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       # taz.de -- Kommentar Flüchtlingspolitik: Besser kein Wahlkampfthema
       
       > Der Umgang mit Geflüchteten spielt im Wahlkampf kaum eine Rolle. Das ist
       > gut so. Denn das Thema würde der AfD nur so passen.
       
   IMG Bild: Herbst 2015: Flüchtlinge folgen einem Polizeiwagen in Bayern. Das sieht man in 2017 nicht mehr
       
       Einfache Frage: Welches politische Thema hat die Menschen in Deutschland in
       den letzten Jahren am meisten beschäftigt, aufgeregt und emotional berührt?
       Natürlich die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Viele sprachen vor Kurzem
       noch davon, Angela Merkels sogenannte Grenzöffnung habe das Land ganz neu
       politisiert. Warum aber spielt der Umgang mit Geflüchteten im Wahlkampf
       bisher so gut wie keine Rolle?
       
       Einfachste Antwort: weil nur noch wenige Flüchtende bis nach Deutschland
       kommen. Selbst die AfD kann deshalb keine akute Krise herbeihetzen.
       Wirklich dringende Probleme haben nicht mehr die deutschen Kommunen und
       Turnhallennutzer, sondern nur noch die Menschen, die vor Krieg und Elend zu
       fliehen versuchen – und einige Länder rund ums Mittelmeer.
       
       Die EU schottet sich immer rigoroser ab. Weil kein Land zur Aufnahme
       weiterer Flüchtlinge in nennenswerter Zahl bereit ist, werden nun private
       Retter vom Retten abgehalten und libysche Warlords dafür bezahlt, dass sie
       Menschen schon vor der Überfahrt stoppen. Eine nur noch auf Abwehr
       zielende, teilweise zynische Politik, die von Italien organisiert und von
       Merkel unterstützt wird. Ihr „humanitärer Imperativ“ von 2015? Fast
       vergessen.
       
       Diese Härte scheint allerdings nur noch wenige Deutsche so sehr zu
       berühren, dass sie zu großen Debatten führt. Sie macht eher: sprachlos. Das
       liegt aber nicht nur am Desinteresse, sondern auch an Ratlosigkeit. Die
       meisten Wähler wollen weder komplett „offene Grenzen“ noch komplett
       „geschlossene Grenzen“. Doch alles dazwischen ist kompliziert.
       
       Klar: Man muss die unterlassene Hilfeleistung im Mittelmeer kritisieren.
       Man sollte Italien unterstützen, weiter Menschen aufzunehmen. Dann aber
       hört es, realpolitisch gesehen, auch schon auf. Italien die Versorgung der
       Flüchtlinge allein zu überlassen, kommt dauerhaft nicht infrage. Eine
       Verteilung innerhalb der EU ist derzeit leider völlig aussichtslos.
       
       Was also tun? Mitten im Wahlkampf anbieten, dass Deutschland als einziges
       Land Flüchtlinge aus Italien dauerhaft einreisen lässt und aufnimmt, egal
       aus welchen Gründen sie geflohen sind? Kann man kaum erwarten von
       Politikern, die (weiter)regieren wollen.
       
       Natürlich müssen wir über Hilfe reden und in Zukunft wieder mehr
       Geflüchtete aufnehmen. Über Zahlen und Kriterien kann man streiten. Aber es
       ist nicht wirklich erstrebenswert, dass die Flüchtlingspolitik zum
       Hauptwahlkampfthema wird. Das würde der AfD nur so passen. Nein, der
       mühsame und langwierige Kampf für eine halbwegs humanitäre Politik ist
       außerhalb von Wahlkampfzeiten aussichtsreicher. Wie sich 2015 gezeigt hat.
       
       24 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lukas Wallraff
       
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