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       # taz.de -- BERLINER VERWALTUNG: Schrittgeschwindigkeit in den Ämtern
       
       > Wer sein Auto in Berlin zulassen will, muss mit langen Wartezeiten
       > rechnen – auch wenn er einen Zulassungsdienst beauftragt.
       
   IMG Bild: Erst Stau bei der Zulassung, dann Stau auf der Straße
       
       Im Juni fiel das alte zwanzigjährige Auto durch den TÜV, also musste ein
       (kein ganz) neues her. Dann begann das Warten. „Eine Woche“, schätzte der
       Chef des Gebrauchswagenhändlers, er wollte eine schnelle Unterschrift unter
       den Kaufvertrag. Als alles unterschrieben war und der Chef den Raum
       verlassen hatte, sprach ein Mitarbeiter Klartext.
       
       „Bis zu vier Wochen“, sagte er, „selbst wenn Sie einen Zulassungsdienst in
       Anspruch nehmen, dauert es drei Wochen.“ Am Ende dauerte es zwei Wochen und
       vier Tage. Warten auf eine Dienstleistung, die in anderen Bundesländern
       allenfalls ein paar Tage in Anspruch nimmt. Wohlgemerkt, eine
       Dienstleistung, die sich die betreffende Kfz-Zulassungsstelle bezahlen
       lässt. Warten, während das alte Auto mit abgelaufenem TÜV auf dem Parkplatz
       stand – und prompt ein Knöllchen bekam. Berlin eben, sagt man da schnell
       und mit nachsichtigem Lächeln – wenn man nicht betroffen ist. Alle anderen
       schütteln den Kopf.
       
       Dass die beiden Kfz-Zulassungsstellen in Lichtenberg und Kreuzberg derzeit
       „failed Ämter“ sind, gibt inzwischen auch der Senat zu. Auf eine Anfrage
       des CDU-Abgeordneten Andreas Stazkowski räumte der Staatsekretär der
       Innenverwaltung, Christian Gaebler (SPD), ein: „Die zeitlich
       nächstgelegenen benötigten Besuchstermine liegen zurzeit regelmäßig 18
       Arbeitstage entfernt.“ Nicht viel besser haben es Kunden wie ich, die aus
       Zeitnot die Ansprüche eines Zulassungsdienstes in Kauf nehmen. Hier beträgt
       die Wartezeit laut Gaebler elf Arbeitstage in der Ferdinand-Schultze-Straße
       in Lichtenberg und 13 Tage in der Kreuzberger Jüterboger Straße.
       
       Die Folgen für die Betroffenen: Nicht nur Knöllchen drohen, sondern auch
       geplatzte Urlaube. Die Autohändler wiederum beschweren sich, dass jede
       Menge totes Kapital bei ihnen rumstehe. Der Grund: Wer sein Auto über eine
       Bank finanziert, bekommt den Kredit erst, wenn der Neuwagen zugelassen ist.
       Hinzu kommt eine zweifelhafte Praxis der Zulassungsdienste. Wer sie in
       Anspruch nimmt, muss seinen Personalausweis abgeben, weil es ohne den in
       Lichtenberg und Kreuzberg keine Zulassung gibt. Von der in anderen
       Bundesländern wie Thüringen üblichen Praxis, auch Ausweiskopien zu
       akzeptieren, hat man in der Bundeshauptstadt noch nichts gehört.
       
       Eigentlich schreibt das Personalausweisgesetz vor, dass jeder seinen Perso
       dabeihaben muss, um sich im Zweifel ausweisen zu können. Ausgerechnet die
       Innenverwaltung scheint das nicht so genau zu nehmen. „Wenn man als
       Privatperson bei der Zulassungsstelle vorspricht, wird der Ausweis nicht 3
       Wochen einbehalten“, so ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD).
       „Das Anliegen wird taggleich bearbeitet. Somit gibt man seinen Ausweis nur
       wenige Augenblicke aus der Hand.“ Im Klartext heißt das: Selbst schuld, wer
       einen Zulassungsdienst in Anspruch nimmt.
       
       Wer aber selbst einen Termin bei der Kfz-Zulassung organisieren will,
       landet im Berliner Absurdistan. Denn die bisher üblich Online-Terminvergabe
       hat der Senat am 5. Juli ausgesetzt. Als Grund nennt Innenstaatssekretär
       Gaebler, „dass seit einiger Zeit bei den Zulassungsstellen regelmäßig
       zumeist keine zeitnahen Termine mehr frei sind und dass mit einer
       ausreichenden Verbesserung dieser Situation durch die eingeleiteten
       Maßnahmen erst ab Herbst 2017 zu rechnen ist“.
       
       Weil die Situation mies ist, soll sie also noch mieser werden. Seit Juli
       nämlich gibt es Termine nur noch am Telefon. Das bedeutet Warteschleife.
       Laut Medienberichten befinden sich seitdem bis zu 120 Personen gleichzeitig
       in Wartestellung – um einen Termin in drei oder vier Wochen zu bekommen.
       
       Als Rot-Rot-Grün im Dezember angetreten war, war das Fitmachen der
       Verwaltung eines der Kernanliegen. Vor allem die Situation in den
       Bürgerämtern hat sich seitdem tatsächlich verbessert. Nun aber läuft es
       andernorts aus dem Ruder. Auch bei den Standesämtern müssen Heiratswillige
       inzwischen lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Für das Debakel in den
       Kfz-Zulassungsstellen macht Christian Gaebler den Vorgängersenat
       verantwortlich. „Leider wurde in der letzten Legislaturperiode nicht die
       Vorsorge für die personellen Ressourcen geschaffen, die erforderlich sind,
       um kurze und stabile Bearbeitungszeiten zu gewährleisten.“ Dies werde nun
       nachgeholt. Bis Anfang September sollen 22 neue Mitarbeiter eingestellt
       werden. Derzeit arbeiten 203 Mitarbeiter in beiden Stellen, 14 Stellen sind
       unbesetzt.
       
       Eine neue Software gibt es erst im kommenden Jahr. Sie soll die alte
       ersetzen, die zwanzig Jahre alt ist, so alt wie mein ehemaliges Auto, das
       den TÜV nicht mehr schaffte. Mit der neuen Software soll alles
       kundenfreundlicher werden, verspricht der Sprecher des Innensenators: „Hier
       können allein durch die modernere Softwarearchitektur in Verbindung mit
       einer nutzerfreundlicheren und intuitiveren Oberfläche positive Effekte mit
       Blick auf die Bearbeitung der Vorgänge erzielt werden.“
       
       Na, dann. Hoffentlich hält das neue Auto bis dahin durch.
       
       23 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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