# taz.de -- Öffentlich-private Partnerschaften: Privatautobahn vor der Pleite
> Betreiber eines privat finanzierten Teilstücks der A1 haben
> Finanzprobleme und wollen mehr Geld vom Bund. ÖPP-Kritiker sehen sich
> bestätigt.
IMG Bild: Letzte Ausfahrt: Autobahnen privat zu bauen, funktioniert wohl doch nicht so
Göttingen taz | Die Befürworter privat finanzierter Autobahnen, die sich
vor allem in Union und FDP finden, werden kurz vor der Bundestagswahl
erneut von der Wirklichkeit widerlegt. [1][Einem Bericht der Süddeutschen
Zeitung zufolge] droht dem Betreiber des im Rahmen einer
Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) errichteten Teilstücks der Autobahn
1 zwischen Bremen und Hamburg die Insolvenz.
Das Konsortium aus einem britischen Investitionsfonds und einem Papenburger
Bauunternehmen hat demnach in einem Brief an das Bundesverkehrsministerium
von einer „existenzbedrohenden Situation“ gesprochen und Geld vom Staat
gefordert. Am Montag untermauerte der Betreiber seine Forderung laut SZ und
verklagt die Bundesrepublik auf eine Zahlung von 640 Millionen Euro.
Bei ÖPP-Projekten werden Autobahnen von privaten Investoren gebaut und
betrieben; diese erhalten im Gegenzug 30 Jahre lang einen Anteil der dort
anfallenden Maut. Das 73 Kilometer lange A1-Teilstück gilt Befürwortern
solcher Modelle bisher als Musterbeispiel, weil der sechsspurige Ausbau
zwischen 2008 und 2012 in Rekordzeit fertig gestellt wurde. Doch die
Maut-Einnahmen blieben offenbar hinter den Erwartungen des Investors
zurück.
Der Sprecher von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU)
bestätigte am Mittwoch den Eingang des Briefs. Der Betreiber fordere „eine
Veränderung der Vergütung“, sagte er. Dies lehne die Bundesregierung ab.
Fragen zur Grundlage der Forderung und zu den Folgen einer möglichen
Insolvenz beantwortete er nicht; die Verträge mit den ÖPP-Betreibern sind
geheim. Auch das Betreiberkonsortium ließ eine Anfrage der taz
unbeantwortet. Vermutlich würden auf den Bund im Fall einer Insolvenz des
Betreibers aber erhebliche Kosten zukommen.
Die Große Koalition hatte im Juli beschlossen, die deutschen Autobahnen an
eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft zu übertragen.
Eine direkte Privatisierung wurde auf Druck der SPD ausgeschlossen,
ÖPP-Projekte wie das jetzt von der Pleite bedrohte bleiben aber
ausdrücklich erlaubt und werden nach Ansicht von Kritikern künftig leichter
umgesetzt werden können.
Trotzdem versuchte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Mittwoch den
Eindruck zu erwecken, seine Partei habe durchgesetzt, dass es künftig keine
vergleichbaren Fälle mehr geben könne. „Wie gut wir beraten waren, da nicht
locker zu lassen, sieht man jetzt im Fall der A1“, behauptete Schulz in der
WAZ.
ÖPP-Kritiker sehen sich durch die Entwicklung bestätigt. „Die
Privatisierungsstrategie von Dobrindt ist gescheitert“, sagte
Grünen-Haushälter Sven Kindler. „Die Zeche zahlt der Steuerzahler“, warnt
Jan Korte (Linke). Laura Valentukeviciute von der Initiative Gemeingut in
BürgerInnenhand warf Dobrindt vor, die Informationen absichtlich
zurückgehalten zu haben: „Mit dieser Information – dass die Kosten für das
angebliche ÖPP-Vorzeigeprojekt auf der A1 nach neun Jahren erheblich
steigen – wäre die für die Grundgesetzänderung erforderliche
Zweidrittelmehrheit womöglich nicht zustande gekommen“, sagte sie.
23 Aug 2017
## LINKS
DIR [1] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verkehrspolitik-autobahn-privatisierung-erleidet-herben-rueckschlag-1.3636110
## AUTOREN
DIR Malte Kreutzfeldt
## TAGS
DIR Alexander Dobrindt
DIR Martin Schulz
DIR ÖPP
DIR Autobahn
DIR Insolvenz
DIR Maut
DIR Autobahn
DIR PPP
DIR Public Private Partnership
DIR Privatisierung
DIR Autobahn
DIR Autobahn
DIR Autobahn
DIR Verkehr
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Zentralisierung der Straßenverwaltung: Beraterinflation bei Autobahn GmbH
Die umstrittene Autobahn GmbH kostet schon vor Betriebsbeginn dreimal so
viel wie geplant. Vor allem der Bedarf an Beratern ist hoch.
DIR Landgericht Hannover weist Klage ab: Klatsche für Autobahn-Betreiber
Ein privates Autobahn-Konsortium bekommt keinen Maut-Nachschlag dafür, dass
der Verkehr nicht so zugenommen hat wie erwartet.
DIR Öffentlich-Private-Partnerschaft: Konsortium verkalkuliert sich
Privater Betreiber der A1 zwischen Hamburg und Bremen will vom Bund 778
Millionen Euro einklagen, weil weniger LKW fuhren als geplant.
DIR Folgekosten der Privatisierung in Bremen: Ein teures Erbe
Die Privatisierung der Abwasserversorgung könnte Bremen 2028 fast 600
Millionen Euro kosten, rechnet der Ökonom Ernst Mönnich vor
DIR Kommentar Autobahnprivatisierung: Unten mit den ÖPP
Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) funktionieren nicht, sie richten
Schaden an. Politik und Wirtschaft müssen klarer getrennt sein.
DIR Kritiker über Autobahn-Gesellschaft: „Ganz offen durch die Vordertür“
Auch nach den von der SPD durchgesetzten Änderungen sieht Carl Waßmuth die
geplante Infrastrukturgesellschaft als große Gefahr. Denn „die
Privatisierung droht weiter“.
DIR Streit um Autobahn-Gesellschaft: SPDler gegen jede Privatisierung
Ein neues Gutachten zeigt: Der Beschluss des Koalitionsauschusses löst die
Probleme der geplanten Infrastrukturgesellschaft nicht.
DIR Gesetz für Infrastruktur-Gesellschaft: DGB warnt vor privaten Straßen
Die Gewerkschaft drängt auf Änderungen am Gesetzentwurf. Sonst drohten
teure ÖPP-Projekte und ein Verlust politischer Kontrolle.
DIR Öffentlich-private Partnerschaften: ÖPP funktioniert im Straßenbau nicht
Das Verkehrsministerium hält an öffentlich-privaten Partnerschaften fest.
Und das obwohl ÖPP im Straßenbau extrem unwirtschaftlich ist.