URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Zehn ganze Portionen am Tag
       
       > „Nach zwei Tagen komme ich mir vor wie eine Komposttonne. Wozu ewig
       > leben, wenn man dafür auf Laub herumkauen muss? …“
       
       Och nö. Gerade hatte ich mich dazu durchgerungen, genauer auf die
       empfohlenen fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu achten, da kam die
       Nachricht, dass man zehn Portionen essen muss, um unsterblich zu werden.
       Laut der Studie vom Londoner Imperial College würden Herzkrankheiten um 24,
       Schlaganfälle um 33 und Krebs um 13 Prozent reduziert.
       
       Als die Studie im Februar veröffentlicht wurde, genehmigte ich mir auf den
       Schrecken eine doppelte Portion Fish and Chips und verschwendete keinen
       Gedanken mehr an Obst und Gemüse. Neulich, Monate später, fielen mir die
       ersten Erfahrungsberichte von freiwilligen Versuchskaninchen in die Hände.
       
       Es ist deprimierend. Eine Testperson trat Weight Watchers bei und isst
       seitdem 15 Portionen Obst und Gemüse am Tag, die andere kaufte sich eine
       Smoothie-Maschine und trinkt Unmengen Gemüsematsch, ein Dritter ist in
       einem Gewächshaus groß geworden. Alle waren sich einig, dass zehn Portionen
       ein Kinderspiel seien.
       
       Ich beschließe, es selbst auszuprobieren. 800 Gramm am Tag, das müsste
       eigentlich zu schaffen sein. Ein Pfund Kirschen und ein paar Orangen – kein
       Problem. Ich habe in der Studie das Kleingedruckte übersehen. Man soll
       wegen des Zuckergehalts nur drei Portionen Obst einnehmen, der Rest muss
       aus Gemüse bestehen.
       
       Auf den einschlägigen Webseiten gibt es Tipps zuhauf: in Olivenöl geröstete
       Runkelrübe mit Fenchelsamen. Courgettes, die mit einem Sprialschneider in
       Spaghetti verwandelt werden. Eine Pizza mit einem Boden aus geraspeltem
       Blumenkohl. Eiscreme aus Süßkartoffeln. Ächz.
       
       Ich versuche es auf konventionelle Art und beginne den ersten Versuchstag
       mit einer Pampelmuse. Der Vorteil: Sie zählt doppelt. Der Nachteil: Damit
       ist mein Obstkontingent für heute fast ausgeschöpft. Also schiebe ich noch
       eine Mohrrübe und ein Pilzomelette hinterher. Zwei Fünftel der Tagesration
       habe ich schon zum Frühstück erledigt. An der Mohrrübe kaue ich allerdings
       bis zum Lunch.
       
       Ich spüle den Rest mit einem Gemüsesaft hinunter und schiebe ein paar in
       Mirabellenbrand eingelegte Streifen einer Paprikaschote hinterher – mein
       eigenes Rezept. Früher, als fünf Portionen das ewige Leben versprachen,
       hätte ich mein Tagespensum jetzt erledigt, obwohl der Mirabellenbrand gar
       nicht zählt. Nach den neuen Regeln ist aber erst Halbzeit.
       
       Eine mit Chili-Kirsch-Mousse gefüllte Tafel Schokolade ist in der Studie
       nicht aufgeführt, da haben die Wissenschaftler geschlampt, obwohl sie sonst
       so akribisch sind: Eine Mandarine zählt als halbe Portion, Kartoffeln
       zählen gar nicht, wohl aber Süßkartoffeln. 14 Weintrauben, zwei
       Brokkoli-Ästchen, drei gehäufte Esslöffel Erbsen oder fünf Zentimeter Gurke
       sind eine Portion.
       
       Nach zwei Tagen komme ich mir vor wie eine Komposttonne. Wozu ewig leben,
       wenn man dafür auf Laub herumkauen muss? Ich wende mich einer Currywurst
       mit ein paar Pommes zu – aber sicherheitshalber aus Süßkartoffeln.
       
       28 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
   DIR Diät
   DIR Nahrungsmittel
   DIR Gesundheit
   DIR Irland
   DIR Irland
   DIR Irland
   DIR Nordirland
   DIR Großbritannien
   DIR Windsors
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Die Drumcondra-Connection
       
       Ray Burke bekleidete von 1979 bis 1997 praktisch jedes Amt im Kabinett –
       und deklarierte Bestechungsgelder in seiner Steuererklärung nicht.
       
   DIR Die Wahrheit: Die Lockenwicklernattern
       
       Kate öffnet den Kofferraum, nimmt einen Bademantel heraus und zieht ihn an.
       Zu guter Letzt dreht sie sich Lockenwickler in die Haare …
       
   DIR Die Wahrheit: Der Schildawald
       
       Um es kurz zu machen: Irland führt so manches im Schilde. Doch lesen Sie
       selbst …
       
   DIR Die Wahrheit: Mumien, die auf Ziegen reiten
       
       Einem Mitglied des nordirischen Oranier-Ordens ist etwas Schlimmes
       aufgefallen: Ein katholischer Brauch hat sich bei den Protestanten
       eingeschlichen.
       
   DIR Die Wahrheit: Der Kotzbrocken und der Rebell
       
       Mick Jagger kann einfach keine Ruhe geben. Jetzt hat der ebenso steinalte
       wie steinreiche Rolling Stone auch noch ein Lied über den Brexit
       geschrieben.
       
   DIR Die Wahrheit: Langweiler mit schlechten Manieren
       
       Queengemahl Prinz Philip hatte seinen letzten Auftritt. Endlich: Er hat in
       seiner Dienstzeit Menschen auf allen Kontinenten beleidigt.