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       # taz.de -- Spanischer Ministerpräsident vorgeladen: Gigantische Korruption
       
       > Die Korruption in der Partido Popular erreichte gigantische Ausmaße – 87
       > Milliarden Euro jährlich. Rajoy soll ein Begünstigter gewesen sein.
       
   IMG Bild: Mariano Rajoy bei einer Veranstaltung nach der Gerichtsverhandlung in Madrid
       
       Madrid taz | Es ist das Bild, das Spaniens Konservative am meisten
       fürchteten. Mariano Rajoy als Zeuge vor dem spanischen Sondergericht für
       Terrorismus und organisiertes Verbrechen, der Audiencia Nacional. Der
       Ministerpräsident muss zur illegalen Finanzierung seiner Partido Popular
       (PP) Stellung beziehen.
       
       Das Gericht, das für den Mammutverfahren in einem eigens eingerichteten
       Saal in San Fernando, einem Vorort von Madrid, tagt, behandelt seit Oktober
       die PP-Finanzen von 1999 bis 2005. Die Ermittlungen laufen unter dem
       Codenamen „Gürtel“. Es ist der Nachname des Kopfs der Parteimafia,
       Francisco Correa. Etwa 100 Demonstranten hielten in der Nähe des
       Gerichtsgeländes Banner in die Höhe. Sie riefen Slogans, mit denen sie der
       konservativen Volkspartei vorwarfen, Korruption zu vertuschen. Einige
       hatten Schilder, auf denen stand: „Mafia raus, Demokratie rein“.
       
       Rajoy ist der erste amtierende spanische Regierungschef, der vor Gericht
       erscheinen muss. Er hatte bis zum Schluss versucht, seinen Auftritt vor
       Gericht zu verhindern. Die Richter entschieden, Rajoy sei „nicht als
       Ministerpräsident, sondern als normaler Bürger“ geladen. Zu Beginn seiner
       Ausführungen schwor er, nur die Wahrheit zu sagen. Befragt nach dem
       zweifelhaften Finanzgebaren seiner Partei, antwortete der Regierungschef,
       er habe sich nie mit „Buchführung“ befasst. „Ich habe mich niemals um die
       wirtschaftlichen Belange in der Partei gekümmert“, sagte Rajoy vor den drei
       Richtern.
       
       Rajoy hatte im fraglichen Zeitraum hohe Ämter in Partei und Regierung inne.
       Unter dem damaligen Regierungschef und PP-Präsidenten José María Aznar war
       er Minister in unterschiedlichen Ressorts, Vizegeneralsekretär und
       Generalsekretär der PP. 2004 löste Rajoy Aznar an der Parteispitze ab. Über
       das Netzwerk Gürtel flossen in dieser Zeit rund 863 Millionen Euro in die
       PP-Kassen.
       
       ## Kein Auftrag ohne Zahlung
       
       Das System war einfach. Wer einen öffentlichen Auftrag wollte, zahlte, ob
       in PP-regierten Gemeinden, Regionen oder auf nationaler Ebene. Correa
       kaufte Gemeindegrundstücke und verkaufte sie zu überhöhten Preisen weiter.
       Ein Teil des Profits ging an die PP. Ähnlich verfuhr Correa auch mit
       öffentlichen Aufträgen.
       
       Correas Unternehmen organisierten ferner die Wahlkämpfe der PP, die
       Prunkhochzeit der Tochter Aznars oder Kindergeburtstage für Minister;
       ferner Reisen und teure Autos für mehrere Bürgermeister. Correa, genannt
       „Don Vito“, drohen 125 Jahre Gefängnis.
       
       PP-Schatzmeister Luis Bárcenas verteilte dank der Schwarzgeldkasse
       großzügige Zusatzgehälter an hohe Parteifunktionäre. Rajoy soll unter den
       Begünstigten sein. Bárcenas ist einer der Hauptangeklagten.
       
       Insgesamt soll die Korruption die Spanier – so eine Studie mehrerer
       Universitäten und der Nationalen Kommission für Märkte und Wettbewerb –
       seit den späten 1990er Jahren jährlich 87 Milliarden Euro gekostet haben.
       Allein die Korruption im Zusammenhang mit Aufträgen der öffentlichen Hand
       belaufe sich auf 48 Milliarden jährlich, rund 4,5 Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts.
       
       26 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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