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       # taz.de -- Leuchten der Menschheit  vonWolfgang Gast: Können Roboter lügen?
       
       Wer kennt den Computer HAL 9000 nicht? In Stanley Kubricks „2001: Odyssee
       im Weltraum“ kontrolliert HAL unzählige Kameras, denen nichts entgeht. HAL
       9000 (für Heuristically programmed Algorithmic Computer) ist beauftragt,
       Astronauten zum Jupiter zu geleiten, muss aber zugleich die wahren Ziele
       der Mission vor ihnen geheim halten. HAL muss also die Weltraumfahrer
       belügen. Damit überschreitet er eine unsichtbare Schwelle, nämlich das Tor
       zu Selbstbewusstsein und kreativer Intelligenz.
       
       Dürfen Roboter also Menschen belügen? Vielleicht sollten sie. Sogenannte
       White Lies gehören zu den sozialen Normen, die es zu beherrschen gilt.
       Roboter werden in Zukunft vielleicht Patienten betreuen und dabei bestimmte
       Informationen zurückhalten müssen, aus Rücksicht. Das Gebot lautet also:
       Maschinen sollen lügen lernen. Aber leicht wird das nicht. Denn wer
       glaubhaft die Unwahrheit erzählen will, der muss schon einiges über die
       Welt und das Gegenüber wissen – vermutlich mehr als eine Maschine heute
       leisten kann.
       
       Die Computerlegende Alan Turing hat sich schon 1950 der Frage gewidmet:
       Können Maschinen denken? (Alan M. Turing: „Kann eine Maschine denken?“ In:
       Kursbuch 8. Suhrkamp, 1967) Er kommt zu dem Schluss: Eine Maschine ist dann
       in der Lage, zu denken, wenn sie es schafft, ein Spiel zu spielen, in dem
       es darum geht, dass man lügt. Der Turing-Test ist nicht unumstritten. 2014
       hat zum ersten Mal eine Maschine diesen Test bestanden – zumindest nach
       Meinung der Veranstalter von der Royal Society in London.
       
       Ein Programm namens Eugene Goostman überzeugte ein Drittel der Juroren
       davon, ein Mensch zu sein. Es simuliert einen 13-jährigen Jungen aus
       Odessa. Auch das sorgte für Kritik, denn von einem 13-jährigen Ukrainer
       erwartet man weder, dass er perfektes Englisch spricht, noch dass er
       besonders tiefsinnig antwortet. Dennoch: Dieses Programm kann einigermaßen
       erfolgreich vortäuschen, ein Mensch zu sein. Lügt Eugene Goostman also?
       
       Christian Vater, der an der Universität Heidelberg über Alan Turing und die
       Philosophie der künstlichen Intelligenz forscht, will nicht von lügenden
       Maschinen sprechen: „Solange eine Maschine nicht in der Lage ist, ihre
       eigenen Ziele zu verfolgen, also Intentionen zu entwickeln, intentionales
       Verhalten zu zeigen, dürfen wir nicht davon sprechen, dass sie in der Lage
       ist, zu lügen. Weil Lügen ein bewusster Akt ist.“
       
       Der Autorist Redakteur der taz.
       
       19 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolfgang Gast
       
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