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       # taz.de -- Kolumne Unter Leuten: In Inari, Lappland
       
       > Joik ist ein alter Gesang der Samen. Sara kann den gurgeldnen
       > Kehlkopfgesang und verkürzt damit die nachtlose Nacht.
       
   IMG Bild: Die Musikerin Sara Marielle Gaup
       
       In Lappland braucht man im Sommer kein Bier, um besoffen zu sein. Allein
       das Licht in Inari, einem finnischen Kaff etwa 250 Kilometer nördlich des
       Polarkreises, macht einen betrunken. Mittags wie abends steht die Sonne
       tief am Horizont. Die karge Landschaft, die intensiven Farben – nach ein
       paar Tagen fühlt es sich an wie in Trance. Mit meinem Kollegen Martin fahre
       ich über die Hauptstraße von Inari, die wie ein Feldweg zum Ende der Welt
       aussieht, bis zum Parkplatz des Kulturzentrums.
       
       Vor einer Bühne am Eingang stehen einige hundert Menschen. Sie lauschen dem
       Gesang einer Band, in einer fremden Sprache. Es ist die Sprache der Samen,
       der indigenen Einwohner Lapplands. Jeden Sommer kommen sie in Inari
       zusammen, um ihre Kultur zu feiern. Íjahis Ídja nennen sie ihr Fest:
       nachtlose Nacht.
       
       „Is schwer wat los“, sagt Martin im Ruhrpottslang. Wir öffnen ein Dosenbier
       und stellen uns dazu. Nun auf der Bühne: Sängerin Sara Marielle Gaup mit
       dem Bassisten Steinar Raknes. Die beiden spielen eine Mischung aus
       rauchigem Blues und gurgelndem Kehlkopfgesang. Der hat einen eigenen Namen:
       Joik.
       
       „Ein Joik ist ein alter Gesang der Samen“, erzählt uns Sara nach dem
       Konzert. „Es ist unsere Art, Gefühle auszudrücken – ganz ohne Worte.“ Sara
       trägt eine blaue, mit Mustern bestickte Tracht, der pechschwarze Pony fällt
       ihr tief in die Stirn. Noch bevor sie sprechen konnte, hat sie vom Vater
       das Joiken gelernt, sagt die 33-Jährige. Menschen, aber auch Tiere und
       Landschaften lassen sich damit genau beschreiben.
       
       Wie die samische Sprache war auch der Joik nach der Christianisierung
       Lapplands Tabu. Bis in die 80er Jahre durfte in Schulen und Kirchen nicht
       gejoikt werden. Erst mit dem Engagement der Sängerin Mari Boine gewannen
       die Samen an Mut zurück.
       
       Das Festival Íjahis Ídja endet tatsächlich in einer nachtlosen Nacht: Bis
       in den frühen Morgen wird in der Dorfkneipe gesungen, getanzt, getrunken.
       Schlafen? Dafür ist es draußen einfach zu hell.
       
       12 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philipp Eins
       
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