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       # taz.de -- Konkurrenz durch Dumpingpreise: Der Ostseetunnel wird versenkt
       
       > Dänische Bahn revidiert Prognose für Güterzüge auf der geplanten Trasse
       > zwischen Lolland und Fehmarn. Damit wackeln der EU-Zuschuss und die
       > Finanzkalkulation.
       
   IMG Bild: So soll die Tunneleinfahrt aussehen: zwei Gleise und eine vierspurige Autobahn
       
       Hamburg taz | Die Prognose ist düster. 17 Güterzüge und 24 Personenzüge am
       Tag erwartet Banedanmark, die dänische Gesellschaft für
       Eisenbahninfrastruktur, im Schienenverkehr zwischen Deutschland und
       Dänemark im Jahr 2027 nach Eröffnung des Fehmarnbelttunnels. So steht es
       als offizielle Auskunft im Protokoll des Projektbeirats des Dialogforums
       Fehmarnbelt vom 19. Juli, das der taz.nord vorliegt. Damit zerstieben
       sämtliche Verkehrsprognosen für den geplanten Schienen- und Straßentunnel
       im Fehmarnbelt, damit zerbröckelt das Finanzierungskonstrukt für das
       Milliardenprojekt (siehe Kasten): Der Tunnel in der Ostsee wird versenkt.
       
       „Dänemark arbeitet gegen Europa“, sagt Malte Siegert, Fehmarnbelt-Experte
       des Naturschutzbundes (Nabu). Denn das kleine Königreich im Norden, das den
       Tunnel angeblich aus eigener Kraft und ohne deutsches Geld finanzieren
       will, fördert den Warentransport mit LKWs auf der Straße statt mit Zügen
       auf der Schiene.
       
       Von ursprünglich 74 täglichen Güterzügen zwischen Kopenhagen und Hamburg,
       von denen im bisherigen Verkehrskonzept die Rede ist, verbleibt mit 17 nur
       noch ein Viertel. Nur mit den Mauteinnahmen von LKWs und PKWs können die
       enormen Baukosten – wenn überhaupt – über etwa 36 Jahre amortisiert werden,
       nicht aus den geringen Durchleitungsgebühren der Züge.
       
       Gleichzeitig aber hat die staatliche dänische Realisierungsgesellschaft
       Femern A/S einen Zuschuss der EU in Höhe von 1,4 Milliarden Euro in ihre
       Wirtschaftlichkeitsberechnung einkalkuliert. Diese Gelder aus dem Topf für
       transeuropäische Netze (TEN) sind aber ausdrücklich vorgesehen für die
       Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. „From road to rail“
       heißt das EU-Motto.
       
       „Die dänische Transportpolitik verdreht die europäischen Ziele im
       Verkehrssektor“, sagt Malte Siegert. Kopenhagen halte einerseits die Hand
       auf und sabotiere zugleich die Ökologisierung der Verkehre – das sei „ein
       unverantwortliches Finanz-Harakiri zulasten des dänischen Steuerzahlers und
       auf Kosten von Natur und Umwelt“, kritisiert Nabu-Bundesgeschäftsführer
       Leif Miller.
       
       ## Zuschüsse legitim?
       
       Dieser Verdacht ist inzwischen auch in der EU-Chefetage aufgekommen. Seit
       voriger Woche prüft der Rechnungshof der Europäischen Union in Luxemburg
       die Frage, ob Zuschüsse für den Bau der Fehmarnbeltquerung legitim sind.
       „Die nehmen das jetzt richtig unter die Lupe“, sagt Bettina Hagedorn (SPD),
       Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein und im Haushaltsausschuss des
       Bundestages zuständig für Verkehrsprojekte. Die Förderung von
       Schienenverkehr, der gar nicht stattfinde, „ist der Knackpunkt für die
       Kalkulation“, sagt Hagedorn.
       
       Weder Femern A/S noch die Deutsche Bahn, zuständig für den Ausbau der
       Schienenstrecke zwischen Fehmarn und Lübeck, war am gestrigen Dienstag auf
       Anfrage der taz.nord zu weiteren Auskünften oder Bewertungen in der Lage.
       
       Dabei wird das Projekt jetzt auch von der dänischen Regierung selbst
       sabotiert. Eine Senkung der Mautgebühren auf der Brücke über den Großen
       Belt um 25 Prozent verkündete jetzt Transportminister Ole Birk Olesen
       (Liberale) – notgedrungen allerdings. Denn es war ein Wahlversprechen aller
       Parteien an die regionale Bevölkerung, nach 20 Jahren die Gebühren auf
       dieser 1998 eröffneten zentralen Verbindung zwischen West- und Ost-Dänemark
       schrittweise zu senken. Eine Verbilligung der Tarife könnte die Brücke etwa
       100 Kilometer nördlich des Fehmarnbelts aber auch als Alternative attraktiv
       machen.
       
       Olesen erwartet denn auch eine Verlagerung von täglich 500 PKW-Fahrten zum
       Großen Belt, das sind zehn Prozent der aktuell 5.400 Autos auf der
       Fährlinie zwischen Puttgarden und Rødby. Alle dänischen Tageszeitungen und
       das Fachblatt Transportmagasinet bewerten dies denn auch als Schwächung des
       Fehmarnbeltprojekts. Der Verkehrsexperte der Sozialdemokraten im dänischen
       Parlament, Rasmus Prehn, spricht von „Sprengstoff“ für die Tunnelpläne. Und
       der ist bei Tunneln ja immer besonders heikel.
       
       30 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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