URI: 
       # taz.de -- Mangel an bezahlbarem Wohnraum: Alle unter einem Dach
       
       > Junge Geflüchtete, Studierende und Azubis finden kaum noch Wohnungen.
       > Durch die Schaffung gemeinschaftlicher Wohnformen soll sich das ändern.
       
   IMG Bild: Und alle müssen sie auch noch irgendwo wohnen
       
       BREMEN taz | Wohnraum insbesondere für Studierende, junge Geflüchtete und
       Auszubildende ist in Bremen knapp wie nie zuvor. Wer auf günstige Wohnungen
       angewiesen ist, hat deshalb ein Problem.
       
       Gerade vor Beginn der neuen Hochschulsemester sind wieder tausende
       Studierende auf der Suche nach günstigen Zimmern. Karin Luckey, Rektorin
       der Hochschule Bremen, hatte zuletzt vorgeschlagen, dass Studierende in die
       frei werdenden Gebäude von AB Inbev und Mondelez einziehen könnten.
       
       Jens Tittmann, Sprecher des Bauressorts, schließt das aus. Die Brauerei sei
       ein produzierender Betrieb und laut Baugesetzbuch sowie dem
       Bundesemissionsgesetz sei Wohnen dort verboten, so Tittmann. „Entweder
       Bierbrauen oder Studentenwohnheim, beides geht nicht“, sagt der
       Bauressort-Sprecher.
       
       Grundsätzlich will das Bauressort günstigen Wohnraum schaffen. Im alten
       Postamt 5 und beim ehemaligen Concordia-Theater sollen laut Tittmann
       insgesamt 360 neue Appartements entstehen. Für studentisches Wohnen sei das
       Bauressort allerdings überhaupt nicht zuständig, sondern das
       Wissenschaftsressort unter Senatorin Eva Quante-Brandt (SPD). Die geplanten
       Appartements am Postamt 5 und am Concordiatunnel würden durch private
       Investoren realisiert, so Tittmann weiter. Dass die Wohnungen dort auch auf
       lange Sicht ausschließlich von Studierenden bewohnt würden, könne daher
       niemand garantieren.
       
       Besonders prekär ist die Wohnungsnot derzeit in der Neustadt. Im bei jungen
       Leuten beliebten Stadtteil gibt es aktuell nur ein Wohnheim mit 63 Plätzen.
       „Das Beck’s-Hochhaus und das Mondelez-Gebäude wären sehr attraktive
       Standorte“, sagt Ulrich Berlin, Pressesprecher der Hochschule Bremen. Er
       habe schon von konkreten Fällen gehört, bei denen die Wohnungsnot soweit
       geht, dass sich Studierende dafür entscheiden, nach Bremerhaven oder ins
       Bremer Umland zu ziehen. „Studierende wollen eigentlich nah an der Uni
       sein“, sagt er.
       
       Auch das Studentenwerk konstatiert lange Wartelisten für seine
       Wohnheim-Plätze. „Aktuell stehen knapp 600 Personen auf unserer
       Warteliste“, sagt Maurice Mäschig, Sprecher des Studentenwerks Bremen. Die
       Warteliste sei im Vergleich zu den vergangenen Jahren weiterhin auf einem
       gleichbleibend hohen Niveau. Er rechnet derzeit damit, dass die Warteliste
       noch auf über 800 Suchende ansteigen wird.
       
       Laut AStA der Uni Bremen könne das Studentenwerk bei rund 30.000
       Studierenden in der Stadt mit 1.786 Wohnheimplätzen nur für etwa sechs
       Prozent der Studierenden eine Unterbringung bereitstellen. Der AStA sieht
       „dringenden Handlungsbedarf“ und fordert, den weiteren Anstieg der
       Mietpreise zu verhindern.
       
       Aber nicht nur Studierende haben immer häufiger Probleme, adäquaten
       Wohnraum zu finden. Betroffen sind auch junge Auszubildende sowie junge
       Geflüchtete, die derzeit viel länger als nötig in den
       Jugendhilfeeinrichtungen verbleiben, obwohl sie teilweise schon volljährig
       sind. Die Fraktionen der SPD und Grünen haben deshalb einen
       Dringlichkeitsantrag in die Bürgerschaft eingebracht und fordern die
       Entwicklung und Umsetzung neuer, gemeinschaftlicher Wohnformen für
       Studierende, Azubis und junge Geflüchtete. Ihre Idee: Nicht mehr benötigte
       Jugendhilfeeinrichtungen so umzuwidmen und umzubauen, dass die jungen
       Menschen gemeinsam dort leben können. Neben dem Ziel, damit bezahlbares
       Wohnen für verschiedene Personengruppen zu ermöglichen, soll damit
       gleichzeitig eine „Separierung von jungen Geflüchteten“ verhindert werden,
       heißt es im Antrag.
       
       „Wir gehen von 1.400 jungen Geflüchteten aus, die bereits volljährig sind“,
       sagt Sahhanim Görgü-Philipp, die Grünen-Sprecherin für Soziales,
       Integration und Jugend. Die überwiegende Anzahl davon habe keinen weiteren
       Bedarf an Jugendhilfe, müsse also eigentlich gar nicht mehr in den
       Jugendhilfeeinrichtungen wohnen. „Leider ist das größte Problem nach wie
       vor, bezahlbaren Wohnraum zu finden, da der Wohnungsmarkt in Bremen
       insgesamt sehr angespannt ist“, sagt Sahhanim Görgü-Philipp. „Die jungen
       Leute, die ich gesprochen habe, freuen sich auf ein eigenständiges Leben.“
       
       Der Senat soll nun Vorschläge entwickeln, welche Gebäude für die Umwidmung
       infrage kommen. Görgü-Philipp geht davon aus, dass durch die Etablierung
       gemeinschaftlicher Wohnformen auch Kosten gespart werden können: Denn
       erstens würde der Personalschlüssel für die – ja eigentlich nicht mehr
       betreuungsbedürftigen – jungen Menschen wegfallen, und es könnten außerdem
       Mieteinnahmen erzielt werden.
       
