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       # taz.de -- Kolumne Couchreporter: Liebe, hipp und zu dritt
       
       > „You Me Her“ auf Netflix bietet trendige Polyamorie-Comedy in einer
       > Vorstadt von Portland. In einem deutschen ICE läuft sie auch gut.
       
   IMG Bild: Sehr schön. Nur eine zu wenig
       
       Bäume, Wiese, Bäume, Wiese, Oh, eine Kuh! Deutschland aus dem Blick eines
       ICE-Fensters sieht ziemlich eintönig aus. Serien-Streaming kann dank neuem
       kostenfreien WLAN Abhilfe schaffen. Neulich saß ich wieder sechs Stunden in
       einem überklimatisiertem Waggon und vertrieb mir meine Zeit mit „You Me
       Her“. Einer US-amerikanisch-kanadischen „RomCom“ (romantische Comedy), die
       in Deutschland seit diesem Jahr mit zwei Staffeln bei Netflix verfügbar
       ist.
       
       Meine Nebensitzer*innen erfreute das auch, denn obwohl sie keinen Ton
       hörten, starrten sie mit mir gemeinsam auf meinen Laptop. Ich kann es ihnen
       nicht verübeln, schnell wechselnde Bilder ziehen das Auge einfach mehr an
       als Bäume, Wiese, Bäume, Wiese. Doch das ging nur wenige Minuten gut. Drei
       Minuten dauerte es, bis ein Mann zu sehen war, der gemütlich auf seinem
       Sofa sitzend masturbierte. Das war meinen Mitreisenden wohl etwas
       unangenehm, denn sie schauten schnell zur Seite.
       
       Nach einem kurzen Schock wandten sie sich betont unauffällig wieder meinem
       Laptop zu. Kurz darauf aber waren auf meinem Bildschirm zwei Frauen zu
       sehen. Beim ersten Blick aßen sie gemeinsam in einem Restaurant, doch nach
       einem Perspektivenwechsel sah man, wie eine der beiden die andere mit ihrem
       Fuß befriedigte. Meine Sitznachbar*innen, mit zur Seite gedrehtem Kopf,
       überlegten wohl, welchen Softporno ich mir da in aller Öffentlichkeit zu
       Gemüte führte. Halb beschämt, halb neugierig blinzelten sie doch immer
       wieder zu mir rüber.
       
       Die Serie „You Me Her“ handelt von Jack und Emma Trakarsky, beide Mitte 30,
       beruflich erfolgreich und mit eigenem Haus in einem Vorort der
       Hipster-Hauptstadt Portland. Sie sind glücklich, doch der Sex ist ihnen
       über die Ehejahre hinweg abhanden gekommen. Um das zu ändern, heuern die
       beiden Izzy an, eine Psychologie-Studentin und Escort-Dame. Aus der
       zunächst geschäftlichen Vereinbarung, Sex gegen Geld, entwickeln sich
       romantische Gefühle bei allen dreien. Gemeinsam führen sie eine Beziehung
       und Izzy zieht zu ihnen in den Vorort.
       
       ## Jack, Emma und Izzy
       
       Das Sexleben der drei läuft. Mal zu zweit, mal zu dritt – auf jeden Fall
       ziemlich viel (meine armen Zugnebensitzer*innen). Doch ihre Beziehung sieht
       sich mit neuen Problemen wie Eifersucht und unterschiedlichen Lebensweisen
       konfrontiert. Am belastendsten für die drei sind allerdings die
       gesellschaftlichen Erwartungen. Und die größten Kritiker, ganz klar, die
       Nachbar*innen.
       
       Meine Nebensitzer*innen im ICE könnten ebendiese Nachbar*innen aus dem
       gepflegten Vorort von Jack, Emma und Izzy sein. Sie sind neugierig, möchten
       alles wissen und alles sehen. Doch wenn es so weit ist, dann wird es ihnen
       zu viel: Sexszenen im Zug? Polyamorie in einer Vorstadt?
       
       „You Me Her“ wurde als erste polyromantische Serie angekündigt. Obwohl
       einem viele Bilder und Figuren bekannt vorkommen, bricht sie mit Normen und
       Sehgewohnheiten. Je mehr die Thematik behandelt wird, desto weniger stört
       sich das Auge und die Gesellschaft daran. Polyamore Serien im ICE gucken
       kann ich also als Bildungsauftrag verstehen. Beim nächsten mal trau ich
       mich dann vielleicht, den Ton anzuschalten.
       
       24 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
       ## TAGS
       
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