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       # taz.de -- Ai Weiwei hat Geburtstag: 祝你生日快乐!
       
       > Heute wird der chinesische Künstler Ai Weiwei, der seit zwei Jahren in
       > Berlin lebt, 60 Jahre alt. Die taz gratuliert und sagt danke fürs
       > Hiersein.
       
   IMG Bild: Ai Weiwei in seinem Atelier im Kunsthaus Pfefferberg in Prenzlauer Berg
       
       Lieber Ai Weiwei!
       
       Es war im August 2008. Ein Interview mit Ihnen in Ihrem schönen,
       weitläufigen Atelier in Peking. Vielleicht fühlen sich Audienzen beim Papst
       so ähnlich an. Dabei ist vieles, was Sie heute zu einer der
       einflussreichsten Personen im Kunstbetrieb macht, damals noch gar nicht
       geschehen. Gut: Sie hatten im Jahr zuvor 1.001 chinesische Landsleute zur
       documenta 12 nach Kassel geholt. Das Olympiastadion in Peking, dessen
       Entwicklung Sie als künstlerischer Berater begleitet haben, war gerade
       eröffnet worden. Noch wurden Sie nicht überall als wichtigster
       Regimekritiker Chinas gefeiert. Und trotzdem: Das Treffen fühlte sich
       damals schon an wie ein Empfang.
       
       Neun Jahre später sieht man Sie oft in Berlin. Sie schlendern mit Ihrem
       kleinen Sohn in Prenzlauer Berg gemächlich die Straßen hinunter. Sie
       lächeln bei Kontaktaufnahme freundlich zurück und wirken weniger päpstlich
       denn völlig alltäglich. Wie ein sympathischer alter Freund, Typ gütiger
       Bär. Immer schön, Sie beim Einkauf zu treffen.
       
       Dabei ist sehr viel seitdem passiert: Sie haben auf die toten Schulkinder
       beim Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan aufmerksam gemacht, die
       unter den schlecht gebauten Schulen begraben wurden und mit denen sich die
       Machthaber Chinas nicht auseinandersetzen wollten.
       
       ## Ankunft in Berlin
       
       Sie wurden von der chinesischen Polizei niedergeschlagen, dann, vom 3.
       April bis 22. Juni 2011, die Haft. Sie ließ nicht nur der Kunstwelt die
       Haare zu Berge stehen. Und schließlich, endlich, auf den Tag vier Jahre
       nach der Haftentlassung, der Pass. Am 6. August 2015 die Ankunft in Berlin.
       
       Zwei Jahre Berlin nun also schon. Ihr Studio befindet sich im Pfefferberg,
       direkt neben dem von Ólafur Elíasson. Sie wirken ganz zufrieden, wenn man
       Sie in Badelatschen und kurzen Hosen am benachbarten Teutoburger Platz
       trifft oder auf dem Weg in den Volkspark Friedrichshain. Nicht gerade, als
       seien Sie von herzergreifendem Heimweh geplagt.
       
       Ihr Vater, der berühmte chinesische Dichter Ai Qing, war wegen seiner
       kritischen Haltung 20 Jahre lang aus Peking zwangsverbannt. Sie sind an
       Chinas Rändern aufgewachsen. Sie haben 12 Jahre lang in den USA gelebt.
       
       ## Überall zu Hause
       
       Sie sind Kosmopolit, überall da zu Hause, wo es etwas zu sagen gibt, etwas
       zu protestieren. Während man sich um andere Exilchinesen oft Sorgen machen
       muss, gehen Ihnen sicher niemals die Themen aus. Wahrscheinlich würden Sie
       es albern finden, wenn man Sie fragte, ob Ihnen nicht zumindest die
       chinesische Küche fehlt.
       
       Fast alles, was Sie seit Ihrer Ausreise in die Hand genommen haben, ist
       weiterhin groß und wichtig und richtig geworden. Die Porträts von
       australischen Bürgerrechtsaktivisten in Legosteinen, 2015. Die
       Schwimmwesten, die Sie 2016 ans Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt
       hängten als Erinnerung an die Flüchtlinge, die auf ihrem Weg nach Europa
       ertrunken sind.
       
       Glückwunsch auch, dass nun Ihr Dokumentarfilm „Human Flow“ über die globale
       Flüchtlingskrise, für die Sie ein Jahr lang um den Globus reisten, für
       einen Goldenen Löwen nominiert ist.
       
       Vor allem aber: herzlichen Glückwunsch, Ai Weiwei, zum Sechzigsten! Es ist
       schön, dass Sie jetzt so unter uns sind. Mitten in Berlin.
       
       28 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
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