       Das Bremer Sozialressort arbeite bereits an Konzepten, um diese
       gemeinschaftlichen Wohnformate zu realisieren, so Dorothea Staiger aus dem
       Sozialressort. „Wir haben großes Interesse daran, für junge Geflüchtete
       Wohnraum zu schaffen“, sagt sie. Es gebe sehr konkrete Bestrebungen, den
       Inhalt des Dringlichkeitsantrags umzusetzen.
       
       Die Mietverträge der bisherigen Jugendhilfeeinrichtungen sähen ohnehin eine
       Umnutzungsklausel vor, sagt Görgü-Philipps. Wichtig sei aber, dass nur die
       überzähligen Einrichtungen umgewandelt werden sollen, „denn Bremen muss
       auch weiterhin den Bedarf für die Jugendhilfe decken“.
       
       27 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philipp Nicolay
   DIR Karolina Meyer-Schilf
       
       ## TAGS
       
   DIR Studentenwohnheim
   DIR Azubis
   DIR Wohnraum
   DIR Geflüchtete
   DIR Wohnraum
   DIR Wohnungsnot
   DIR Altenpflege
   DIR Studierende
   DIR Jugendhilfe
   DIR Bremen
   DIR Studentenwohnheim
   DIR Integration
   DIR Neubau
   DIR Kleingarten
   DIR Wohngeld
   DIR Sozialer Wohnungsbau
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sascha Aulepp über Wohnraumpolitik: „Nicht dem Markt überlassen“
       
       Bremens SPD-Landesvorsitzende Aulepp plädiert für einen Rückkauf der
       privatisierten Baugesellschaft Brebau, höhere Sozialraumquoten und
       Erbbaurecht.
       
   DIR Wohnungsnot in Unistädten: Teures Pflaster für Studierende
       
       In Hamburg suchen tausende Erstsemester bezahlbaren Wohnraum. Gerade
       ausländische Studierende stehen lange auf den Wartelisten.
       
   DIR Vorbereitungskurs für Geflüchtete: Erstmal Ausbildung light
       
       Weil die Altenpflege-Ausbilung zu schwer ist, machen Geflüchtete bei der
       Heimstiftung eine Vorausbildung. Ein Modell für weitere Berufe?
       
   DIR Studie zur Wohnsituation von Studierenden: Nicht heimisch im Heim
       
       Studierende in Bremen wenden 50 Prozent ihres Budgets für Miete auf –
       bevorzugt für ihre eigene kleine Bude. Ins günstigere Wohnheim wollen sie
       lieber nicht.
       
   DIR Teure Insolvenz eines Jugendhilfeträgers: Der Retter ist pleite
       
       Die Insolvenz des Jugendhilfeträgers „Akademie Kannenberg“ kann teuer
       werden: Er schuldet der Stadt Bremen 5,6 Millionen Euro. Sozialbehörde in
       der Kritik
       
   DIR Gentrifizierung in Bremen: Preiswert wohnen ist möglich
       
       In Bremen steigen Mieten und Immobilienpreise weiter extrem schnell.
       Wohnraumförderung für Sozialwohnungen greift noch nicht.
       
   DIR Run auf Berliner Studentenwohnheime: Kein Zimmer frei
       
       Kurz vor Vorlesungsbeginn vermeldet das Studierendenwerk noch Tausende auf
       der Warteliste für einen Wohnheimsplatz.
       
   DIR Aydan Ösoğuz über soziale Gerechtigkeit: „Dieser Leitkultur-Populismus ärgert mich“
       
       Die Hamburger SPD-Spitzenkandidatin Aydan Ösoğuz will nach der Wahl zur
       Integrationsministerin aufsteigen und setzt auf das Thema soziale
       Gerechtigkeit
       
   DIR Neubaupläne für Sebaldsbrück vorgelegt: Aus schlicht wird schick
       
       Ab Herbst 2018 soll gebaut werden: Der Entwurf für die Neugestaltung der
       Schlichtbausiedlung „Am Sacksdamm“ in Sebaldsbrück liegt jetzt vor
       
   DIR Kleingärten-Umwandlung: Lieber nicht zu viel Grün
       
       Bremens Bausenator schlägt vor, aus brach liegenden Parzellen
       Naherholungsgebiete zu machen. Der Verband der Kleingärtner ist dagegen.
       
   DIR Mietpreise in Bremen: Profite auf Staatskosten
       
       Bremen muss viel mehr Wohngeld zahlen. Und für Hartz-IV-Empfänger gibt es
       weiterhin kaum Angebote, obwohl sie jetzt mehr für Miete ausgeben können
       
   DIR Bilanz der Wohnungspolitik: Teure Sozialwohnungen
       
       Trotz Förderprogrammen gibt es in Bremen immer weniger günstigen Wohnraum.
       Dabei wären viel billigere Mieten durchaus möglich, sagen Experten.