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       # taz.de -- Festival im Strandbad Weißensee: Was für die Ohren mit Seeblick
       
       > Eine Feier des Randständigen: etwas entfernt vom Zentrum in Weißensee,
       > mit einer Musik abseits des Mainstreams – das By the Lake Festival.
       
   IMG Bild: Festivalstimmung mit By the Lake in Weißensee
       
       Zuletzt hatte das Strandbad Weißensee einiges an Ärger zu verkraften. In
       der Nachbarschaft werden fleißig neue Wohnungen gebaut, und dabei wurde das
       Abwasserrohr des Bads beschädigt. Ein Monat lang musste es schließen, der
       Betreiber befürchtete bereits, er müsse Insolvenz anmelden. Dazu kommt,
       dass der Wasserspiegel des Sees, der über keinen direkten Zufluss verfügt,
       sinkt. Unter anderem, so wird vermutet, könnte der Klimawandel dafür
       verantwortlich sein.
       
       Das Strandbad hat nun jedoch wieder ganz normal geöffnet, und es kann davon
       ausgegangen werden, dass der Weißensee bis zum Sonntag genug Wasser hat, um
       sich auf diesem gemütlich auf einer Luftmatratze treiben zu lassen und
       nebenbei den musikalischen Darbietungen des By the Lake Festivals lauschen
       zu können.
       
       Zum dritten Mal findet das Festival nun statt. Zuerst bekam man ein Zuhause
       auf der Freilichtbühne Weißensee, im vergangenen Jahr auf der Bühne und im
       Strandbad, nun ist man komplett ins Strandbad gezogen. Festivalbesuch und
       Badetag werden so eins.
       
       ## Immer wieder anders
       
       Immer wieder anders, das gehöre zum Konzept von By The Lake, betont Tobias
       von zur Gathen, der das Festival miterfunden hat und immer noch für dessen
       Durchführung mitverantwortlich ist. Immer wieder anders ist auch das
       gebotene Programm, bei dem bevorzugt Acts zusammengestellt werden, deren
       Mischung anderen Festivalveranstaltern sicherlich zu bunt wäre. Im
       vergangenen Jahr spielten beispielsweise die dänischen Softpopper Laid
       Back, die in den Achtzigern mal den Hit „Sunshine Reggae“ hatten, genauso
       wie die marokkanischen Master Musicians of Jajouka mit ihrer
       bewusstseinsverändernden Trance-Folklore.
       
       An diesem Sonntag wird Janka Nabay aus Sierra Leone seine Bubu Music
       präsentieren, von der hier wohl kaum jemand weiß, was genau sich hinter
       dieser verbirgt, und auch die alte Krautrockkoryphäe Michael Rother wird
       auftreten. Man braucht durchaus einigermaßen offene Ohren, um mit diesem
       breiten musikalischen Spektrum etwas anfangen zu können.
       
       Darum aber soll es genau gehen, erklärt Tobias von zur Gathen, darum, ein
       Publikum anzusprechen, das sich traut, mal raus nach Weißensee zu fahren
       und „musikalische Überraschungen zu schätzen weiß“.
       
       ## Kuratiert in Dänemark
       
       Für die Musikauswahl beim By The Lake zuständig ist die Band Efterklang,
       die eine Weile in Berlin residierte, hier ihr Studio hatte, nun aber wieder
       zurück in Dänemark ist. Schon für das erste Festival wurde Efterklang die
       Musikauswahl überlassen, und das ist immer noch so, auch wenn das
       Kuratieren des Programms nun von Dänemark aus läuft. Zum Festival aber
       kommen die Musiker, deren Band gerade inaktiv ist, geschlossen nach Berlin.
       Zur Aftershow-Party werden sie im Kaffee Burger auflegen.
       
       Zur Besonderheit einer Veranstaltung wie By The Lake, glaubt von zur
       Gathen, gehöre unbedingt auch ein besonderer Ort. Weißensee sei deswegen
       perfekt, „der Stadtteil liegt etwas außerhalb und passt damit gut zu
       unseren etwas randständigeren Acts“. Anfangs habe es noch etwas
       Überzeugungsarbeit gebraucht, um direkt am See, wo es eigentlich ruhig und
       beschaulich zugehen soll, ein Musikfestival zu organisieren. „Doch
       inzwischen ist die Stimmung uns gegenüber sehr positiv.“
       
       Damit das auch so bleibt, habe er eben erst persönlich in der Nachbarschaft
       zum Strandbad Weißensee Zettel in den Briefkästen verteilt mit
       Informationen und dem Angebot, verbilligte Festivaltickets erstehen zu
       können. Wie bei einer WG-Party läuft das, von der man die Hausgemeinschaft
       ebenfalls unterrichtet und im besten Fall sagt: Schau doch einfach mal
       vorbei.
       
       Gleich beim ersten By The Lake kamen um die 1.000 Besucher, bei der
       zweitägigen zweiten Ausgabe des Festivals insgesamt 1.800, und für dieses
       Jahr erwartet von zur Gathen um die 700 bis 800. Nicht mehr? Wird kein
       Wachstum angestrebt, so wie das eigentlich jedes Festival im Sinn hat. Von
       zur Gathen winkt energisch ab, By The Lake sei für ihn lediglich ein Hobby,
       wenngleich ein zeit- und kostenintensives. „Niemand verdient bei uns im
       Festivalteam Geld. Wir sind alle tätig in der Musikbranche, dort haben wir
       unsere eigentlichen Jobs. Beim By The Lake wollen wir einfach mal, ohne
       Kompromisse eingehen zu müssen, das machen, worauf wir wirklich Lust
       haben.“ Und danach, ein zweites Lollapalooza für Berlin zu werden, scheint
       den By-The-Lake-Machern wohl nicht der Sinn zu stehen.
       
       12 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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