sind der Killer. Seit 2001 hat
       sich die Zahl der Kranken verdreifacht. Professorin Philippa Howden-Chapman
       von der Otago-Universität in Dunedin hat jetzt offiziell bekundet, dass
       die gute alte Tradition von Wollmützen und -decken – siehe oben – allein
       nicht ausreicht: „Selbst viel kältere kontinentale Länder wie Kanada,
       Skandinavien oder Russland haben weniger Todesfälle im Winter.“
       
       Apropos Rugby: Dass Kälte auch für den Kiwi-Lieblingssport nichts bringt,
       hat eine andere Studie gezeigt, an der die Universität Auckland beteiligt
       war. Eisbäder, in die sich Spieler nach dem Match legen müssen, um ihre
       Muskeln zu kurieren und sich als harte Männer zu fühlen, sind sinnlose
       Folter. Sie verzögern nur die Erholung des Körpers.
       
       Auf all das Bibbern gibt es nur eine adäquate Antwort, und die heißt:
       Spa-Pool. Den habe ich mir zum 50. Geburtstag selbst geschenkt. Nicht aus
       Luxus oder wegen der Blubberei, sondern aus reiner Überlebensnot. Denn die
       Dauerbadewanne im Freien hat 39 Grad. Nur schreiben lässt sich darin
       schlecht.
       
       10 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
       ## TAGS
       
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