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       # taz.de -- Entführung von Trinh Xuan Thanh: Der Kommunist im Bundesamt
       
       > Ein in Deutschland lebender Vietnamese gibt dem kommunistischen Regime
       > politische Ratschläge. Er arbeitet für das Amt für Migration.
       
   IMG Bild: Der Arbeitgeber von Ngoc T.: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg
       
       BERLIN taz | Nun schaltet sich die Bundesanwaltschaft in den Fall Trinh
       Xuan Thanh ein: Am Donnerstagnachmittag gab die Behörde in Karlsruhe
       bekannt, die Ermittlungen wegen Entführung des vietnamesischen Expolitikers
       und seiner Begleiterin übernommen zu haben.
       
       Beide seien vor 18 Tagen „auf offener Straße“ in Berlin in einen
       Transporter gezerrt, in die vietnamesische Botschaft gefahren und später
       nach Vietnam gebracht worden, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Ermittelt
       werde daher wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und
       Freiheitsberaubung.
       
       Unterdessen prüft das Auswärtige Amt weitere Maßnahmen. Einen
       Geheimdienstmitarbeiter der vietnamesischen Botschaft hatte es vergangene
       Woche bereits ausgewiesen. Hanoi habe bisher nicht zur Aufklärung des
       Verschwindens von Thanh beigetragen, sagte ein Sprecher des Amtes.
       
       Vietnam sitzt die bilaterale Krise weiter aus – und präsentiert Thanh als
       freiwillig heimgekehrten Reuigen. Das Land wirft ihm, der früher auch als
       Unternehmer tätig war, Korruption und Unterschlagung in dreistelliger
       Millionenhöhe vor.
       
       ## Der Rat, es einfach auszusitzen
       
       In vietnamesischen Staatsmedien kommt nun ausgerechnet ein Mann zu Wort,
       der in Jena lebt und seit 26 Jahren im Dienst des Bundesinnenministeriums
       steht: als Sachbearbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
       (Bamf). Dort bearbeitet H. Ngoc T. Asylanträge. Seine Tätigkeit versteckt
       er nicht: Auf Facebook präsentiert T. an ihn adressierte Dankes- und
       Glückwunschschreiben des Bundesamts in aller Öffentlichkeit.
       
       Zu der offensichtlichen Entführung von Trinh Xuan Thanh schrieb H. Ngoc T.
       vergangene Woche: „Die deutsch-vietnamesischen Beziehungen werden unter dem
       Vorfall nicht leiden.“ Er rät dem Regime zum Aussitzen der Affäre. Auf
       seinem Facebookprofil vergleicht H. Ngoc T. den harten diplomatischen Kurs
       der Bundesregierung mit dem Vietnamkrieg: „Keine Angst! Früher haben es
       Frankreich und die USA nicht mit Gewalt geschafft, Vietnam in die Knie zu
       zwingen. Deutschland und die Deutschen bedrohen uns nicht.“
       
       Den Artikel hat der Chef des staatlichen Rundfunks Voice of Vietnam
       wiederum auf seiner Facebookseite geteilt – so gibt er seinen Mitarbeitern
       Handreichungen zur Berichterstattung.
       
       ## Treue zum vietnamesischen Regime blieb unbemerkt
       
       Nachdem das Bamf durch taz-Recherchen auf die Meinungsäußerungen des Mannes
       aufmerksam wurde, hat die Behörde ihn bis auf Weiteres von seiner Tätigkeit
       entbunden.
       
       Bislang blieb T.s Treue zum vietnamesischen Regime unbemerkt. Der
       Mittsechziger, der im Vietnamkrieg kämpfte und 1976 zum Jurastudium in die
       DDR kam, zeigt sich im Internet auch in Armeeuniform. Die Kommunistischen
       Partei Vietnams hat ihn mehrfach für Artikel ausgezeichnet, die er in der
       Parteizeitung Nhan Dan (Das Volk) veröffentlichte – der wohl
       konservativsten Zeitung Vietnams. „Für besondere Verdienste in der
       Auslandspropaganda“ steht auf einer Urkunde.
       
       In seinen Beiträgen spornt T. die Offiziellen in Hanoi auch schon mal an,
       „Verräter“ nicht zu schonen. Er meint damit Oppositionelle. 2016
       kritisierte er in einem Artikel der Parteizeitung sogar einen deutschen
       Parlamentarier. Der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt hatte in Hanoi einen
       Prozess gegen Oppositionelle beobachtet. Ngoc T. schrieb damals, der
       Deutsche habe sich brutal in die inneren Angelegenheiten Vietnams
       eingemischt.
       
       Kurz nach Silvester schrieb Ngoc T. einen Neujahrspost. Darin kündigt er
       an, 2019 in den Ruhestand zu gehen und „alles aufzuschreiben und zu
       erzählen, was ich bislang geheimhalten muss“. Mitarbeiter des Bundesamts
       sind indes an die „Treuepflicht und das Neutralitätsgebot“ gebunden.
       
       ## „Höchst problematischer“ Sachbearbeiter
       
       Nun stellen sich Fragen: Wie politisch darf ein Mitarbeiter einer
       Bundesbehörde sein? Darf er andere Staaten in Meinungsbeiträgen beraten, in
       Konflikten mit der Bundesrepublik? Und: Hat Ngoc T. auf die Antragsakten
       des Entführten Thanh zugegriffen?
       
       Beim Thüringer Flüchtlingsrat ist H. Ngoc T. schon länger bekannt, als
       „höchst problematischer“ Sachbearbeiter. Zurzeit werden Anträge
       vietnamesischer Staatsbürger laut der Bundesbehörde zwar nicht in Thüringen
       bearbeitet, wo T. tätig ist. Jedoch hat er, wie alle Sachbearbeiter,
       Zugriff auf sensible Akten. Das Bamf teilt mit: „Nach jetzigem
       Kenntnisstand ergibt sich kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem
       Mitarbeiter und dem mutmaßlichen Entführungsfall.“
       
       Der Menschenrechtler Vu Quoc Dung von der Organisation Veto! fürchtet
       dagegen, dass Unterlagen, die Trinh Xuan Thanh für seinen Asylantrag
       eingereicht hat, jetzt in Hanoi im Strafprozess gegen ihn verwendet werden
       könnten. Denn in seinen Artikeln nutzt H. Ngoc T. Wissen aus seiner
       Tätigkeit im Bundesamt.
       
       H. Ngoc T. war auf taz-Anfrage für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
       
       10 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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